Aufziehen einer Spritze© TuiPhotoengineer / iStock / Getty Images

DIE APOTHEKEN MACHEN MIT

Im Rahmen von Modellprojekten bieten einige Apotheken die Schutzimpfung gegen Grippe an. ABDA und Bundesverband PTA begrüßen dies. Die Ärzteschaft reagiert eher abwehrend.

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Ein kleiner Pieks in den Arm kann für eine Menge Ärger sorgen. Das hat zuletzt die Corona-Impfung gezeigt. Doch selbst ein bewährtes Angebot wie die Grippeschutz- impfung kann noch heftige Debatten auslösen. Dabei geht es allerdings nicht darum, was geimpft wird, sondern von wem. Denn Grippeschutzimpfungen sind mittlerweile nicht mehr allein den Arztpraxen vorbehalten. Im Rahmen von Modellprojekten können sie auch Apothekerinnen und Apotheker anbieten. Das wurde mit dem Masernschutzgesetz festgelegt.

Geringere Hürden für Impfwillige Bereits im vergangenen Herbst stiegen die ersten Apotheken ein. Ganz vorn dabei waren Regionen in Bayern und Nordrhein-Westfalen sowie das gesamte Saarland. Erstmals wurden so in rund 200 Apotheken circa 1400 Menschen gegen Grippe geimpft. Eine winzige Zahl. Aber der Vorsitzende des Apothekervereins Nordrhein, Thomas Preis, unterstrich, warum der Gesetzgeber solche Modellvorhaben erlaubt: Um mehr Menschen dazu zu bewegen, sich gegen Grippe impfen zu lassen. Denn mit den Quoten ist es nicht weit her. Zumindest war das vor Corona so.

Das Robert Koch-Institut veröffentlichte im November 2020 aktuelle Impfquoten. Danach waren in der Saison 2019/2020 nur knapp 40 Prozent der über 60-Jährigen gegen Grippe geimpft. Bei den Menschen mit impfrelevanten Grunderkrankungen waren es etwa 32 Prozent, bei den Schwangeren nur 17 Prozent. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn rief deshalb Anfang Oktober 2021 erneut Risikopatienten, Schwangere und Menschen über 60 Jahre auf, sich impfen zu lassen.

Eingedampft
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In mehr und mehr Apotheken wird im Rahmen von Modellprojekten gegen Grippe geimpft. Die Anforderungen regelt u.a. ein Curriculum der Bundesapothekerkammer.
+ Mehr Impfangebote sind sinnvoll: Viel zu wenige Menschen, für die es empfohlen wird, schützen sich vor Grippeviren. Nur ca. 40 Prozent der über 60-Jährigen waren im Winter 2019/2020 gegen Grippe geimpft.

Der Bund bestellte erneut zusätzlichen Grippeimpfstoff, so wie schon im Herbst 2020: Statt vormals 14 Millionen Dosen stehen nun für die Saison 2021/2022 etwa 26 Millionen Dosen zur Verfügung. Sie werden sicher auch in Apotheken zum Einsatz kommen. Denn inzwischen haben immer mehr Landesapothekerverbände die notwendigen Verträge mit den Krankenkassen verhandelt. Zum Herbst 2021 wird es weitere Modellregionen geben, mindestens in Baden-Württemberg, Berlin, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Westfalen-Lippe. Die Bundesapothekerkammer hat im Sommer das Schulungscurriculum zur Grippeimpfung in Apotheken überarbeitet. Dabei sind schon erste Erfahrungen aus den Modellregionen eingeflossen.

Negative Reaktionen bedauerlich Teile der Ärzteschaft kritisieren die Grippeschutzimpfung in Apotheken. Bei der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) im September 2021 waren die Modellvorhaben ein großes Thema. „Das Impfen ist eine ärztliche Leistung und keine moderne Dienstleistung von Apothekern“, ärgerte sich Dr. Carsten König. Dr. Peter Heinz rief sogar dazu auf, bei Apotheken mit Grippeimpfangebot keinen Praxisbedarf mehr zu bestellen. Der Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg, Dr. Wolfgang Miller, hatte zuvor betont, man müsse stets ärztlicherseits die Impffähigkeit feststellen. Im Zwist mit den Apothekern forderten einige ärztliche Funktionäre mittlerweile sogar ebenfalls das Dispensierrecht, also die gesetzliche Erlaubnis, Arzneimittel herzustellen, zu lagern, abzufüllen und verkaufen zu dürfen.

Praxistipps
+ Auf der Homepage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist Info-Material zur Grippeschutzimpfung allgemein abrufbar – auch in Englisch, Russisch, Türkisch, Arabisch.
+ Der Landesapothekerverband hat eine Aufklärungskampagne zum Thema gestartet. Stichwort: www.impfopoint.de

„Die negative Reaktion der KBV in Verbindung mit der Infragestellung des Dispensierrechts für Arzneimittel erscheint bedauerlich – ganz besonders in Zeiten einer Pandemie“, heißt es beim Berufsverband für PTA (BVpta e.V.). „Interprofessionelle Zusammenarbeit ist gefragt. Das Nutzen aller vorhandenen Ressourcen sollte das Ziel sein.“ Der BVpta hält Impfungen in der Apotheke durch Apothekerinnen und Apotheker grundsätzlich für sinnvoll. „Sie und PTA haben eine große Nähe zu Kunden und Patienten. Bei Covid-19-Impfungen wäre die Impfquote mit Apotheken schon deutlich höher“, meint die Bundesvorsitzende Carmen Steves.

Aus Sicht von ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening sollte man die Modellprojekte verstetigen. Bei einem Live-Talk im vergangenen Juli sagte sie, diese Aufgabe könne in den nächsten zwei, drei Jahren in die Regelversorgung übergehen. Die Delegierten beim diesjährigen Deutschen Apothekertag im September waren ebenfalls mehrheitlich überzeugt von der Zukunft der Grippeimpfungen in Apotheken: Sie forderten den Gesetzgeber auf, die Modellprojekte zügig auszuwerten und in Kooperation mit den Ärzten zur Regel zu machen. So könne man Ärztinnen und Ärzte entlasten und zum Gesundheitsschutz in der Bevölkerung beitragen.

Diesen Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 11/2021 ab Seite 70.

Sabine Rieser, freie Journalistin

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