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Krebserkrankungen

DER SCHRECK IN DEN KNOCHEN

Das Osteosarkom ist ein bösartiger Knochenkrebs, der vor allem bei Jugendlichen in der Wachstumsphase auftritt. Daher liegt das Durchschnittsalter für die Erkrankung bei nur 18 Jahren.

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Das Osteosarkom zählt zu den seltenen Krebsarten. In Deutschland werden pro Jahr ungefähr 200 Neuerkrankungen registriert. Gleichzeitig ist das Osteosarkom aber auch die häufigste solide Tumorform des Jugendalters, das man auch als Krebs des Skelettwachstums bezeichnen kann. So erkranken die meisten Mädchen im Schnitt mit 14, die meisten Jungen mit 16 Jahren. Die durch den Tumor verursachten Symptome werden daher leicht mit Wachstumsschmerzen verwechselt, sodass die Diagnose häufig erst spät erfolgt. Jeder fünfte Betroffene weist zu diesem Zeitpunkt bereits Metastasen auf.

Lange Röhrenknochen betroffen Das menschliche Skelett besteht aus über 200 Knochen, die rund 12 Prozent des Körpergewichts ausmachen. Sie stützen den Körper, ermöglichen Bewegungen, schützen die inneren Organe und produzieren im Knochenmark ständig neue Blutzellen. Knochen baut sich kontinuierlich ab und wieder auf. Hierbei tragen Osteoklasten alte Knochensubstanz ab, während Osteoblasten neue Knochenmatrix produzieren. Dieses zunächst noch elastische Bindegewebe aus Kollagenfasern wird später durch die Einlagerung von Calciumphosphat mineralisiert und so zum Knochen gehärtet.

Osteosarkome entstehen aus entarteten Osteoblasten, die in großen Mengen Osteoid bilden, eine kalk- und matrixlose Knochengrundsubstanz. Die Tumorzellen verdrängen nach und nach die gesunde Knochenstruktur und infiltrieren umliegendes Gewebe. Osteosarkome treten vor allem gelenknah an den langen Röhrenknochen auf, dort am häufigsten am Oberschenkelknochen, seltener am Schienbein oder Oberarm. In 95 Prozent der Fälle ist das Osteosarkom zentral, das heißt, es bildet sich im Zentrum des betroffenen Knochens. Sehr selten entsteht ein Osteosarkom auf der Knochenhaut oder sogar außerhalb des Knochens.

Ursache unbekannt Warum ein Osteosarkom entsteht, ist noch nicht hinreichend geklärt, denn in 90 Prozent der Fälle lässt sich keine Ursache finden. Neben wachstumsbedingten Faktoren werden auch Veränderungen im Erbgut wie Mutationen in Tumorsuppressorgenen diskutiert. Dieses genetische Risiko zeigt sich zum Beispiel auch bei bestimmten Erkrankungen, bei denen Osteosarkome vermehrt auftreten, wie etwa beim Retinoblastom, einem bösartigen Augentumor, bei dem das Tumorsuppressorgen RB mutiert ist. Bei anderen Knochenerkrankungen wie dem Morbus Paget besteht ebenfalls ein erhöhtes Risiko. Schädigungen des Erbguts durch Chemotherapien und Strahlenbelastung können ebenfalls Auslöser für die Erkrankung sein, wie etwa bei den Überlebenden der Atombombenabwürfe auf Japan, bei denen das Risiko für ein Osteosarkom überproportional anstieg. Für solche sekundären Osteosarkome liegt ein zweiter Häufigkeitsgipfel bei den über 50-Jährigen.

Knieschmerzen als Warnsignal Erste Symptome sind häufig Schwellungen, Rötungen und Druckempfindlichkeit oder Schmerzen in der Tumorumgebung. Die Beschwerden werden durch das Wachstum des Tumors in die schmerzempfindliche Knochenhaut und das umgebende Gewebe verursacht. Im fortgeschrittenen Stadium können auch Fieber, Gewichtsabnahme und Abgeschlagenheit hinzukommen. Da der Großteil der Tumoren in Knienähe entsteht, sollte man bei länger anhaltenden Knieschmerzen, vor allem bei jungen Menschen, auch an einen Knochenkrebs denken. Neben Schmerzen kann es aufgrund der angegriffenen Knochenstruktur auch zu spontanen Brüchen ohne äußere Gewalteinwirkung kommen.

Schnelle Diagnose durch Bildgebung Die typische Knochenwucherung zeigt sich bereits im Röntgenbild. Um die genaue Größe und Lage des Tumors und möglicher lokaler Metastasen festzustellen, wird eine MRT oder CT durchgeführt. Ein Osteosarkom metastasiert meist in die Lunge, Leber oder die Wirbelsäule, weshalb weitere Maßnahmen ein Thorax- und Abdomenröntgen und auch eine Skelett-Szintigrafie umfassen. Zudem erfolgt eine Blutuntersuchung, auch wenn sich oft keine auffälligen Werte ergeben. Manchmal sind jedoch die alkalische Phosphatase sowie die Laktatdehydrogenase erhöht. Ist letztere auffällig hoch, kann das auf einen ungünstigen Krankheitsverlauf hinweisen. Die Diagnosesicherung selbst erfolgt über eine Biopsie.

Strahlenresistenter Tumor Die Therapie hängt stark von Größe und Lage des Osteosarkoms sowie einer etwaigen Metastasierung ab. Normalerweise wird zunächst eine neoadjuvante Polychemotherapie durchgeführt, um den Tumor zu verkleinern und Metastasen zu bekämpfen. Dies betrifft insbesondere auch die in der Bildgebung noch nicht erkennbaren Mikrometastasen, die bei vielen Patienten vorhanden sind. Anschließend werden die Geschwulst und wenn möglich auch die Metastasen chirurgisch entfernt. Um eventuell noch vorhandene Tumorzellen zu zerstören, wird dann eine adjuvante Chemotherapie durchgeführt. Eine postoperative Bestrahlung ist beim Osteosarkom hingegen nicht angezeigt, da die Tumorzellen sehr strahlenresistent sind. In seltenen Fällen, wenn der Tumor inoperabel ist und Metastasen nicht mehr operativ oder chemotherapeutisch bekämpft werden können, kann jedoch eine palliative Schwerionenbestrahlung erfolgen.

Tumorfrei, aber amputiert Da der Tumor im gesunden Gewebe komplett entfernt wird, fallen große Knochenanteile der Operation zum Opfer. Für die Betroffenen bedeutet das einen erheblichen Eingriff in ihre Bewegungsfähigkeit. Ist kein Gelenk betroffen, können biologische Rekonstruktionsverfahren angewendet werden. Das heißt, der Knochen wird durch einen körpereigenen oder einen Spenderknochen ersetzt. Ist das Gelenk betroffen, bleibt meist nur die Amputation mit anschließender Prothese. Das alles ist psychisch sehr belastend, sodass neben der physischen Therapie unbedingt auch an eine psychologische Begleitung gedacht werden sollte. Betroffene sollten schon frühzeitig, am besten direkt nach Diagnosestellung, ein spezialisiertes Zentrum für die weitere Behandlung wählen.

Spezialfall Umkehrplastik Bei Kindern und Jugendlichen kann die Umkehrplastik eine Alternative zur Amputation sein. Dabei wird der Unterschenkel mit Fuß amputiert und umgedreht am Oberschenkel befestigt. Dabei muss so viel Oberschenkel übrigbleiben, dass das Sprunggelenk auf Höhe des anderen Kniegelenks sitzt, sodass es selbst als Kniegelenk des operierten Beins fungieren kann. Damit das funktioniert, muss der Fuß um 180 Grad verdreht angepasst werden, denn das Sprunggelenk erlaubt nur Bewegungen nach vorne, das Kniegelenk nur Bewegungen nach hinten. An die Umkehrplastik kann dann eine Unterschenkelprothese angepasst werden, die vom Sprunggelenk gesteuert wird. Für das Gehirn ist diese Steuerung zuerst einmal eine Herausforderung, die mit speziellem Training jedoch gut zu bewältigen ist.

Frühzeitige Therapie, gute Prognose In den letzten Jahren hat sich die Prognose des Osteosarkoms verbessert. Die Fünf-Jahres-Prognose liegt mittlerweile bei etwa 50 bis 70 Prozent. Individuell ausschlaggebend sind jedoch Art und Größe des Tumors, seine Aggressivität, eine etwaige Metastasierung sowie das Ansprechen auf die Therapie. Bei einem lokalisierten Osteosarkom, das noch nicht gestreut hat, sind heute sogar Überlebensraten von über 70 Prozent möglich.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/2020 ab Seite 82.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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