Delle im Autoblech
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Darmdivertikel

DELLEN IM DARM

Divertikel sind bläschenförmige Ausstülpungen der Darmwand oder der Darmschleimhaut. Meist verursachen sie keine Symptome. Wenn sie sich entzünden, können sie jedoch zu starken Beschwerden führen.

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Spricht man von Divertikeln, meint man meist Darmdivertikel, da sie am häufigsten vorkommen. Die Ausstülpungen können jedoch auch in der Harnblase oder im Herzen entstehen. Neben Divertikeln, die als Reste aus der Zeit der Organentstehung bestehen bleiben, gibt es die zweite, wesentlich häufigere Art der Divertikel, die sich erst mit der Zeit aufgrund der geringer werdenden Elastizität des Gewebes bildet.

Echt oder falsch? Divertikel sind bläschen- oder birnenförmige Ausstülpungen der gesamten Darmwand oder nur der Darmschleimhaut, die sich ins Darmlumen oder nach außen erstrecken. Beinhaltet die Aussackung alle Schichten der Darmwand, spricht man von echten Divertikeln. Wesentlich häufiger sind allerdings Pseudodivertikel, die lediglich aus Darmschleimhaut bestehen. 90 Prozent der Divertikel findet man linksseitig im Sigma, dem letzten Dickdarm-Abschnitt vor dem Mastdarm. Nur selten zeigen sich Divertikel auch im Dünndarm, wie etwa das sogenannte Meckel-Divertikel, ein Rudiment aus der Organentwicklung. Dickdarm-Divertikel entstehen hauptsächlich durch zwei Faktoren, die zusammenspielen: hohen Druck und strukturell schwache Gewebestellen. Zu viel Druck im Darm entsteht zum Beispiel durch chronische Verstopfung. Ist das organische Gewebe dann nicht mehr besonders fest, können sich Teile der Darmwand oder der Darmschleimhaut durch Lücken, die eigentlich für durchtretende Gefäße gedacht sind, nach innen oder außen schieben.

Mit dem Alter steigt das Risiko Diese Faktoren sind auch der Grund, warum nur jeder Zehnte im Alter unter vierzig Jahren, aber mindestens jeder zweite über 70 Divertikel aufweist. Denn mit dem Alter wird auch das Bindegewebe der Darmwand schwächer und leiert zunehmend aus. Darüber hinaus verlangsamen sich die Stoffwechselfunktionen und die Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten verändern sich. Man isst und trinkt vor allem auch weniger, und bewegt sich nicht mehr so lange und häufig. Damit steigt das Risiko, dass die Verdauung nicht mehr reibungslos funktioniert und es häufiger zu Verstopfungen oder Blähungen kommt. Vor allem Menschen im Seniorenalter sollten daher bei hartnäckigen Bauchschmerzen zum Arzt gehen und sich auf Divertikel untersuchen lassen.

Meist unauffällig Divertikel treten selten einzeln auf, meist kommt es zu mehreren Ausstülpungen, was Mediziner als Divertikulose bezeichnen. Bei den meisten Betroffenen verursachen sie keine Beschwerden und benötigen daher auch keine Therapie. In zehn bis zwanzig Prozent der Fälle entstehen aber Erkrankungen, die behandelt werden müssen, wie etwa eine Entzündung der Ausstülpungen (Divertikulitis). Divertikel sind manchmal jedoch auch lebensgefährlich, da sie zu Darmblutungen, Eiteransammlungen (Abszess), einem Darmverschluss oder sogar einem Darmdurchbruch führen können. Darüber hinaus bilden sie teilweise Fisteln aus, also Gänge zu anderen Darmabschnitten oder umgebenden Organen. Die Symptome für Divertikelkrankheiten sind jedoch oft nicht eindeutig, und daher schwer zu erkennen. So kommt es häufig zu generellen Verdauungsstörungen, wie starken Blähungen oder Verstopfung, was die Divertikulose wiederum begünstigt – ein Teufelskreis. Viele Betroffene klagen über Abgeschlagenheit und Fieber und fühlen sich einfach krank und erschöpft. Diese Symptome werden dann schnell einer Magen- Darm-Grippe oder einem Reizdarm zugeschrieben. Auch die Schmerzsymptomatik ist nicht immer eindeutig. Bei Ausstülpungen im Dünndarm, wie etwa dem Meckel-Divertikel, tritt ein rechtsseitiger Druckbauchschmerz auf, der dem Leitsymptom einer Blinddarmentzündung (Appendizitis) sehr ähnlich ist. Zu solchen Schmerzen kommt es auch, wenn die Divertikel im Dickdarm auftreten, dann allerdings auf der linken Unterbauchseite. Daher spricht man bei einer Dickdarm- Divertikulose auch von einer linksseitigen Appendizitis. Dieser spezielle Schmerz ist hilfreich bei der Diagnose, da er sehr typisch ist. Charakteristisch ist auch, dass sich die Schmerzen meist bessern, wenn der Druck im Darm nachlässt, also nach dem Stuhlgang oder dem Abgang von Darmwinden. Die Bauchschmerzen können aber auch diffus in den ganzen Bauchraum ausstrahlen, was die Diagnostik wiederum erschwert.

Diagnose mittels bildgebender Verfahren Bei Verdacht auf Divertikulose wird der Arzt nach gründlicher Anamnese den Bauch abtasten. Ist er vor allem im Unterbauchbereich stark verhärtet, oder spürt man sogar eine richtige „Walze“, deutet dies auf Divertikulitis hin. Eine Blutuntersuchung gibt dann Aufschluss darüber, ob wirklich eine Entzündung im Körper vorhanden ist. Ist dies der Fall, wird mittels Abdomen-Sonografie nach entzündeten Divertikeln gesucht. Bei starken Schmerzen und dem Verdacht auf einen Darmdurchbruch wird unverzüglich ein Röntgen- oder CT-Bild angefertigt, auf dem sich zum Beispiel Luft im Bauchraum als Indiz eines Durchbruchs gut erkennen lässt. Beim Verdacht auf Divertikelkrankheiten wird keine Darmspiegelung durchgeführt. Zu groß ist das Risiko, die Divertikel zu verletzen und dadurch Komplikationen wie etwa einen Darmdurchbruch überhaupt erst auszulösen. Nach Abklingen der akuten Phase sollte jedoch eine Darmspiegelung durchgeführt werden, um festzustellen, ob die Ursache der Divertikulose vielleicht eine andere Grundkrankheit ist, wie zum Beispiel eine chronisch-entzündliche Darmkrankheit oder Tumoren.

Therapie je nach Schweregrad Eine leichte Divertikulitis lässt sich meist bereits mit einer zwei bis vier Tage dauernden Nahrungskarenz oder Nahrungsumstellung auf faserarme oder flüssige Kost therapieren. Bei einer akuten Divertikulitis muss der Patient hingegen meist stationär behandelt werden. Dabei erfolgt im Anschluss an die Nahrungskarenz eine Antibiotikakur, um die entzündungsauslösenden Keime abzutöten. Während leichte Blutungen aus Divertikeln meist von selbst aufhören, kann ein chirurgischer Eingriff nötig sein, wenn das nicht geschieht. Operationen sind darüber hinaus auch bei einem Darmdurchbruch oder einem Darmverschluss unumgänglich, oder wenn es trotz Antibiotikatherapie immer wieder zu Divertikelkrankheiten kommt. Dann wird die betroffene Stelle im Darm entfernt und die Stümpfe werden so vernäht, dass das Organ weiterhin funktionsfähig ist. Abszesse und Fisteln müssen ebenfalls chirurgisch entfernt werden.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/17 ab Seite 114.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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