© Julius Sebastian Figge

Psychische Störungen

DIE ANGST IM NACKEN

Jeder Mensch kennt das Gefühl von Angst. Meist hat es eine wichtige Warnfunktion – es kann aber auch krank machen: Neben den Depressionen zählt diese Störung zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in Deutschland.

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Die generalisierte Angststörung ist im International Classification of Diseases-10 unter den „sonstigen Angststörungen“ (F41.1) gelistet. Sie tritt meist um das dritte Lebensjahrzehnt auf. Bei Frauen ist sie häufiger, insbesondere in Verbindung mit langanhaltenden Belastungen durch äußere Umstände. Die Angst entwickelt sich bei diesem Störungsbild langsam. Betroffene leiden unter unbegründeten Sorgen und negativen Vorahnungen.

Die Angst hat das Leben dann im Griff: In vielen Fällen sind Patienten nicht in der Lage, ihren Alltag zu bewältigen, denn die Angst tritt in zahlreichen Situationen auf. Körperliche Symptome wie Schlafstörungen, Herzrasen, Schwindel, Hitzewallungen, innere Unruhe, Verspannungen oder Kopfschmerzen begleiten die generalisierte Angststörung. Laut ICD-10 müssen für die Diagnose folgende Symptome an den meisten Tagen, mindestens mehrere Wochen lang, meist mehrere Monate auftreten:

  • Befürchtungen (Sorge über zukünftiges Unglück, Nervosität, Konzentrationsschwierigkeiten usw.)
  • Motorische Spannung (körperliche Unruhe, Spannungskopfschmerz, Zittern, Unfähigkeit, sich zu entspannen)
  • Vegetative Übererregbarkeit (Benommenheit, Schwitzen, Tachykardie oder Tachypnoe, Oberbauchbeschwerden, Schwindelgefühle, Mundtrockenheit usw.)

Neben der generalisierten Angststörung gibt es weitere Formen, auf die im Folgenden eingegangen wird.

Phobien Diese situationsgebundenen Ängste werden durch bestimmte Objekte oder Aktivitäten ausgelöst. Vermeidungsstrategien dienen Betroffenen, den angstauslösenden Situationen aus dem Wege zu gehen. Man unterscheidet bei den phobischen Störungen die Agoraphobie (ICD-10, F40.0), die soziale Phobie (ICD-10, F40.1) und spezifische Phobien (ICD- 10, F40.2).

Erstere beschreibt eine Gruppe von Phobien mit der Angst, die eigene Wohnung zu verlassen, Geschäfte zu betreten oder sich in Menschenmengen zu begeben. Ferner vermeiden Betroffene öffentliche Plätze und Reisen mit dem Zug, Bus oder Flugzeug. Viele Patienten verlassen aufgrund ihrer Angst die Wohnung sehr selten oder gar nicht. Das Fehlen von Fluchtwegen ist ein zentraler Aspekt für Erkrankte mit einer agoraphobischen Störung.

Bei einer sozialen Phobie leidet der Patient unter einer „Furcht vor prüfender Betrachtung durch andere Menschen in verhältnismäßig kleinen Gruppen (nicht dagegen in Menschenmengen)“. Häufig meiden Betroffene Kontakte und ziehen sich immer mehr zurück. Zudem haben sie Furcht davor, im Mittelpunkt zu stehen.

ÜBERBLICK
In unserer Serie „Psychische Störungen und ihre pharmakologische Behandlung“ stellen wir Ihnen in den kommenden Monaten folgende Themen vor:

+ Schizophrenie
+ Depression/Hypomanie
+ Zwangsstörung
+ ADHS
+ Bulimie/Magersucht
+ Borderline-Persönlichkeitsstörung
+ Tourette-Syndrom
+ Psychiater, Psychologe, Psychotherapeut – wer behandelt wen?

Bei spezifischen Phobien bezieht sich die Angst auf bestimmte Situationen oder Objekte. Dazu gehören Tier- (z. B. Spinnen) oder Situationsphobien (z. B. Flugreisen, Zahnarzt). Sie sind in der Regel weniger einschränkend als die Agoraphobie oder die soziale Phobie.

Panikstörungen (ICD-10 F41.0) Kennzeichen sind plötzlich auftretende, heftige Angstattacken. Da sie unabhängig von bestimmten Situationen auftreten, sind sie nicht vorhersehbar. Das Ausmaß der Symptome variiert von Person zu Person. Charakteristisch für die Panikattacke sind Brustschmerzen, Schwindel, Herzrasen, Entfremdungs- und Erstickungsgefühle. Häufig leiden Patienten unter Todesängsten. In der Regel halten die Anfälle wenige Minuten an. Einer ersten Panikattacke folgt meist eine Angst vor weiteren dieser Situationen.

Posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) Sie folgt als verzögerte Reaktion auf eine belastende Situation oder auf ein Ereignis katastrophenartigen Ausmaßes mit einer Latenz von Wochen, Monaten oder Jahren. Erinnerungen und Albträume können zu einer großen Verzweiflung des Patienten führen. Oft sind Betroffene übertrieben wachsam und neigen ferner zu Depressionen und Angst.

Ursachen Es gibt eine Reihe von Theorien zur Entstehung von Angststörungen, auch wenn die genauen Ursachen noch nicht geklärt sind. Genetische Faktoren sind in der Diskussion, weil häufig Verwandte von Patienten ebenfalls daran leiden. Ein verursachendes Gen konnte bisher jedoch nicht identifiziert werden. Psychische Faktoren tragen zu der Entwicklung bei. So folgt auf traumatische Erlebnisse häufig eine Angststörung.

Auch neurobiologische Faktoren sollen einen Einfluss auf ihre Entstehung haben. Hierbei geht man von einem gestörten Gleichgewicht der Neurotransmittern Noradrenalin, Serotonin und gamma-Aminobuttersäure aus. Während einer Angstattacke lösen die von der Nebenniere produzierten Substanzen Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol vegetative Reaktionen aus.

Nach dem lerntheoretischen Ansatz ist die Angst eine angeeignete Fehlreaktion. Bei einer negativen Erfahrung in einer neutralen oder positiven Situation erfährt der Betroffene Angstgefühle. Folge ist der Versuch, eine Wiederholung der Situation zu umgehen. Das Vermeidungsverhalten führt dann allerdings zu einer Aufrechterhaltung der Angst. 

ZUSATZINFORMATIONEN

Behandlung
Die Therapie setzt sich aus einer psychotherapeutischen und medikamentösen Kombination zusammen. Angststörungen werden zum Beispiel mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmern behandelt. Außerdem sind Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (Venlafaxin) wirksam. Benzodiazepine werden wegen des Abhängigkeitspotentials nur in Ausnahmefällen verordnet. Oft versucht man mit Betablockern die körperliche Symptomatik zu verbessern.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/12 ab Seite 90.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)

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