© peakSTOCK / iStock / Getty Images

Krebserkrankungen

DER FEIND IN MEINEM KOPF

Hirntumoren zählen zu den am meisten gefürchteten Krebsarten, da sie die Persönlichkeit der Betroffenen drastisch verändern können. Doch bis heute weiß man kaum etwas über die Gründe für ihre Enstehung.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Unter Hirntumoren fasst man alle Wucherungen im Gehirn oder Rückenmark zusammen, unabhängig davon, ob sie gut- oder bösartig sind. Sie gehören zu den seltenen Krebsarten und betreffen etwa zwei Prozent der Bevölkerung. 2016 erkrankten daran in Deutschland 3970 Männer und 3460 Frauen.

Gutartig bedeutet nicht ungefährlich Primäre Hirntumore bilden sich aus entarteten Zellen des zentralen Nervensystems, wobei rund 95 Prozent im Gehirn und fünf Prozent im Rückenmark entstehen. Von diesen primären Tumoren unterscheidet man die sekundären, bei denen es sich um Metastasen bösartiger Wucherungen in anderen Körperteilen, wie etwa der Lunge, handelt. Zwei Drittel aller primären Hirntumoren sind gutartig, das heißt, sie wachsen nur langsam, dringen nicht ins umliegende Gewebe ein und bilden keine Metastasen.

Das heißt jedoch nicht, dass sie nicht auch gefährlich sein können, da sie durch den wachsenden Druck wichtige Hirnbereiche schädigen können. Die WHO hat die primären Hirntumoren je nach Gefährlichkeit und Prognose in vier verschiedene Grade eingeteilt: Grad I: Gutartiger, langsam wachsender Tumor mit guter Prognose Grad II: Gutartiger Tumor, der jedoch wiederkehren oder bösartig werden kann Grad III Bösartiger Tumor, bei dem nach der Entfernung noch eine Strahlen- oder Chemotherapie notwendig ist Grad IV: Schnell wachsender bösartiger Tumor mit schlechter Prognose trotz Strahlen- oder Chemotherapie nach der OP

Viele Tumorarten, vielfältige Symptome Es gibt viele unterschiedliche Arten primärer Hirntumoren. So entstehen Meningeome aus Hirnhautzellen, Hypophysentumoren aus Zellen der Hirnanhangdrüse und Neurinome aus Nervenzellen. Am häufigsten entarten die Gliazellen, die das Nervengewebe ernähren und stützen. Aus ihnen entwickeln sich zum Beispiel Astrozytome, die häufigsten gutartigen Geschwulste im Kindesalter, oder die Gliablastome, die häufigsten bösartigen Hirntumoren bei Erwachsenen. Je nach Größe und Lage des Tumors unterscheiden sich die Symptome stark.

Ein erstes Zeichen sind häufig Kopfschmerzen, die durch den zunehmenden Druck der Geschwulst entstehen. Dazu können Übelkeit und Erbrechen kommen, später sogar Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma. Je nachdem welches Hirnzentrum betroffen ist, kann sich die Erkrankung in Missempfindungen, Lähmungen, Seh-, Hör- oder Sprachstörungen, Krämpfen oder Gleichgewichtsproblemen äußern. Auch Störungen beim Denken und Fühlen sowie starke Persönlichkeitsveränderungen können auftreten.

Ursache unbekannt Bis heute sind kaum Ursachen oder Risikofaktoren der Erkrankung bekannt. Für einige seltene Erbkrankheiten konnte ein erhöhtes Vorkommen von Hirntumoren gezeigt werden. Auch die frühkindliche Bestrahlung des Kopfes beim Röntgen erhöht das Risiko geringfügig, ebenso wie die Bestrahlung des Gehirns bei Patienten mit Blutkrebs. Die Lebensführung oder die schädlichen Strahlenemissionen von Mobilfunkgeräten scheinen hingegen keine Rolle zu spielen. Bei Verdacht auf einen Hirntumor werden eine CT und eine MRT durchgeführt, wobei der letztendliche Nachweis über eine Biopsie erfolgt. Sie ermöglicht es auch, die Art des Tumors genau zu bestimmen, was neben seiner Größe und Lage entscheidend für die weitere Therapie ist.

Drei Therapiesäulen Generell werden in der Behandlung Operationen, Bestrahlung und Chemotherapie eingesetzt. Die chirurgische Entfernung, die einzige kurative Therapie, ist bei Hirntumoren eine diffizile Angelegenheit, weil das umgebende gesunde Hirngewebe möglichst geschont werden muss. Gut zugängliche und scharf begrenzte Tumoren können jedoch entweder durch eine schädelöffnende Operation oder alternativ mit Hilfe von Radiochirurgie wie etwa der Bestrahlung mit dem Cyberknife entfernt werden. Bei einigen Operationen ist der Patient zeitweise bei Bewusstsein, damit Hirnfunktionen wie etwa die Sprachfähigkeit während des Eingriffs überprüft werden können.

Alternativ kommen mittlerweile Kartierungssysteme zum Einsatz, die vor der Operation überprüfen, ob bestimmte funktionale Hirnareale betroffen sind. Neuere Operationsmethoden mittels Laser (SRS-Mikroskopie) oder intelligenten Skalpellen (Onkoknife oder iKnife), die Krebszellen von gesunden Zellen unterscheiden können, haben sich in einigen klinischen Studien bereits bewährt. Bei allen anderen Tumoren kommt vorzugsweise eine Bestrahlung zum Einsatz, entweder, um die Geschwulst vollständig zu entfernen, oder um sie zu verkleinern, sodass sie operabel wird. Diese Bestrahlung kann von außen durchgeführt werden wie beim Gamma-Knife, bei dem über einen Kopfhelm eine punktgenaue Gammastrahlung in den Tumor geleitet wird.

Alternativ kann die Bestrahlung auch von innen durch in Tumornähe eingebrachte radioaktive Teilchen erfolgen (Brachytherapie). Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Krebszellen zu verkochen. Dazu werden Nanopartikel in den Tumor eingeschleust und durch ein pulsierendes Magnetfeld in Schwingung versetzt. Die dadurch entstehende Hitze kann den Tumor unter Umständen komplett zerstören. Eine Chemotherapie wird meist zusammen mit einer Bestrahlung als radiochemische Therapie nach der Operation von Tumoren ab Grad II eingesetzt. Die Nebenwirkungen sind hierbei jedoch beträchtlich und es können neurologische Probleme auftreten.

Sonderfall Glioblastom Fast die Hälfte aller Gliome sind Glioblastome, die aggressivsten und gefährlichsten Hirntumore, die unheilbar sind und eine sehr schlechte Prognose haben. Die meisten Betroffenen sterben ohne Behandlung innerhalb weniger Monate, und selbst unter Therapie liegt die mittlere Überlebenszeit bei durchschnittlich nur 15 Monaten. Glioblastomzellen infiltrieren das Gehirn und zerstören bei dieser Wanderung die Blut-Hirn- oder Blut-Liquor-Schranke, was zu einem Ödem, einem Flüssigkeitsstau im Gehirn, führt.

Der dadurch ansteigende Hirndruck kann nur kurzzeitig mit Kortikoiden reduziert werden. Da sich die Tumorzellen im Gehirn ausgebreitet haben, können sie auch nicht vollständig beseitigt oder zerstört werden. Eine relativ gute Entfernung der Glioblastomzellen kann man jedoch mittlerweile mit fluoreszenzgestützter Chirurgie erzielen. Dabei trinkt der Patient einige Stunden vor der Operation eine Lösung mit 5-Aminolävulinsäure (5-ALA), die sich im Tumor anreichert und unter UV-Licht blau leuchtet. Somit können Krebszellen leichter von gesundem Gewebe abgegrenzt und entfernt werden. Im Anschluss an eine Operation wird ein Glioblastom immer mit einer Radiochemotherapie behandelt.

Zielgerichtete Therapien noch nicht am Ziel Wie bei anderen Krebsarten, werden zielgerichtete Therapien auch bei Hirntumoren erforscht. Am Universitätsklinikum Heidelberg hat man hierzu eine klinische Studie mit APG101 durchgeführt. Dieses Protein hemmt die Bindung des CD95-Liganden an den CD95-Rezeptor, die nachweislich das unkontrollierte und invasive Wachstum von Glioblastomzellen stimuliert. Die Hemmung durch APG101 kann diese Tumorzellsignale unterbrechen und so die Wanderung der Tumorzellen stoppen. APG101 zeigte in der Studie kaum Nebenwirkungen, allerdings war die Studie mit 83 Teilnehmern recht klein. Sonstige Forschungen im Rahmen der Inhibitoren-, Immun- oder Gentherapie blieben bisher erfolglos.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 08/2020 ab Seite 96.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

×