© Die PTA in der Apotheke

Welch ein Name

DER MANN, DER DIE MILCH MOBIL MACHTE

Sein Name steht heute auf jeder Milchtüte: Der Chemiker Louis Pasteur erkannte 1856 als erster, dass Keime durch Erhitzen abgetötet werden. Er rettete damit gleich zwei Industriezweige vor dem Ruin.

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Louis war ein durchschnittlicher Schüler. Als der Sohn eines französischen Gerbers 1840 sein Abitur ablegte, waren seine Leistungen in Chemie so làlà. Doch im Zeichnen, da bewies er ein gewisses Genie – um ein Haar wäre aus dem Jungen ein Bohèmien geworden, aber das wusste seine Familie zu verhindern. Dem Rat des Schuldirektors folgend, schickte man ihn zum Studium an die Universität.

Überflieger Dort rasselte der junge Louis erst einmal durch die Aufnahmeprüfung, versuchte es ein Jahr später erneut und bestand. Wahrscheinlich zu seinem eigenen Erstaunen entdeckte er seine Leidenschaft für Chemie und Physik, bestand 1846 sein Examen und legte nur ein Jahr später mit der Promotion in beiden Fächern nach. Wer weiß, was mit dem jungen Wissenschaftler geschehen wäre, hätte er nicht Jean-Baptiste Dumas getroffen.

Der renommierte Chemieprofessor muss über ein charismatisches Wesen verfügt haben; seine Vorlesungen waren stets überfüllt und Pasteur besuchte jede einzelne; sein Professor wurde ihm väterlicher Freund. Für seine Doktorarbeiten, von Dumas inspiriert, setzte sich Pasteur hinters Mikroskop und befasste sich mit den Unterschieden von Weinund Traubensäure, entdeckte dabei während der Erforschung der unterschiedlichen, spiegelbildlichen Kristalle die Stereochemie. Das schlug ein wie eine Bombe. Mit 26 Jahren wurde er zum Professor für Chemie an der Universität von Straßburg berufen.

Ehe und Kinder Hier lernte er seine spätere Frau kennen. Mit der Tochter des Universitätsrektors, Marie Laurent, ging er sehr schnell eine Ehe ein, die erste Tochter wurde schon ein Jahr nach der Berufung geboren; vier weitere Kinder folgten. Marie kümmerte sich um die Ordnung seiner Aufzeichnungen und übertrug die Protokolle in Reinschrift; sie wurde unentbehrliche Stütze ihres Mannes.

Der hielt derweil wenig von Muße und empfand den Nachtschlaf als störend, nahm er ihm doch Zeit für seine Forschungen weg. 1856 wandte sich ein Spirituosenhersteller an Pasteur. Er verwendete für die Herstellung seiner Mischgetränke den Saft von Zuckerrüben, Obst und Gemüse. Zu seinem großen Ärger verdarben diese jedoch regelmäßig. Der Professor solle sich, so bat der Chef der Firma, doch einmal um das Problem der alkoholischen Gärung kümmern.

LOUIS PASTEUR
lebte von 1822 bis 1895. Er entdeckte die Sterilisation durch Erhitzen und fand Impfstoffe gegen Tollwut, Geflügelcholera und Milzbrand, der auf dem Prinzip der abgeschwächten Lebendimpfung beruhte.

Durchstarter Louis Pasteur machte die erste seiner bahnbrechenden Entdeckungen: Er fand Mikroorganismen in den hefehaltigen Flüssigkeiten, die dafür sorgten, dass sich der Zucker nicht in Alkohol, sondern in Milchsäure verwandelte. Und die ließ wiederum die weinhaltigen Getränke kippen. Pasteur hatte somit den chemischen Unterschied zwischen Gärung und Fäulnis gefunden und legte nach: 1857 bewies Pasteur, dass Gärungen sowohl von Bakterien verursacht werden, die Sauerstoff aus der Luft dazu brauchen sowie welche, die sich ohne ihn teilen können („anaerobe“). Pasteur hatte nun neben einem neuen Zweig der Chemie auch noch die moderne Mikrobiologie erfunden. 1858 berief ihn die École normale supérieure in Paris zum Direktor.

Im gleichen Jahr starb Pasteurs erste Tochter an Typhus, wenig später die zweite. Vielleicht auch unter dem Eindruck dieser Schicksalsschläge, wandte sich Pasteur fortan der Idee zu, Mikroorganismen könnten als Verursacher von Krankheiten wirken. Die Forscher seiner Zeit waren nämlich der Meinung, sie entständen von selbst, „Urzeugung“ war der Fachausdruck. Pasteur wies nach, dass Mikroorganismen aus der Luft in vergärbare Flüssigkeiten gelangten.

Und – er entdeckte die Sterilisation durch Erhitzen. Das Verfahren erhielt seinen Namen („Pasteurisieren“). Für die Milchprodukte unserer Zeit bedeutet dies, dass der Rohstoff für etwa 15 Sekunden auf eine Temperatur von 80 Grad erhitzt und danach sofort auf unter zehn Grad abgekühlt wird. Die Milch wird dadurch mehre Tage haltbar und kann über weite Strecken transportiert werden.

Seidenraupen Die zweite Industrie neben der der Spirituosen, die Pasteur vor dem Ruin rettete, war die der Seidenspinner. Ein großer Teil der Seidenraupen im Süden Frankreichs war damals von der Fleckenoder Körperchenkrankheit befallen. Pasteur, durch seine Forschungen der Mikrobiologie auf der richtigen Spur, gelang es, den Erreger Nosema bombycis zu isolieren und durch entsprechende Maßnahmen zu eliminieren. Gleiches geschah 1880 mit der Geflügelcholera und dem Milzbrand. Hier erfand Pasteur, wiederum scheinbar mühelos, die abgeschwächte Lebendimpfung.

Er war es auch, der, Edward Jenner zu Ehren, den Begriff „Vaccination“ prägte, von französisch „vache“, die Kuh. Jenner hatte um die Jahrhundertwende anhand der Kuhpocken die ersten Impfdosen hergestellt. Dass sich die Bekämpfung der Geflügelcholera auf andere Krankheiten übertragen ließ, bewies Pasteur mit der Tollwut. Diese Schutzimpfung wurde sein größter wissenschaftlicher Erfolg.

Tollwut Herrenlose Hunde, die sich auf den Straßen herumtrieben, waren für die Bevölkerung damals eine echte Gefahr. Biss ein tollwütiger Hund einen Menschen, gab es für diesen keine Rettung; die Krankheit verlief immer tödlich. Pasteur isolierte den Erreger durch das an der Luft getrocknete Rückenmark erkrankter Kaninchen und wendete am 6. Juli 1885 das gewonnene Serum erstmals an einem Menschen an. Er rettete damit dem frisch infizierten, neunjährigen Joseph Meister das Leben, der darauf in die Medizingeschichte einging.

Ein Jahr später waren bereits 2500 Menschen gegen die Tollwut immunisiert worden, das bis heute bestehende „Institute Pasteur“ wurde gegründet. Nicht immer stießen Pasteurs Forschungen auf uneingeschränkte Zustimmung der Fachwelt; der Chemiker selbst scheint nicht gerade ein einfacher Zeitgenosse gewesen zu sein. Er führte sein Institut mit harter Hand, verhielt sich äußerst autoritär und galt als völlig humorlos.

Louis Pasteur war ein glühender, beinahe fanatischer französischer Patriot; das ging so weit, dass er sich weigerte, den preußischen Orden „Pour le Mérite“ anzunehmen. Doch er war ein Kämpfer: Trotz eines Schlaganfalls, der ihn mit 46 Jahren partiell lähmte, entwickelte er seine bahnbrechenden Forschungen auf dem Gebiet der Impfungen.

Das Ende Als Pasteur zu seinem 70. Geburtstag mit einer großen Jubiläumsfeier an der Sorbonne geehrt wurde, war der Forscher beinahe vollständig gelähmt und konnte nach einigen Folge-Schlaganfällen auch nicht mehr sprechen. Unter Tränen nahm er die Auszeichnungen entgegen, mit denen man ihn bedachte. Drei Jahre später starb er. Er wurde neben seiner Frau beigesetzt, in einer Krypta unter dem „Institut Pasteur“.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/16 ab Seite 98.

Alexandra Regner, PTA, Journalistin und Redaktion

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