Antriebslosigkeit, Müdigkeit und Niedergeschlagenheit sind typische Symptome des „Winterblues“. © KatarzynaBialasiewicz / iStock / Getty Images Plus

Interview

„DER WINTERBLUES IST EINE DEPRESSIVE VERSTIMMUNG, DIE NOCH KEINE ECHTE DEPRESSION IST“

Daniela Haverland ist Apothekerin für Allgemeinpharmazie mit Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren und Homöopathie, Heilpraktikerin und als angestellte Apothekerin mit dem Schwerpunkt „naturheilkundliche Beratung in der Offizin“ tätig. Wir haben uns mit ihr über den sogenannten Winterblues, die Symptome und welche Aufgaben die Apotheke übernehmen kann, unterhalten.

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DIE PTA IN DER APOTHEKE: Haben Sie häufig Kunden, die wegen Antriebslosigkeit in die Apotheke kommen?

Daniela Haverland: Es ist sicher nicht der Standardkunde in der Apotheke. Die meisten Kunden kommen, um ein Rezept einzulösen oder um Arzneimittel gegen beispielsweise Kopfschmerzen oder grippalen Infekt zu kaufen. Bei uns in der Apotheke, in der wir viele Stammkunden haben, ist es eher so, dass man im zusätzlichen Gespräch mit dem Kunden auf das Thema Antriebslosigkeit, Müdigkeit und Niedergeschlagenheit kommt. Ein Indiz im Gespräch ist auch das Stichwort „Schlafstörungen“.

Fallen Ihnen saisonale Häufungen auf? Gibt es den „Winterblues“ wirklich?

Natürlich fällt uns diese Häufung in der dunklen Jahreszeit auf. Gerade nach dem hellen, langanhaltenden Sommer erzählen unsere Kunden, dass jetzt wieder die dunkle Jahreszeit losgeht und man keine Lust hat, irgendwas zu unternehmen und man sich schon morgens gerne wieder ins Bett legen möchte, nachdem man aus dem Fenster gesehen hat und alles nass und grau ist.

Man muss hier unbedingt zwischen dem echten „Winterblues“ unterscheiden und der normalen Eingewöhnung in die dunkle, kalte, nasse Jahreszeit. Viele Menschen entwickeln nach einer Umgewöhnungsphase wieder genug Energie und bereiten sich fröhlich auf die Adventszeit vor, treffen sich mit Freunden auf dem Weihnachtsmarkt, planen Theater und Kinobesuche oder kuschlige Abende vor dem Fernseher und sind schnell wieder in ihrer emotionalen Mitte.

Andere stecken aber in einer „grauen Wolke“ fest und leiden verstärkt unter Stimmungstief, Antriebslosigkeit und negativen Gedanken. Hier braucht es etwas Fingerspitzengefühl, um im Gespräch zu erkennen, welche zusätzliche Empfehlung für den Kunden passt beziehungsweise, welche dieser annehmen kann.

Der Winterblues ist eine depressive Verstimmung, die noch keine echte Depression ist. Dennoch sollte man solche Symptome ernst nehmen, da sich aus einer Verstimmung auch immer eine echte Depression entwickeln kann.

Was steckt genau hinter dem Winterblues und welche Symptome können außer der Antriebslosigkeit noch auftreten?

Ein wichtiger Faktor ist der Lichtmangel. Licht ist essenziell für unser Leben. Im Winter bekommen wir zu wenig Licht und damit wird auch zu wenig Vitamin D gebildet. Vitamin D ist aber ein wichtiger Schutzfaktor nicht nur für Herz und Knochen, sondern unter anderem auch gegen Depressionen. Selbst im Sommer genügt oft die körpereigene Vitamin-D-Produktion durch Sonne und Licht nicht, um unseren ganzen Bedarf zu decken, im Winter ist dies dann fast unmöglich.

Licht ist zudem wichtig für die Bildung von Serotonin und Melatonin. Serotonin ist unser „Gute-Laune-Hormon“ und wird immer dann produziert, wenn Tageslicht auf die Netzhaut fällt. Melatonin, unser Schlafhormon, wird bei fehlendem Licht produziert und macht uns müde.
Alle Hormone in unserem Körper sind fein aufeinander abgestimmt und regulieren sich gegenseitig. Gerät ihr Haushalt aus der Balance, können depressive Verstimmungen die Folge sein. Ist zu wenig Serotonin vorhanden, wird auch der Melatonin-Spiegel gestört. Wir schlafen schlecht und sind am nächsten Tag unausgeglichen und antriebslos. Das ist eine Tür für die Winterdepression. Die Bildung des Serotonins wird von Licht und Sonne angeregt. Das kann jeder spüren, der im Sommer die Sonne genießt.

Neben der Schlaflosigkeit und der Tagesmüdigkeit sind Traurigkeit, Lustlosigkeit, Appetitmangel, aber auch Gewichtszunahme und vermehrter Hunger auf Kohlenhydrate und Süßes ein Anzeichen für einen Winterblues. Wenn diese Symptome mehr als zwei Wochen anhalten, sollte man ärztlichen Rat einholen.

Was empfehlen Sie Ihren Kunden? Gehen Sie symptomorientiert vor?

Wir raten unseren Kunden, den Vitamin-D-Spiegel überprüfen zu lassen. Viele sind erstaunt, wie niedrig der Spiegel ist und dankbar für den Tipp.

Um den Kunden aber auch gleich eine Hilfe mit auf dem Weg zu geben, empfehlen wir hier gerne das Schüßler Salz Nr. 5 (Kalium phosphoricum). Die Mineralstofftherapie nach Dr. Schüßler ist eine bewährte Möglichkeit, schnell und symptomorientiert zu helfen. Die Nr. 5 wird auch „das Salz der Nerven und Psyche“ genannt und ist sehr gut geeignet bei Stimmungsschwankungen, depressiven Gedanken, Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit. Viele Kunden melden zurück, dass ihnen das gut bei depressiven Verstimmungen hilft. Gerade bei Verdacht auf eine echte Depression ist es aber auch wichtig, dem Kunden in der Apotheke den Gang zum Arzt ans Herz zu legen.

Welche Zusatzempfehlungen können Sie in der Apotheke noch aussprechen?

Wir raten unseren Kunden, mindestens einmal am Tag einen Spaziergang an der frischen Luft zu unternehmen. Eine Stunde wäre ideal, aber auch wenn es nur eine halbe Stunde ist oder 15 Minuten, dann ist das immerhin auch schon etwas. Wer es aber überhaupt nicht in seinen Tagesablauf integrieren kann, der kann sich auch eine Tageslichtlampe kaufen, vor der man 15-30 Minuten sitzen kann, um die Vitamin-D-Produktion anzukurbeln. Es hat nicht den gleichen Effekt wie ein Spaziergang an der frischen, kalten Winterluft, aber wie gesagt: besser als gar nichts. Und dann ist es natürlich auch immer wichtig, sich auf etwas zu freuen und aktiv zu sein, also Termine machen! Einen Kinoabend mit der besten Freundin, ein Essen in einem schönen Restaurant mit dem Partner, einen Bummel über den Weihnachtsmarkt mit den Kollegen. Man muss nicht jeden Tag etwas vorhaben, der Winter soll auch die Zeit sein, sich mal in Ruhe auf das Sofa zu setzen und seinen Gedanken nachhängen zu können, aber auch hier ist die Balance zwischen Aktivität und Ruhe wichtig.

Das Gespräch für DIE PTA IN DER APOTHEKE führte Nadine Hofmann

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