Schwangere © Miramiska / fotolia.com
© Miramiska / fotolia.com

Schwangerschaft

DENKEN FÜR ZWEI

Werdende Mütter sind eine besonders sensible, kritische und anspruchsvolle Kundengruppe. Deshalb erfordert ihre Beratung viel Fachkompetenz und Fingerspitzengefühl. Und das nicht nur, wenn es um Arzneimittel geht.

Seite 1/1 8 Minuten

Seite 1/1 8 Minuten

Eine Schwangerschaft ist für jede Frau eine besondere und aufregende Zeit, für viele sogar eine der bedeutendsten Lebensphasen überhaupt. Verständlicherweise wünschen sich werdende Mütter, dass es dem Ungeborenen rundum gut geht, dass es planmäßig wächst und sich prächtig entwickelt. Und dafür ist ein Großteil glücklicherweise auch gerne bereit, neun Monate lang vorbildlich und kerngesund zu leben.

Als außergewöhnlicher Lebensabschnitt wirft eine Schwangerschaft meist auch zahlreiche Fragen auf, vor allem wenn Frauen ihr erstes Baby erwarten: Kann die Kopfschmerztablette dem Ungeborenen schaden? Wie kann ich Schwangerschaftsstreifen vorbeugen? Müssen bestimmte Nährstoffe ergänzt werden? Und welche Sportarten sind mit dickem Bauch erlaubt?

Neben Gynäkologen und Hebammen spielt auch das Apothekenteam bei der Beratung eine wichtige Rolle. Beispielsweise dann, wenn es um Fragen zu Ernährung und Nährstoffsupplementierung, um die Behandlung leichter Befindlichkeitsstörungen oder die richtige Hautpflege geht. Als PTA können Sie werdende Mütter kompetent und „von Frau zu Frau“ informieren und beraten.

Besser essen Zwar wissen die meisten Schwangeren, dass Obst und Gemüse gesund sind und viele Vitamine liefern, aber an detailliertem Wissen mangelt es häufig. Erschwerend kommt hinzu, dass sich einige Mythen rund um Ernährung und Schwangerschaft hartnäckig halten. So glaubt manch eine werdende Mutter nach wie vor, sie müsse für zwei futtern und andere denken, es sei erforderlich, auf bestimmte Lebensmittel zu verzichten, um das Ungeborene vor Allergien zu schützen. Zeit, mit solchen Irrtümern aufzuräumen.

Finger weg!
+ Alkohol: Ganz gleich ob Sekt, Wein oder Bier: Das Baby trinkt immer mit. Der Alkohol gelangt ins Gewebe des Ungeborenen und kann es schädigen. In der Phase der Organbildung ist der Embryo am empfindlichsten gegen Störungen von außen. Besonders dramatisch ist regelmäßiger Konsum, begünstigt er doch Entwicklungsstörungen und Missbildungen.
+ Zigaretten: Nikotin ist ein Nervengift! Raucht die werdende Mutter, wird das Ungeborene über den Mutterkuchen schlechter mit Nährstoffen versorgt. Zudem erhöht Qualmen in der Schwangerschaft das Risiko für Fehl- und Frühgeburten und führt oft zu einem geringen Geburtsgewicht. Auch Passivrauchen ist schädlich, daran besteht längst kein Zweifel mehr.
+ Koffein: Kaffee, schwarzer und grüner Tee enthalten Koffein, das im Übermaß genossen die Pulsfrequenz des Ungeborenen erhöhen und sein Herz belasten kann. Empfehlung: Nicht mehr als zwei bis drei Tassen Kaffee oder Tee pro Tag trinken und auf koffeinhaltige Energydrinks ganz verzichten.

Richtig ist, dass für Schwangere – abgesehen von wenigen Ausnahmen – dieselben Ernährungsempfehlungen gelten wie für Nichtschwangere. Das heißt im Wesentlichen: bewusst, abwechslungsreich und ausgewogen essen und trinken. Reichlich sollten Schwangere kalorienfreie Getränke und pflanzliche Lebensmittel zu sich nehmen; tierische Lebensmittel maßvoll verzehren und dabei fettarme Milch- und Fleischprodukte, aber fettreichen Meeresfisch bevorzugen. Sparsam verzehrt werden sollten zudem Fette mit hohem Anteil an gesättigten Fettsäuren, Süßigkeiten und Snackprodukte. Regelmäßige Mahlzeiten sind empfehlenswert.

Wichtig zu wissen ist auch, dass der Energiebedarf werdender Mütter nur geringfügig ansteigt – und das erst etwa ab dem vierten Schwangerschaftsmonat. Dann brauchen Frauen etwa 200 bis 300 Kilokalorien mehr pro Tag, was beispielsweise einer Scheibe Vollkornbrot mit Schnittkäse und einer Tomate zusätzlich entspricht! Das Beispiel veranschaulicht, dass „Essen für zwei“ keineswegs ratsam ist. Im Gegenteil: Ein Zuviel an Nahrungsenergie kann negative Auswirkungen haben.

Folsäure und Jod ergänzen Mit einer abwechslungsreichen, ausgewogenen und vollwertigen Ernährung gelingt es Frauen, sich und ihr Kind gut mit den meisten lebenswichtigen Nähr- und Vitalstoffen zu versorgen. Ausnahmen bilden das Vitamin Folsäure und das Spurenelement Jod. Beide werden selbst bei bewusster Lebensmittelauswahl nicht in ausreichender Menge über die Nahrung aufgenommen.

Deshalb gilt heute: Folsäuretabletten sollen alle Frauen mit Kinderwunsch und alle werdenden Mütter mindestens bis zum Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels einnehmen. Fachleute empfehlen ein Präparat mit 400 Mikrogramm Folsäure pro Tag zusätzlich zu einer ausgewogenen Kost. Zur Jodversorgung tragen Jodsalz, zwei Portionen Meeresfisch pro Woche sowie Milch- und Milchprodukte bei.

»Empfehlenswert ist es, den Babybauch etwa ab dem dritten Schwangerschaftsmonat täglich mit einem hochwertigen Massageöl zu verwöhnen.«

Da dies jedoch nicht ausreicht, um den Bedarf in der Schwangerschaft zu decken, empfehlen Experten, mit Jodtabletten weitere 100 bis 150 Mikrogramm pro Tag aufzunehmen – und zwar von Beginn der Schwangerschaft an, wenn keine Schilddrüsenerkrankungen vorliegen.

Auch von einigen anderen Mikronährstoffen benötigen Schwangere mehr. Das gilt beispielsweise für Eisen. Dennoch wird keine generelle Einnahme empfohlen. Vielmehr sollte es nur dann supplementiert werden, wenn der Frauenarzt eine entsprechende Empfehlung ausspricht. Auf diese Zusammenhänge sollten Sie hinweisen und dringend davon abraten, „Multivitamine“ nach dem Gießkannenprinzip einzunehmen. Es gilt der Grundsatz: Folsäure und Jod sollten supplementiert werden, über alles andere entscheidet der Gynäkologe im Einzelfall.

In Bewegung bleiben Schwangere sollen sich zurücklehnen und schonen – so wurde es lange Zeit empfohlen. Heute weiß die Wissenschaft jedoch, dass Bewegung „die beste Medizin“ ist. Denn das körperliche Aktivprogramm wirkt zahlreichen typischen Beschwerden entgegen, verbessert das Körpergefühl, hebt die Stimmung und schafft die erforderliche Kondition für die Geburt.

schwangere frau bei gymnastikübungen
Durch gezielte Gymnastikübungen können Frauen Muskelgruppen kräftigen, die während einer Schwangerschaft besonders beansprucht werden.

Vorausgesetzt der Arzt hat keine medizinischen Einwände, sollten Frauen nicht nur auf ausreichende Bewegung im Alltag achten, sondern auch regelmäßig Sport treiben. Gut geeignet sind moderate Ausdauersportarten wie Aquajogging, Walking, Schwimmen und kleine Wanderungen. Durch gezielte Gymnastik können Frauen zudem die Muskelgruppen kräftigen, die während der Schwangerschaft besonders beansprucht werden.

Profitieren können sie auch von Schwangerschaftsyoga, das vielerorts von Hebammen und Kliniken angeboten wird. Verzichten sollten sie hingegen auf Sportarten mit hohem Sturz- und Verletzungsrisiko sowie auf Aktivitäten, bei denen es zu Erschütterungen und raschen Drehbewegungen kommt. Im Zweifelsfall gilt: Erst mit dem Frauenarzt Rücksprache halten und dann in die Turnschuhe steigen.

Streicheleinheiten für die Haut In der Schwangerschaft ist das gleich doppelt wichtig. Deshalb kommt es jetzt auf eine intensive, systematische und hauttypgerechte Körperpflege an. Hochwertige Pflegepräparate halten die Haut nicht nur straff, glatt und geschmeidig, sondern können auch Schwangerschaftsspezifischen Hautproblemen entgegenwirken.

Durch hormonelle Einflüsse bemerken viele Frauen, dass sich ihre Haut verändert. Manche leiden jetzt unter Trockenheit und Juckreiz, bei anderen sprießen auf einmal Pickel im Gesicht und dritten machen Pigmentflecken zu schaffen. Mit solchen Problemen kommen viele Kundinnen in die Apotheke. Dann können Sie auf den aktuellen Hautzustand abgestimmte Pflegepräparate aus dem Apothekensortiment empfehlen – bei trockener Haut etwa rückfettende Duschöle sowie fett- und feuchtigkeitsspendende Körperlotionen.

Nützliche Informationen aus dem Internet
+ www.gesund-ins-leben.de:
Das Netzwerk „Gesund ins Leben“ bietet einheitliche und verständliche Empfehlungen zu Ernährung und Allergieprävention in der Schwangerschaft. Verantwortlich für den Inhalt ist das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
+ www.embryotox.de: Die Informationsseite des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie bietet unabhängige Informationen zur Verträglichkeit der wichtigsten Medikamente und zur Behandlung häufig vorkommender Krankheiten in der Schwangerschaft und Stillzeit.
+ www.familienplanung.de: Ein Angebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) rund um Kinderwunsch, Schwangerschaft und Familiengründung.
+ www.frauenaerzte-im-netz.de: Hier informiert der Berufsverband der Frauenärzte über (fast) alle Themen rund um Schwangerschaft, Geburt & Co.
+ www.rauchfrei.info : Warum Rauchen so schädlich ist und wie Frauen mit Kinderwunsch sowie Schwangere vom Glimmstängel loskommen können, erläutert die BZgA auf dieser Internetseite.

Da Sonnenlicht die Bildung von Pigmentflecken fördert, sollten Schwangere stets ein hochwertiges Sonnenschutzpräparat mit hohem bis sehr hohem Lichtschutzfaktor auftragen und intensive, direkte Sonneneinstrahlung meiden.

Eine Extraportion an Pflege braucht auf jeden Fall der Bauch, denn hier wird die Haut durch die Dehnung extrem strapaziert. Empfehlenswert ist es, den Babybauch etwa ab dem dritten Schwangerschaftsmonat täglich mit einem hochwertigen Massageöl zu verwöhnen.

Neben wertvollen Lipiden sollten es ausgesuchte, gut verträgliche Pflegekomponenten enthalten, die die Dehnungsbereitschaft der Haut unterstützen, und solche, die die beanspruchte, oft zu Juckreiz neigende Haut beruhigen. Empfehlen Sie regelmäßige Zupfmassagen mit dem Öl, um die Durchblutung zu fördern und Schwangerschaftsstreifen Paroli zu bieten. Wunder sollten Sie allerdings nicht versprechen, denn trotz intensiver Bauchpflege lassen sich Schwangerschaftsstreifen leider nicht immer verhindern.

Wenn’s drückt, zieht, kneift Auch vor Beschwerden und Befindlichkeitsstörungen sind schwangere Frauen nicht gefeit. Morgendliche Übelkeit, Sodbrennen und Verstopfung machen ihnen häufig zu schaffen, viele werden auch von Schlafstörungen, Kopf-, Rückenschmerzen und schweren Beinen geplagt. Da die Selbstmedikation nur sehr begrenzt und nach strenger Abwägung von Nutzen und Risiken möglich ist, erfordert das Beratungsgespräch in der Apotheke viel Fingerspitzengefühl.

Weisen Sie auf die Möglichkeit hin, leichteren Beschwerden mit Hausmitteln zu Leibe zu rücken.
So empfiehlt es sich bei Sodbrennen etwa, mit erhöhtem Kopf zu schlafen und ein Glas Milch zu trinken. Bei Neigung zu Verstopfung können ballaststoffreiche Kost, Weizenkleie oder Leinsamen in Kombination mit viel Flüssigkeit Abhilfe schaffen. Gegen morgendliche Übelkeit helfen ein kleines Frühstück im Bett, etwa ein Zwieback vor dem Aufstehen, sowie Pfefferminz- und Kamillentee.

Ein warmes Bad kann Rückenschmerzen, Muskelverspannungen und Einschlafprobleme lindern, gegen Kopfschmerzen hat sich Einreiben der Schläfen mit Pfefferminzöl bewährt. Bei schweren, müden Beinen können Stütz- oder Kompressionsstrümpfe, Kneippsche Güsse und Wechselduschen hilfreich sein. Außerdem gut für die Venen: Sich viel bewegen und zwischendurch die Beine hochlegen!
Bei stärkeren Beschwerden oder Erkrankungen führt manchmal kein Weg an Arzneimitteln vorbei.

Viele Wirkstoffe dürfen falls erforderlich auch in der Schwangerschaft eingenommen werden, etwa Paracetamol, Lactulose und Magaldrat. Auf der sicheren Seite sind werdene Mütter, die eine erforderliche Medikation mit ihrem Gynäkologen besprechen. Im Beratungsgespräch sollten Sie unbedingt darauf hinweisen, dass Schwangere keinesfalls ohne Rücksprache mit dem Arzt oder Apotheker zu Mitteln aus der Hausapotheke greifen dürfen. Auch viele pflanzliche Wirkstoffe sind in der Schwangerschaft kontraindiziert.

Auf der anderen Seite sollten Sie aber auch erklären, dass vom Arzt verordnete Medikamente nicht einfach abgesetzt oder in der Dosis reduziert werden dürfen. Vor lauter Angst, das Ungeborene könne Schaden nehmen, lässt manch eine werdende Mutter (lebens)wichtige Arzneimittel weg. Bei vielen Erkrankungen – etwa Diabetes, Schilddrüsenstörungen, bestimmten Infektionen und psychischen Erkrankungen – ist eine Nichtbehandlung jedoch wesentlich gefährlicher als eine Medikation. Auch das müssen Schwangere wissen.

Genießen erwünscht Trotz der Tatsache, dass die Schwangerschaft eine besonders verantwortungsvolle Lebensphase ist, die von Frauen auch ein gewisses Maß an Disziplin erfordert, so ist sie kein Grund, auf die schönen Dinge des Lebens zu verzichten. Im Gegenteil: Frauen, die die Zeit mit dickem Bauch möglichst unbeschwert und stressfrei genießen, tun sich und dem Ungeborenen einen großen Gefallen. So spricht grundsätzlich nichts dagegen zu verreisen.

Die ideale Zeit für Ferien ist das zweite Schwangerschaftsdrittel. Anfängliche Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen sind dann meist verschwunden. Als Urlaubsziele eignen sich vor allem Länder mit gemäßigtem Klima, gutem hygienischem Standard und vergleichsweise geringem Infektionsrisiko.
Natürlich sollte der Genuss auch in den eigenen vier Wänden nicht zu kurz kommen. Und das heißt auch: Tun, was Spaß macht, den Sex (der dem Ungeborenen nicht schadet!) genießen, sich viel Zeit für sich nehmen und auch das Pause machen und Entspannen nicht vergessen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/13 ab Seite 14.

Andrea Neuen-Biesold, Freie Journalistin

×