Eine Frau, die auf einer Yoga-Matte liegt und entspannt.
Auch Zittern kann ein Zeichen für Entspannung sein. © globalmoments / iStock / Getty Images Plus

Neurogenes Zittern | Ratgeber

DEN STRESS EINFACH ABSCHÜTTELN?

Babys und Tiere zittern - doch als Erwachsene haben wir uns diesen Impuls meistens abgewöhnt. Dabei kann er nützlich sein, wenn man ihn anzuwenden weiß.

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Ein Zittern durch den Körper strömen lassen und schon lassen Stress und Anspannung nach. Das klingt erstaunlich. Doch genau das verspricht das neurogene Zittern - was steckt hinter diesem Ansatz? „Es ist eine Antwort auf körperliche Überspannung, die wir unbewusst unterdrücken“, sagt Beata Korioth aus Köln. Sie ist Atemtherapeutin, Bewusstseinstrainerin und Autorin des Buchs „Goodbye Stress“. Sie erklärt das neurogene Zittern genauer:

Dahinter steckt die Idee, dass wir eigentlich alle zittern würden - wenn wir es nur zulassen. Tiere machen das. Kleine Kinder zittern auch noch, wenn sie Druck empfinden, Angst haben oder Ekel spüren. Aber wir Erwachsenen lassen das nicht zu.

Denn das Zittern werde oft als Zeichen für Schwäche empfunden oder als Hinweis auf eine Krankheit gedeutet. Deshalb unterdrücken es viele Menschen ganz bewusst.

Zittern als angeborene Fähigkeit
Dabei ist Zittern nichts Schlimmes. Es sei auch ein Zeichen für Entspannung, sagt Korioth. „Wenn es ausbleibt, bekommt der Körper nicht mehr das Signal, dass die angespannte Situation vorbei ist. Das heißt, die Entspannung kann nicht einsetzen.“ Dabei handle es sich beim Zittern um eine angeborene Fähigkeit, von der wir alle profitieren könnten. Es geht dabei nicht nur darum, das Zittern zuzulassen, wenn es natürlicherweise den Körper erfassen würde: „Wir können es an- und ausschalten, so oft wir wollen“, sagt Korioth.

Auf diese Weise sei es möglich, das Zittern nachträglich zu spüren und so Verspannungen und Blockaden zu lösen, die beispielsweise durch belastende Situationen entstanden sind.

Grenzen überwinden und loslassen
Auch wenn es schon in alten, spirituellen Heilungsritualen praktiziert wurde: Bekannt gemacht wurde die Idee des neurogenen Zitterns durch den Traumatherapeut David Berceli, der verschiedene Übungen entwickelt hat, mit denen sich ein Zittern bewusst auslösen lässt: Sie werden TRE abgekürzt, nach den englischen Wörtern „Tension & Trauma Releasing Exercises“. Übersetzt heißt das in etwa: Übungen, die Spannung und Traumata abbauen. „Es ist etwas Übungssache dabei, wirklich loszulassen“, sagt Hildegard Nibel, Co-Autorin des Buchs „Neurogenes Zittern - Stress und Spannungen lösen“. Sie erläutert:

Es gibt immer eine Grenze, an der man es noch stoppen könnte - und diese wollen wir überwinden. Das fällt manchen Menschen schwer, weil wir eher trainiert sind, solche Impulse nicht loszulassen, sondern zu unterdrücken.

Wie genau es abläuft und sich anfühlt, das neurogene Zittern mit speziellen Übungen auszulösen, probiert man bei Interesse am besten selbst aus. Anleitungen gibt es etwa in Form von Videos im Internet oder in diversen Fachbüchern.

Vereinfacht gesagt läuft es so ab: Man bringt den Körper in eine Stellung, in der er zu vibrieren und zu zittern beginnt. Kommt ein Zittern auf und lässt man es zu, kann man die Position auch verlassen und einfach weiterzittern.

Sobald man es verinnerlicht hat, kann man das Zittern bei Bedarf auch hervorrufen, ohne eine solche Position einzunehmen - oder man macht immer wieder die speziellen Übungen.

Vorsicht: Traumata können aktiviert werden
„Wer es zum ersten Mal macht, erlebt zum Teil eher ruckartige Bewegungen an völlig unerwarteten Körperstellen“, beschreibt Nibel. „Meistens harmonisiert sich das aber, wird regelmäßiger und feiner.“ Der Expertin zufolge könne es jeder und jede für sich selbst ausprobieren. Allerdings sollte man vorsichtig sein, wenn man weiß, dass man besonders belastende Erfahrungen gemacht hat und Traumata in sich trägt - diese Erfahrungen könnten durch das Zittern aktiviert werden. Wer sich unsicher ist, testet also lieber unter professioneller Anleitung die TRE-Techniken aus.

Wendet man die Technik des neurogenen Zitterns regelmäßig an, soll sie bei Rückenschmerzen und Verspannungen ebenso helfen können wie bei Kopfweh, Zähneknirschen, Prüfungsangst oder Bluthochdruck. Es soll zudem zu mehr Beweglichkeit und Entspannung, verbesserter Körperwahrnehmung, vertieftem Atem, erhöhter Leistungsfähigkeit und emotionaler Ausgeglichenheit führen. Beata Korioth wünscht sich, dass wir alle das Zittern wieder in unser Leben lassen.

Quelle: dpa

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