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Seuchen der Welt

DER ATEMWEGS-KILLER

Die „echte“ Grippe, die Influenza, ist eine noch immer nicht ausgestorbene Seuche. Regelmäßige Grippewellen im Winter und Frühling versetzen auch heute noch Menschen in Panik.

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Schon zu Lebzeiten von Hippokrates war die Influenza wohl bekannt. In den kommenden Jahrhunderten erreichte die Grippe traurige Berühmtheit. Seit dem Jahr 1510 wurde die Menschheit von mehr als 30 Influenzapandemien heimgesucht, denen weltweit immer wieder Millionen von Menschen zum Opfer fielen.

Krankheitszeichen Tatsächlich ist die Influenza, auch „echte“ Grippe oder Virusgrippe genannt, eine durch Viren insbesondere der Gattungen A oder B ausgelöste, hoch ansteckende Infektionskrankheit bei Menschen. Eine Verwechslung mit anderen Atemwegserkrankungen ist relativ leicht möglich, da die Symptome vergleichsweise unspezifisch sind. Allenfalls der plötzliche, schlagartig einsetzende Krankheitsbeginn mit hohem Fieber von durchaus 40 °C und Schüttelfrost könnten als Charakteristikum mitgewertet werden.

Ansonsten sind Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Kopf- und Gliederschmerzen, bellender Husten, angeschwollene Nasenschleimhaut und ausgeprägtes Krankheitsgefühl am ganzen Körper, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen sowie manchmal auch Durchfall bekannte Beschwerden. Die Erkrankung dauert 7 bis 14 Tage und wird durch Husten, Niesen oder Kontakt mit infizierten Gegenständen leicht von Mensch zu Mensch übertragen. Gefährlich sind insbesondere bakterielle Sekundärinfektionen, die gerade bei immungeschwächten Kindern oder älteren Erwachsenen mit Vorerkrankungen zu einer grippebedingten Lungenentzündung oder innerhalb weniger Stunden zum Tod führen können.

Jahrhundertelang gab es jedoch nur wenig Wissen über die Erkrankungsursache, keine Heilmittel, keinen Impfstoff – und niemand verstand, wie diese Krankheit so schnell viele Menschen anstecken konnte.

Die ersten Grippewellen Im Jahr 1173 n. Chr. gab es die vermutlich erste Grippewelle in Europa. 1493 wurden die Ureinwohner der Insel Hispaniola vor der amerikanischen Küste von einer Grippeepidemie heimgesucht. Manche Historiker postulieren, das Virus sei von Schweinen auf Kolumbus Schiffen eingeschleppt worden. Ab 1510 wütete in ganz Europa eine Grippewelle, die keine Familie und kaum einen Menschen verschonte. Auch in den folgenden Jahrhunderten breiten sich Epidemien über riesige Gebiete aus. Die „Russische Grippe“ 1889/90 mit gut einer Millionen Toten ist die erste genau dokumentierte Pandemie.

Der Name „Influenza“ (italienisch = Einfluss) stammt übrigens von der bis ins Mittelalter vorherrschenden medizinisch-astrologischen Vorstellung, alle Krankheiten seien durch bestimmte Planetenstellungen beeinflusst. Zunächst wurde also von einem Einfluss der Gestirne, einem „Fluch der Sterne“ ausgegangen.

Im 18. Jahrhundert wurde eher an einen göttlichen Einfluss geglaubt, da die Grippe so viele Menschen in kurzer Zeit in großen Gebietsarealen befiel. Mitte des 18. Jahrhunderts kam der Einfluss der Kälte als Merkmal hinzu, da festgestellt wurde, dass die Krankheit vorzugsweise in der kalten Jahreszeit auftrat.

19. Jahrhundert im Überblick Auch im letzten Jahrhundert wurde die Menschheit noch von vielen Grippeepidemien beziehungsweise sogar Pandemien heimgesucht, denen weltweit Millionen zum Opfer fielen. Die schwerste Pandemie, die „Spanische Grippe“ von 1918/1919, forderte mindestens 20 Millionen Menschenleben allein in Europa. Manche Literaturstellen sprechen sogar von 50 Millionen Todesopfern. Interessanterweise hielten damals noch viele ein Bakterium für den auslösenden Erreger.

An den folgenden großen Pandemien mit dem „Asia-Virus“, der von 1957 bis 1958 grassierte, und der „Hongkong-Grippe“ von 1968/69 starben weltweit jeweils rund eine Million. Die „Spanische Grippe“ führte zu großen wissenschaftlichen Bemühungen den Grippeerreger zu identifizieren, was aber erst 1933 am National Institute for Medical Research in London durch die Virulogen Christopher Howard Andrewes (1896 bis 1987), Wilson Smith (1897 bis 1965) und Patrick Playfair Laidlaw (1881 bis 1941) gelang.

1935 zeigte Wilson Smith die Möglichkeit auf, den Grippevirus in befruchteten Hühnereiern (Hühnerembryos) zu vermehren. 1936 entwickelte Wilson Smith mit seiner Gruppe damit einen Impfstoff mit einem lebenden Virus und gleichzeitig der amerikanische Arzt Thomas Francis (1900 bis 1969) zusammen mit seinem Kollegen Thomas Magill mit einem toten Virus (erster inaktivierter Influenza-Impfstoff).

Die erste Massenproduktion von Grippeimpfstoffen setzte dann in der 1940er-Jahren ein. 1948 errichtete die WHO ein internationales Netzwerk zur Grippeüberwachung und -bekämpfung, um mögliche neue Stämme schnell zu erkennen und damit auch die jeweils anzuwendende Zusammensetzung des Impfstoffs festzustellen.

Prävention Bis heute ist die vorbeugende Grippeimpfung die wirksamste präventive Maßnahme. Allerdings sind die Influenzaviren mit ihren Subtypen (H1, H2, H3 etc.) enorm wandlungsfähig, sodass – um eine möglichst große Übereinstimmung der verwendeten Impfstämme mit den jeweils umlaufenden, krankmachenden Virusvarianten zu erzielen – der Impfstoff bekanntlich jedes Jahr modifiziert wird und eine jährliche Auffrischung nötig ist.

Fakt ist: Bis heute ist es nicht gelungen, die Krankheit zu beherrschen oder gar auszurotten. Heute fragen sich Grippeforscher eher ängstlich, ob ein neuer bösartiger Virenstamm, zum einen die „Schweinegrippe“, zum anderen die „Vogelgrippe“, möglicherweise eine ähnliche Katastrophe wie bei der „Spanischen Grippe“ auslösen könnte.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/13 ab Seite 136.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

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