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PTA-Fortbildung 03/12

DIABETES TYP 1

Diabetes mellitus hat inzwischen die Ausmaße einer Epidemie angenommen. Es ist nicht nur die steigende Zahl der übergewichtigen Typ-2-Diabetiker, die dazu beiträgt. Auch Typ 1 ist groß im Kommen, vor allem bei Kindern.

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Typ-1-Diabetes stellt bei Kindern und Jugendlichen inzwischen die häufigste Stoffwechselerkrankung dar. Analysen von Daten aus mehreren Bundesländern zeigen, dass die Rate der Neuerkrankungen bis zum 15. Lebensjahr kontinuierlich steigt. Diese Tendenz gilt für ganz Europa, das belegen aktuelle Studien. Der Trend wird vor allem bei Kleinkindern im Alter von bis zu fünf Jahren beobachtet. Damit verschiebt sich die Manifestation der Erkrankung immer weiter ins jüngere Lebensalter. Man schätzt, dass 2020 doppelt so viele Kleinkinder an Diabetes Typ 1 erkrankt sein werden wie 2005.

Ursache noch nicht geklärt Über die Gründe dafür wird bisher nur spekuliert. Neben genetischen Faktoren könnten bestimmte Nahrungskomponenten, wie Gluten oder Kuhmilcheiweiß, wenn sie schon im Säuglingsalter zugeführt werden, eine Rolle spielen. Untersuchungen dazu laufen zurzeit noch. Sie sollen Klarheit bringen und Möglichkeiten zur Prävention eröffnen. Auch die exakte Pathogenese der Stoffwechselerkrankung ist noch nicht vollständig geklärt.

In jedem Fall kommt es zu einer Zerstörung der insulinproduzierenden Beta-Zellen in den Langerhans’schen Inseln der Bauchspeicheldrüse . Die Langerhans’schen Inseln sind Zellansammlungen mit unterschiedlichen Zelltypen. Ihre Aufgabe es ist, die Höhe des Blutzuckers zu messen, Insulin und andere Hormone, wie Glucagon, zu produzieren und bei Bedarf in die Blutbahn auszuschütten. Den Namen haben sie vom deutschen Mediziner Paul Langerhans, der sie entdeckte. Ein Erwachsener besitzt etwa eine Million dieser Inseln, sie bilden ein bis zwei Prozent der Masse des Pankreas.

Die Beta-Zellen machen einen Anteil von 65 bis 80 Prozent der Inselzellen aus. Hier wird Insulin produziert und in Vesikeln bereitgestellt. An dieser Stelle wird auch der Blutzucker gemessen. Die Beta-Zellen stehen dazu direkt mit den zahlreichen Kapillaren, die die Langerhans’schen Inseln durchziehen, in Verbindung. Die innere Schicht der Kapillaren, das Endothel, ist sehr dünn und gefenstert, sodass unmittelbarer Kontakt zum Blut besteht.

Absoluter Insulinmangel bei Typ 1 Die Zerstörung der Beta-Zellen ist das Resultat einer Entzündung – so viel ist gesichert. Zwar konnten die auslösenden Faktoren noch nicht wirklich identifiziert werden, bekannt ist jedoch, dass zumindest in den meisten Fällen das Immunsystem im Sinne einer Autoimmunerkrankung daran beteiligt ist. Umweltfaktoren, wozu Viren, aber auch die Ernährung gehören, triggern diese Entzündung bei genetisch disponierten Menschen. Diese immunmediierten Diabetes-Typ-1-Erkrankungen werden auch als Typ 1a bezeichnet. In seltenen Fällen lässt sich überhaupt keine Ursache finden. Dann spricht man vom Typ 1b oder vom idiopathischen Diabetes Typ 1.

Unabhängig von der Ursache: Erst bei einer Zerstörung von mindestens 80 Prozent der Beta-Zellen kommt es zum absoluten Insulinmangel und damit zur klinischen Manifestation des Diabetes. Im Verlauf der Erkrankung werden dann auch die restlichen Beta-Zellen zerstört. Beim Typ 1a werden während des Autoimmunprozesses diabetesspezifische Autoantikörpern durch die B-Lymphozyten gebildet. Sie zerstören zwar die Inseln nicht direkt, sind aber als frühester diagnostischer Marker für die Medizin interessant.

Im Unterschied zum absoluten Insulinmangel durch Zerstörung der Beta-Zellen spricht man beim Typ-2-Diabetiker vom relativen Insulinmangel. Hier kann zunächst noch genug Insulin gebildet werden. Zu Beginn der Erkrankung wird es sogar vermehrt produziert. Die Körperzellen reagieren darauf jedoch mit einer verminderten Empfindlichkeit, was als Insulinresistenz bezeichnet wird.

Eine Sonderform des Typ-1-Diabetes wird als LADA (latent autoimmune diabetes in adults) bezeichnet. Hierbei handelt es sich um einen bei meist schlanken Erwachsenen auftretenden Diabetes mit schleichender Zerstörung der Beta-Zellen und milden Symptomen. Durch Nachweis der typischen Autoantikörper lässt sich die Diagnose eines zum Typ 1 gehörenden Diabetes sichern. Oft wird aber wegen der milden Verlaufsform an einen Typ-2-Diabetes gedacht und entsprechend behandelt.

Insulin Ein Insulinmolekül ist aus insgesamt 51 Aminosäuren zusammengesetzt. Damit ist es ein relativ kleines Peptidhormon. Insulin ist globulär, also kugelförmig aufgebaut. Es besteht aus einer A- und einer B-Kette, die über zwei Disulfidbrücken miteinander verbunden sind. Eine dritte Disulfidbrücke befindet sich innerhalb der A-Kette. Diese drei Brücken sind entscheidend für die Tertiärstruktur, also die räumliche Form des Moleküls.

Bei der Synthese von Insulin im Pankreas entsteht zuerst Präproinsulin, das aus 107 Aminosäuren besteht und noch nicht biologisch aktiv ist. Durch Abspaltung einer Aminosäuresequenz wird daraus Proinsulin. Dieses wird so gefaltet, dass die native Tertiärstruktur entsteht. Dabei bilden sich die genannten Disulfidbrücken, die die Struktur fixieren. In einem weiteren Schritt entsteht dann durch erneute Abspaltung einer Sequenz Insulin. Es befindet sich noch in den Speichervesikeln der Beta-Zellen. Sechs Insulinmoleküle lagern sich hier zu einem Hexamer im Komplex mit Zink zusammen. Der Insulin-Zink-Komplex ist nicht wasserlöslich und kristallisiert in den Vesikeln aus. Werden diese Komplexe in die Pfortader sezerniert, dissoziieren die Hexamere in lösliche, bioaktive Insulinmonomere.

Wenn der Blutzuckerspiegel steigt Wichtigster Auslöser für eine Insulinausschüttung ist ein steigender Blutglukosespiegel nach einer kohlenhydrathaltigen Mahlzeit. Beim Gesunden wird die Insulinsekretion ganz wesentlich durch spezielle Darmhormone, die Inkretine, gefördert. Zur Therapie des Typ-2- Diabetes wurden die Inkretin-Mimetika entwickelt, die die Beta-Zellen anregen, Insulin zu produzieren und auszuschütten. Für den Typ-1-Diabetiker mit seinem absoluten Insulinmangel sind solche Arzneistoffe allerdings zur Therapie ungeeignet.

Die Hauptwirkung des Insulins ist die rasche Senkung des Blutzuckerspiegels durch Stimulation der Glukoseaufnahme in die Zelle. Vor allem die Muskel-, aber auch die Leberzellen können in kurzer Zeit große Mengen Glukose aufnehmen und sie entweder direkt in Energie umwandeln (Glykolyse) oder in Form von Glykogen kurzzeitig speichern. Insulin hat aber auch Auswirkungen auf den Fett- und Aminosäurestoffwechsel sowie auf den Kaliumhaushalt. So wird die Lipolyse in den Fettzellen gehemmt und die Fettsäureaufnahme und -speicherung in den Fettzellen gefördert.

Insulin ist das einzige Hormon, das den Blutzuckerspiegel senken kann. Sein Gegenspieler ist das Glukagon. Seine Aufgabe ist es, den Blutzuckerspiegel zu erhöhen. Auch die Schilddrüsenhormone, Kortisol und Adrenalin haben eine blutzuckersteigernde Wirkung.

Akute Symptome Erst wenn das noch vorhandene Insulin nicht mehr ausreicht, um genug Glukose in die Zellen einzuschleusen, treten unbehandelt innerhalb von Tagen bis Wochen die typischen Symptome auf. Dazu gehören häufiger Harndrang und starker Durst, Müdigkeit und Abgeschlagenheit, trockene Haut und Gewichtsverlust. Durch den Insulinmangel steigt der Blutzuckerspiegel an. Ab einer Schwelle von 160 bis 180 Milligramm pro Deziliter oder 8,9 bis 10 Millimol pro Liter ist die Kapazität der Carriersysteme in der Niere erschöpft und Glukose kann nicht mehr rückresorbiert werden. Sie wird mit dem Urin ausgeschieden. Dazu ist viel Wasser nötig, was den häufigen Harndrang und den starken Durst erklärt.

Wenn der Flüssigkeitsverlust auch durch sehr große Trinkmengen nicht mehr auszugleichen ist, macht sich die Austrocknung des Körpers und der Glukosemangel in der Zelle durch Müdigkeit und Abgeschlagenheit bemerkbar. Hautjucken ist ein weiteres häufiges Symptom. Parallel dazu beginnt der Körper, seine durch die Krankheit nicht verwertbare wichtigste Energiequelle, die Glukose, zu ersetzen. Er mobilisiert seine Fettdepots, zudem auch das Eiweiß der Muskulatur. Bei der Fettverbrennung entstehen Ketonkörper, Zwischenprodukte des Fettstoffwechsels, die zur Übersäuerung des Blutes führen. Die Ketonkörper, von denen das Azeton der bekannteste ist, treten in die Ausatemluft über.

Als weitere Folge des Fett- und Eiweißabbaus nimmt der durch die Austrocknung eingeleitete Gewichtsverlust zu. Bei steigendem Ketonkörperspiegel kommt es zu Übelkeit und Erbrechen. Durch sehr tiefe Atemzüge versucht der Körper, Kohlendioxid abzugeben, um der Übersäuerung entgegenzuwirken. Diese wird als Ketoazidose bezeichnet. Sie erfordert eine sofortige Aufnahme im Krankenhaus. Wenn die zunehmende Austrocknung das Gehirn erfasst, trübt sich das Bewusstsein ein. Ohne Therapie führen der Flüssigkeitsmangel und die Übersäuerung des Blutes schließlich zum diabetischen Koma, das akut lebensbedrohlich ist und auf der Intensivstation behandelt werden muss.

Unterzuckerung Eine gute und möglichst normnahe Blutzuckereinstellung ist natürlich das Ziel der Therapie, sie hat aber auch ihre Risiken. Je niedriger der Blutzuckerverlauf, um so höher ist die Gefahr von Unterzuckerungen. Davon spricht man, wenn der Blutzuckerspiegel unter einen Wert von 50 bis 60 Milligramm pro Deziliter (2,8 bis 3,3 Millimol pro Liter) fällt.

Häufige Ursachen neben Fehlern bei Selbstkontrolle, Injektion und Abschätzen des Kohlenhydratgehaltes der Mahlzeit sind ein zu großer Abstand zwischen Insulininjektion und nachfolgender Mahlzeit, größere körperliche Anstrengung ohne angemessene Therapieanpassung oder eine vergessene Mahlzeit. Frühe Symptome einer Unterzuckerung sind Schweißausbrüche, Blässe, Schwächegefühl oder Herzklopfen. Später treten Seh- und Sprachstörungen, Angst und Heißhunger hinzu. Schließlich sind die Betroffenen nicht mehr in der Lage, sich selbst zu helfen. Bewusstlosigkeit und Krampfanfälle sind möglich.

Jeder Diabetespatient lernt im Rahmen der Diabetesschulung, die Voraussetzung für eine Insulinbehandlung ist, das richtige Verhalten bei Unterzuckerung. Es ist wichtig, die Symptome möglichst früh zu erkennen, im Zweifel sofort den Blutzucker zu testen und Kohlenhydrate zuzuführen, die den Blutzucker wieder anheben. Insulinpflichtige Diabetiker sollten stets einige Plättchen Traubenzucker griffbereit haben. Zur Beschleunigung der Magenpassage wird dieser am besten mit Flüssigkeit eingenommen. Übliche Limonaden und Colagetränke (keine Light-Produkte!) oder auch Obstsäfte sind mögliche Alternativen. Fetthaltiges, wie Schokolade, ist weniger geeignet, weil Fett die Magenentleerung verzögert.

Eine rechtzeitig aufgefangene Unterzuckerung ist für den Körper unproblematisch. Durch wiederholte schwere Unterzuckerungen mit Bewusstlosigkeit ist aber das Gehirn zumindest von jüngeren Kindern gefährdet. Todesfälle durch Unterzuckerung sind möglich, kommen aber eher selten vor Die eigentliche Bedrohung geht von Unfällen während einer Hypoglykämie aus.

Makroangiopathien Auf lange Sicht gesehen kommen bei Menschen mit Diabetes schwerwiegende Gefäßkomplikationen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sehr viel häufiger vor als bei Gesunden. Ursache dafür ist die unphysiologisch hohe Menge an Glukose, die sich im Blut befindet, und unkontrolliert mit den verschiedensten Proteinstrukturen im Körper reagieren kann.

Selbst bei einem gut eingestellten Diabetiker lässt sich das nicht völlig vermeiden. Verengungen und Schäden an den großen Blutgefäßen sind die Folge. Sie erhöhen das Risiko für hohen Blutdruck und Durchblutungsstörungen der Beine. Dies gilt vor allem dann, wenn Diabetiker zusätzliche Risikofaktoren aufweisen, wie beispielsweise Rauchen. Auch Erektionsstörungen und das Diabetische Fußsyndrom gehen zum Teil auf makroangiopathische Veränderungen zurück.

insulinfläschchen und eine spritze
Die meisten Diabetiker verwenden mittlerweile Pens statt Spritzen.

Mikroangiopathien Veränderungen an den kleinen Gefäßen, die beispielsweise die Netzhaut des Auges versorgen (Retinopathie), zeigen sich als Verschlüsse und Ablagerungen. Im Rahmen einer Augenhintergrunduntersuchung kann dies leicht diagnostiziert werden. Um ein Fortschreiten zu verhindern, muss der Blutzucker möglichst gut eingestellt sein. Gelingt dies nicht, kann der Sauerstoffmangel in der Netzhaut das Wachsen neuer, sehr brüchiger Gefäße auslösen. Diese platzen und reißen leicht, was zu Einblutungen ins Auge führt. Sie können in den Glaskörper einwachsen und zur Ablösung der Netzhaut und damit zur Erblindung führen.

Nach 20 Jahren Diabetes haben über 80 Prozent der Patienten Zeichen einer Retinopathie entwickelt, meist jedoch ohne wesentliche Einschränkung des Sehvermögens. Allerdings ist ein unzureichend behandelter Diabetes die häufigste Ursache für eine Erblindung bei Erwachsenen in den Industriestaaten. In den Nieren schädigt der überhöhte Blutglukosespiegel ebenfalls die kleinen Gefäße, was deren Filterwirkung beeinträchtigt (diabetische Nephropathie). Stoffe, die normalerweise gar nicht in den Primärharn gelangen würden, gehen in den Harn über und werden ausgeschieden.

Ein Beispiel dafür ist das gut nachweisbare Eiweiß Albumin. In kleinen Mengen (Mikroalbuminurie) markiert es den Beginn einer Nierenschädigung. Schreitet die Erkrankung durch zunehmenden Verlust der Filterfunktion fort, unter anderem erkennbar an immer größeren Eiweißmengen im Urin (Makroalbuminurie), ist der Übergang in die Niereninsuffizienz kaum noch aufzuhalten. Das Risiko, als Diabetiker eine Nephropathie zu entwickeln, liegt bei 30 Prozent

Das Anfangsstadium der Mikroalbuminurie hat keine Auswirkungen auf die Lebensqualität und wird vom Patienten oftmals nicht bemerkt. Es kann bei Typ-1-Diabetes mit schlecht eingestellter Blutzuckerlage in der Regel frühestens nach einer Erkrankungsdauer von fünf Jahren nachgewiesen werden. Nur bei einem Drittel der Betroffenen geht die Erkrankung über das Stadium der Mikroalbuminurie hinaus.

Schäden am Nervensystem Ein langjährig erhöhter Blutzucker kann auch an den Nervenzellen seine Spuren hinterlassen (diabetische Neuropathie). Zum einen schränkt die Mikroangiopathie der für die Nerven zuständigen Blutgefäße deren Versorgung ein. Zum anderen ist das Nervengewebe, das anders als die meisten Zellen kein Insulin zur Aufnahme von Traubenzucker benötigt, hohen Blutzuckerspiegeln direkt ausgesetzt, was Struktur und Funktion der Nerven beeinträchtigt. Betroffene beklagen Missempfindungen wie Taubheit, Kribbeln oder Ameisenlaufen, vor allem in den Füßen. Die Empfindung von Schmerz, Temperaturunterschieden oder Berührung kann verringert sein oder ganz ausfallen.

Diabetischer Fuß Er geht in erster Linie auf Nervenstörungen zurück, wird aber gefördert durch Veränderungen der großen und kleinen Gefäße. Die Haut an den Beinen und Füßen ist beim Diabetiker ohnehin eher trocken und rissig und damit besonders anfällig für Verletzungen. Die Warnfunktion durch Schmerz entfällt durch die Neuropathie, damit werden kleinere Verletzungen oder Druckstellen nicht bemerkt und eine rechtzeitige Wundversorgung zu spät eingeleitet. Die eingeschränkte Durchblutung und geschwächte Abwehrkräfte bei hohem Blutzucker verzögern oder verhindern die Heilung.

So können sich banale Wunden oder Druckstellen, wie sie manchmal schon durch zu enge oder unbequeme Schuhe entstehen, infizieren und ausbreiten. Häufig gelingt es dann nicht mehr, die Wunde zum Heilen zu bringen. So kann die Amputation von Zehen, Fuß, Unterschenkel oder des ganzen Beins erforderlich werden. In Deutschland werden jedes Jahr mehr als 30 000 Amputationen als Folge des diabetischen Fußsyndroms vorgenommen. Um keine Verletzung zu übersehen, sollte deshalb jeder Diabetiker mit mehrjähriger Erkrankungsdauer seine Füße täglich auf Hautveränderungen kontrollieren. Zudem sollte eine Fußkontrolle bei jedem Kontakt mit Hausarzt und Diabetologen obligatorisch sein.

Therapieziele Beim Typ-1-Diabetes muss das fehlende Insulin lebenslang ersetzt werden. Dies erfordert viel Disziplin und eine konsequente Lebensführung. Während der ersten Wochen und Monate kann es unter der Insulinbehandlung zwar vorkommen, dass sich die geschädigten Beta-Zellen scheinbar erholen und in geringem Ausmaß die Insulinproduktion wieder aufnehmen, was man als Remission bezeichnet. Die Autoimmunreaktion läuft jedoch weiter ab und kommt erst zum Stillstand, wenn die Beta-Zellen völlig zerstört sind.

Bei der Behandlung des Typ-1-Diabetes geht es um eine Vielzahl von Zielen. Durch eine bestmögliche Normalisierung des Blutzuckerverlaufs sollen akute Komplikationen und Folgeerkrankungen verhindert oder so weit wie möglich hinausgezögert werden. So kann auch die Lebenserwartung verlängert werden. Bei Kindern und Jugendlichen spielt auch die altersgemäße körperliche und geistige Entwicklung eine Rolle, die nur durch eine gute Einstellung der Insulintherapie und entsprechende Eigenverantwortung gewährleistet ist.

Entwicklung der Insulintherapie Im Jahre 1922 wurde erstmals ein dreizehnjähriger Diabetiker erfolgreich mit einem Pankreasextrakt behandelt. Schon ein Jahr später begann wegen der großen Bedeutung die industrielle Herstellung von Insulin. In den nachfolgenden Jahrzehnten war man bestrebt, länger wirksame Formulierungen zu entwickeln, um die Anzahl der täglichen Injektionen zu reduzieren und gleichmäßigere Blutzuckerverläufe zu erzielen. In dieser Zeit wurden erstmals Verzögerungsinsuline auf der Basis von Protamin- oder Zinkzusätzen hergestellt.

Gleichzeitig gab es Bemühungen, reinere Insulinpräparate zu erhalten, denn die Häufigkeit von allergischen Reaktionen auf Fremdproteinen war sehr hoch. Ein erster Fortschritt war die Einführung der Monospeziesinsuline. Man verwendete Rinderinsulin für die Routinetherapie und Schweineinsulin bei einer Insulinallergie. Schweineinsulin unterscheidet sich nur in einer Aminosäure vom Insulin des Menschen, beim Rinderinsulin sind es drei Aminosäuren.

Reiner wurden die Produkte durch die Verwendung von mehrfach chromatografisch gereinigtem Monocomponentinsulin, dem MC-Insulin. Mitte der 1970er-Jahre erschlossen zwei unterschiedliche Verfahren den Zugang zum Humaninsulin. In einem halbsynthetischen Verfahren wurde Schweine- in Humaninsulin umgewandelt. In einem anderen Verfahren wurde mithilfe gentechnischer Methoden die genetische Information des Humaninsulins in Plasmide von bestimmten E.-coli-Stämmen eingeführt und für die biosynthetische Herstellung von Humaninsulin genutzt.

BAUCH ODER OBERSCHENKEL?
Die subkutane Injektion von Insulin in die Bauchdecke führt im Vergleich zu anderen Injektionsorten durch eine höhere Resorptionsgeschwindigkeit zu einem rascheren Wirkungseintritt. Auch das
Ausmaß der Durchblutung des Unterhautfettgewebes, die Injektionstiefe und die körperliche Bewegung beeinflussen die Resorptionsgeschwindigkeit.

Es war das erste gentechnisch hergestellte Protein, wurde im Jahre 1982 in den Markt eingeführt und ermöglichte es, den wachsenden Bedarf überhaupt zu decken. Bis dahin wurde Insulin ausschließlich aus den Bauchspeicheldrüsen von Rindern und Schweinen gewonnen. Amerikanische Berechnungen gehen davon aus, dass die ausschließliche Gewinnung aus Tieren ab dem Jahre 2000 nicht mehr ausgereicht hätte, um alle Diabetiker weltweit zu versorgen.

Im Jahre 1996 wurde das erste Analoginsulin in den Markt eingeführt. Der Wunsch, die Diabetestherapie weiter zu optimieren, führte zur Entwicklung dieser Kunstinsuline, deren Aminosäuresequenz sich geringfügig von der des Humaninsulins unterscheidet. Ein ganz anderer Weg wurde mit der inhalativen Insulinapplikation eingeschlagen. Das erste 2006 zugelassene inhalative Humaninsulin wurde allerdings wegen geringer Akzeptanz und Sicherheitsbedenken nach kurzer Zeit wieder vom Markt genommen.

Moderne Insulintherapie Heute werden ausschließlich Human- und Analoginsuline vermarktet. Erstere stellt man entweder durch enzymatische Umwandlung von Schweineinsulin oder mithilfe gentechnischer Verfahren her, Letztere werden stets gentechnisch produziert. Man unterteilt die Insuline in Bezug auf ihr zeitliches Wirkungsprofil in normal- und intermediärwirksame Zubereitungen bei Humaninsulin sowie in kurz- (oder schnell-) und langwirksame bei Analoginsulinen. Natives Insulin, das keine Zusätze von wirkungsverlängernden Substanzen enthält, wird als Normal- oder Altinsulin bezeichnet.

Die Intermediärinsuline werden hier zu Lande ausschließlich unter Zusatz von Protamin, einem aus 30 bis 32 Aminosäuren bestehenden basischen Peptid hergestellt. Als Protaminsulfat bildet es mit Insulin schwerlösliche, neutrale Komplexe (Neutrales Protamin Hagedorn (NPH) Insulin). Wegen der deutlich herabgesetzten Resorptionsgeschwindigkeit dieses Insulins aus dem Subkutangewebe ist die Wirkungsdauer verlängert. Zink-verzögerte Insuline sind in Deutschland inzwischen nicht mehr verfügbar. Kombinationsinsuline bestehen aus bestimmten Anteilen von Normalinsulin oder schnell wirksamen Analoginsulinen und Protamin-verzögertem Insulin.

Analoginsuline wurden so verändert, dass sie im Vergleich zu Humaninsulin einen schnelleren Wirkungseintritt oder eine verlängerte Wirkdauer besitzen. Der Molekülbereich, der für die Erkennung des Rezeptors verantwortlich ist, bleibt dabei erhalten. Durch die Abwandlung kann die Rate der Hypo- und Hyperglykämien gesenkt werden. Insulin lispro, aspart und glulisin zählen zu den schnell wirksamen Analoginsulinen, Insulin glargin und detemir sind lang wirksame Insulinanaloga.

Therapieregime Die Basis-Bolus-Therapie oder die intensivierte konventionelle Insulintherapie ist heute die Standardtherapie beim Typ-1-Diabetiker, ebenso bei Diabetes in der Schwangerschaft und bei einigen Typ-2-Diabetikern. Damit versucht man, die physiologische Insulinsekretion nachzuahmen. Dieses Therapieregime verzögert den Beginn und auch das Fortschreiten der Folgeschäden durch Mikro- und Makroangiopathien.

Beim Gesunden wird Insulin nämlich nicht nur zu den Mahlzeiten ausgeschüttet, sondern auch kontinuierlich im nüchternen Zustand. Diese basale Insulinsekretion hat die Aufgabe, die hepatische Glukoneogenese (die Neubildung von Glukose in der Leber) zu unterdrücken. Nach einer Mahlzeit, man sagt postprandial, kommt es in einer ersten Phase zu einer raschen Insulinfreisetzung über zwei bis fünf Minuten. Daran schließt sich eine zweite Phase mit einer langsamen, progressiv ansteigenden Insulinsekretion über 5 bis 50 Minuten an. Zwei bis vier Stunden nach der Mahlzeit kehrt der Insulinspiegel wieder auf das basale Niveau zurück.

Die basale Insulingabe erfolgt beim Diabetiker mit einem Intermediär- oder einem lang wirksamen Analoginsulin, das ein bis zwei Mal täglich subkutan gespritzt wird. Zu den Mahlzeiten wird dann Normal- oder ein schnellwirksames Analoginsulin verabreicht. Ersteres neigt zur Hexamerenbildung. Die Insulinkomplexe müssen zunächst in Dimere und dann in Monomere dissoziieren, um resorbiert zu werden. Dies führt zu einem unphysiologisch langsamen Anstieg und einer dauerhaften Erhöhung des Insulinspiegels über eine gewisse Zeit.

NICHT VERORDNUNGSFÄHIG
Laut dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) gibt es keinen Beleg für den Zusatznutzen von lang wirkenden Insulinanaloga gegenüber NPH-Insulin. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat daraufhin beschlossen, dass lang wirksame Insulinanaloga zur Behandlung von Typ-2-Diabetikern (nicht für Typ-1-Diabetiker!) nicht verordnungsfähig sind, solange sie mit Mehrkosten im Vergleich zu intermediär wirkendem Humaninsulin verbunden sind. Ausgenommen sind Patienten, bei denen im Rahmen einer intensivierten Insulintherapie ein hohes Risiko für schwere Hyperglykämien besteht.

Die Folge sind zu hohe Blutzuckerspiegel direkt nach dem Essen und ein erhöhtes Risiko für Hypoglykämien vor der nächsten Mahlzeit. Daher sollte Normalinsulin idealerweise eine halbe bis dreiviertel Stunde vor der Mahlzeit gespritzt werden. Gegebenenfalls sind kleine Zwischenmahlzeiten zur Vermeidung von Hypoglykämien notwendig.

Die schnellwirksamen Analoginsuline können wegen ihrer geringen Neigung zur Hexamerenbildung 15 Minuten vor dem Essen bis 15 Minuten danach appliziert werden. Die postprandialen Blutzuckerwerte sind in der Regel besser als bei Humaninsulin. Wegen der kürzeren Wirkdauer ist auch das Risiko für Hypoglykämien gesenkt. Einen Einfluss auf die Folgeschäden des Diabetes haben sie im Vergleich zu Humaninsulin aber offenbar nicht.

Spritze, Pen oder Pumpe Die meisten Diabetiker verwenden mittlerweile Pens. Diese kugelschreiberähnlichen Injektionshilfen enthalten eine Patrone, aus der durch einfaches Betätigen eines Knopfs oder Schiebers die gewünschte Dosis sehr exakt über eine dünne Injektionsnadel abgegeben wird. Vor allem die intensivierte Insulintherapie wird dadurch wesentlich erleichtert. Auch bereits gefüllte Einmalpens stehen zur Verfügung, die nach Gebrauch entsorgt werden.

Die Insulinspritze hat ausgedient. Hier kam es immer wieder zu Ungenauigkeiten und Fehlern. Noch besser als mit dem Pen lässt sich die Insulinsekretion eines Gesunden mit einer Pumpe nachahmen. Im Hightechgerät in Größe einer Zigarettenpackung steckt eine auswechselbare Patrone mit einem schnell und einem kurz wirkenden Insulin. Die Pumpe gibt kontinuierlich über einen dünnen Schlauch, der mit einer sehr feinen Kanüle in der Haut des Oberbauchs steckt, das für den Ruhestoffwechsel benötigte Insulin ins Unterhautfettgewebe ab. Dabei kann die Basalrate sehr fein werden.

Genauer, als es mit einer Injektionsbehandlung möglich ist, kann die Abgabe in Intervallen von einer oder sogar einer halben Stunde an den individuellen Bedarf angepasst werden. Unterschiedliche Basalraten für Arbeitstage, Wochenenden, Schichtarbeit und Sport sind möglich. Das für Mahlzeiten oder die Korrektur von hohen Blutzuckerwerten benötigte Insulin (Einmalgabe oder Bolus) gibt der Pumpenträger zusätzlich per Knopfdruck ab.

Blutzuckerkontrolle Je nach Therapieart müssen Typ-1-Diabetiker vor den Insulininjektionen und gegebenenfalls auch zu anderen Zeitpunkten die aktuelle Blutzuckerhöhe messen. Die Testergebnisse zeigen, ob der Blutzucker im persönlichen Zielbereich liegt, oder ob die Dosis der folgenden Injektion verändert werden muss, um die Situation zu korrigieren. Jeder Blutzuckertest ist eine Momentaufnahme, eine halbe Stunde früher oder später kann der Wert in einem ganz anderen Bereich liegen. Erst die genaue Durchsicht der dokumentierten Werte über Tage und Wochen, so wie es der Arzt ein bis zwei Mal im Quartal gemeinsam mit seinem Diabetespatienten tut, vermittelt einen Eindruck vom Verlauf des Blutzuckers und dem Erfolg der Therapie.

Zusätzlich wird zur Beurteilung der Blutzuckerhöhe der letzten Wochen ein Laborwert bestimmt, der HbA1c. Er steht für den Anteil an Hämoglobin, der mit Zuckermolekülen beladen ist. Er ist umso höher, je höher die Blutzuckerwerte in der zurückliegenden Zeit lagen. Der HbA1c-Wert gibt also Auskunft über den langfristigen Verlauf der Blutzuckereinstellung, wobei die letzten sechs bis acht Wochen vor der Blutabnahme am besten erfasst sind.

Mit diesem Wert lässt sich auf die Gefährdung durch Folgeerkrankungen schließen, denn im gleichen Maße, wie sich überschüssige Glukose aus dem Blut an Hämoglobin anlagert, findet man es im Körper an Eiweißstrukturen. Dies ist, wie gesagt, die Ursache für die Mikro- und Makroangiopathien. Werte von unter sechs Prozent gelten bei Stoffwechselgesunden als normal. Ein gut eingestellter Diabetiker liegt zwischen sechs und sieben Prozent. Werte über acht Prozent sollten zur Überprüfung der Therapie führen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/12 ab Seite 34.

Sabine Bender, Apothekerin / Redaktion

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