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Kunst und Naturwissenschaften

DER MANN AUS VINCI

Während er als Maler schon zu Lebzeiten ein gefeierter Mann war, wurde er als Wissenschaftler erst von seiner Nachwelt wahrgenommen. Vor 500 Jahren starb Leonardo da Vinci – Historiker sehen in ihm das außergewöhnlichste Genie aller Zeiten.

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Am 15. April des Jahres 1452 erblickte Leonardo da Vinci in einem kleinen Dorf der Toskana das Licht der Welt. Er entwickelte sich zu einem kräftigen Jungen. Da seine Eltern nicht verheiratet waren, war es um seine Zukunft jedoch nicht zum Besten bestellt. Leonardo zeigte sich als ein aufgewecktes und wissbegieriges Kind. Seinen Wissensdurst stillte er in der Natur, da ihm Schulen aufgrund seiner Herkunft verschlossen blieben.

Schüler der Natur Es war seine unbändige Neugier, die ihn immer wieder antrieb, Fragen zu stellen: Warum fliegen Vögel? Warum bilden sich Wolken? Warum regnet es und warum fließt Wasser? Leonardo zeigte große Freude am Zeichnen und Skizzieren von seltenen Pflanzen und der Bewegung von Tieren, aber auch Gesichter und phantasievolle Objekte hielt er mit einem Kohlestift auf seinem Zeichenblock fest. Sein Vater bemerkte als erster Leonardos Talent; im Jahr 1466 sorgte er dafür, dass ein renommierter Künstler seinen Sohn in die Lehre zum Maler und Bildhauer aufnahm.

Im Zentrum der Kunst In der Werkstatt Andrea del Verrocchios erfuhr Leonardo, wie man Farben mischt, Grundierungsmassen anrührt und wie man aus Pflanzen und Mineralien Pigmente gewinnt. Unter der Aufsicht seines Meisters durfte er auch Leinwand grundieren, mit Ölfarben kolorieren und sogar Skulpturen aus Ton modellieren. Leonardo setzte seine Fähigkeiten erfolgreich in die Praxis um; mit 20 Jahren stieg er vom Schüler zum Gesellen auf und fertigte sein erstes eigenes Gemälde an.

1472 ließ er sich in die Gilde der Maler einschreiben, er verzierte Kirchen und Paläste und bot sich der wohlhabenden Gesellschaft als eigenständiger Künstler an. Die Vorzeichen für eine erfolgreiche Zukunft standen nicht schlecht, eine schnelle Karriere als selbständiger Maler war ihm dann aber doch nicht vergönnt. 1478 erreichte ihn erstmals der Auftrag für ein Freskogemälde, doch für schnelles Arbeiten an feuchten Wänden war Leonardo nicht geschaffen. Seine eigenen Ansprüche bremsten ihn häufig beim Vorankommen, für Terminarbeiten zog man daher lieber andere Künstler vor.

Forscher und Fantast Von seinem Genie überzeugt, diente sich Leonardo nun den mächtigsten Fürsten Italiens an. Er kümmerte sich um die Unterhaltung der Hofgäste, schmückte die Palasträume seiner Gönner und widmete sich sogar dem Militär. In Mailand bot man ihm mehrfach ein umfangreiches Arbeitsfeld an, doch politische Unruhen zwangen ihn dann immer wieder zu einem Neuanfang. In den folgenden Jahren stürzte sich Leonardo in das Studium der Architektur und der Geographie, studierte den Verlauf der Gestirne, die Gesetze der Optik und der Geometrie.

Erst im fortgeschrittenen Alter beschäftigte er sich mit der Botanik und dem Studium der Anatomie. Seine Naturstudien regten ihn zu eigenen Erfindungen an: Er konstruierte eine Vielzahl hydraulischer Maschinen, skizzierte Pläne für Brücken und Städtebau und widmete sich der Entwicklung von Fluggeräten. Zeitgenossen zeigten sich beeindruckt und begeistert, doch die meisten seiner Ideen sind zu dieser Zeit noch gar nicht umsetzbar.

Zwischen den Jahren Leonardo war kein junger Mann mehr, als seine Liebe zur Malerei neu erwachte: An einem Wandbild testete er neue Materialien und Techniken, übte sich auch immer wieder im perspektivischen Zeichnen und den Effekten von Licht und Schatten. In seinem Atelier entstanden beeindruckende Gemälde von kultivierten Damen und Madonnen. Auf der Höhe seines Schaffens gelang ihm mit dem Bildnis der Mona Lisa ein geniales, aber auch sein letztes großes Meisterwerk. 1516, als Leonardo bereits die 60 Jahre überschritten hatte, wurde ihm plötzlich eine große Ehre zuteil. König Franz I. ernannte ihn zum „Ersten Maler, Ingenieur und Architekt“ und bat ihn eindringlich, auf sein Schloss nach Frankreich zu kommen.

Der ist nicht universal, welcher nicht alle Dinge, die zur Malerei gehören, auf gleiche Weise liebt. (Leonardo da Vinci)

Stille Tage an der Loire In Frankreich konnte Leonardo ein sorgenfreies Leben führen. Hier fand er Muße zum Lesen und zum Philosophieren und in dem jungen König einen großzügigen Gönner und Freund. Doch er begann auch sein Alter zu spüren, litt an den Folgen eines Schlaganfalls und auch sonst machte ihm seine Gesundheit zu schaffen.

Als er merkte, dass sein Ende bevorstand, ließ er einen Notar kommen und sein Testament verfassen; sämtliche Notizbücher und Skizzenblätter sollte sein Sekretär Francesco Melzi erhalten, doch sein liebstes Gemälde – die Mona Lisa – überließ er dem französischen Königshaus. Mit 67 Jahren starb Leonardo da Vinci; seinem letzten Willen entsprechend wurde er in der Kirche von Amboise zu Grabe getragen. Francesco Melzi sichtete sein Erbe, bemüht den kostbaren Schatz zusammenzuhalten. Doch viele der alten Pergamente gingen verloren, der Rest wurde verkauft oder geplündert und in die ganze Welt verstreut.

Später Ruhm Im 19. Jahrhundert, dem Zeitalter der Naturwissenschaften, näherten sich die Gelehrten von einer ganz anderen Seite dem großen Mann: Der Meister der Renaissance wurde nicht mehr nur als Künstler, sondern auch als Erforscher der Welt wahrgenommen. Wissenschaftler machten sich erneut ans Werk, die Bruchstücke seines Schaffens zu ordnen und zusammenzufassen, doch nur ein Drittel all seiner schriftlichen Arbeiten, so vermuteten die Gelehrten, waren der Nachwelt erhalten geblieben. Mehr als 200 Skizzen gelangten in den Besitz der englischen Königin; mit fünf Gemälden und 22 Zeichnungen verfügt der Louvre heute über den größten Leonardo-Bestand.

Gefeierter VirtuoseWer hätte jemals geglaubt, dass er es zu solch einem Ruhm bringen würde? Die Stationen seines Lebens sind heute gut erforscht, und doch ist Vieles an ihm ein Rätsel geblieben. Eigentlich wollte er einmal Meisterwerke der Kunst erschaffen, doch dann wurde die Ergründung des Universums zu seinem Lebensmittelpunkt. Sein Malstil machte Schule in der ganzen Welt, auch mit der Erfindung seiner technischen Apparaturen leistete er Pionierarbeit. Inzwischen wird der Schwerpunkt seines Schaffens aber in seinen Zeichnungen und Notizbüchern gesehen, denn diese zeugen von einem unermüdlichen Forschergeist, der alles wissen wollte, der immer auf der Suche nach Neuem war und der sich niemals mit den postulierten Gesetzen seiner Zeit zufrieden gab.

Am 2. Mai 1519 verstarb einer der größten Universalgelehrten der Menschheitsgeschichte. 500 Jahre nach seinem Tod geben zahlreiche Museen und Ausstellungen tiefe Einblicke in sein Leben und in sein Schaffen. Man will ihn ehren als einen Künstler und Forscher auf vielen Gebieten, aber auch als einen Menschen, der seiner Zeit auf vielen Ebenen schon weit voraus war, und der Kunst und wissenschaftliche Erkenntnis auf einzigartige Weise zu verknüpfen verstand.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 11/19 ab Seite 144.

Dr. Andrea Hergenröther, Apothekerin

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