Blutbeutel © mell razak / iStock / Getty Images
Bei der Behandlung von Thalassaemia major benötigen die Erkrankten lebenslang Bluttransfusionen. © mell razak / iStock / Getty Images

Antidote

DEFEROXAMIN

Überladung bedeutet nicht immer zu viel Gerümpel im Wohnwagen oder zu schwere Last auf dem LKW. Bei einer Überladung mit Eisen befinden sich vor allem zu große Mengen dreiwertiges Eisen im Organismus.

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Übelkeit und Erbrechen gehören zwar zu den typischen Symptomen einer Eisenüberladung, aber nicht selten denkt der Betroffene zunächst an eine Magenverstimmung, einen Magen-Darm-Infekt oder sogar an eine Lebensmittelvergiftung. Darum ist es wichtig, auch bei vermeintlich eindeutigen Symptomen, im Kundengespräch den Arztbesuch zu empfehlen. Zur Diagnose einer Eisenvergiftung gehört aber noch mehr, denn auch die Ursachen, die zu akuter Eisenvergiftung oder chronischer Eisenüberladung des Organismus führen, sind sehr unterschiedlich. Im Fokus stehen hier vor allem Erkrankungen, die mit Blutbildung, Bildung der Erythrozyten und des Hämoglobins zu tun haben.

Bei Menschen mit Hämochromatose kommt es zu einer erhöhten Aufnahme von Eisen im oberen Dünndarm. Der Gesamtkörpereisengehalt bei Erwachsenen kann so bis auf 80 Gramm ansteigen. Zum Vergleich: Der Normwert liegt lediglich bei circa zwei bis sechs Gramm. Eine chronische Überladung mit Eisen führt zu Schäden an Leber, Bauchspeicheldrüse, Herz, Gelenken, Milz, Hirnanhangsdrüse, Schilddrüse und Haut. Bei der Thalassaemia major kann aufgrund eines Gendefektes die β-Globinketten des Hämoglobins nicht gebildet und somit normales Hämoglobin nicht synthetisiert werden. Die so gebildeten Erythrozyten sind instabil und zerfallen bereits im Knochenmark.

Bei der Behandlung von Thalassaemia major benötigen die Erkrankten darum lebenslang Bluttransfusionen, unter denen es zwangsläufig zu Eisenüberladungen kommt, denn multiple Bluttransfusionen können immer auch zu einer chronischen Vergiftung mit Eisen führen. Ebenso führt ein Enzymdefekt der Leber bei Porphyria cutanea tarda zu einer Störung in der Häm-Synthese. Dieses Häm wird primär zum Aufbau der dort vorkommenden Cytochrom-P450-Proteine genutzt. In der Folge können pathologisch hohe Eisenwerte auftreten. Aber auch unter der Therapie einer Eisenmangel-Anämie mit Eisen treten nicht selten durch Dosisüberschreitung von Eisenpräparaten akute Vergiftung auf. Oftmals sind hiervon auch Kinder betroffen, die Zugang zu den Medikamenten haben und den „Eisensaft“ mit einem Multivitamin-Saft verwechseln.

Symptome und Therapie Zu den Frühsymptomen einer oralen, akuten Eisenvergiftung gehört die hämorrhagische Gastroenteritis mit blutigem Erbrechen und blutigem Durchfall. Bewusstseinsstörungen, Krämpfe, Fieber, Blutgerinnungsstörungen und metabolische Azidose können im weiterem Verlauf auftreten. Möglich sind auch Schädigungen der Leber und Nieren sowie Spätfolgen durch narbige Verwachsungen im gesamten Magen-Darm-Trakt. Zur weiteren Absicherung der Diagnose können Röntgenaufnahme des Abdomen (Bauch), die Bestimmung von Serum-Eisen, der Elektrolyte und des Blut-pH-Werts herangezogen werden. Erste-Hilfe-Maßnahmen, wie das Auslösen von Erbrechen, Magenspülung oder Darmspülung sollen die weitere Resorption des Eisens mindern oder verhindern.

Bei einer chronischen Eisenüberladung kommt Deferoxamin zum Einsatz und wird parenteral verabreicht. Es handelt sich um einen Chelatbildner, der im Molekül drei Hydroxamsäuregruppen enthält. Über diese besitzt Deferoxamin eine hohe Affinität zu freien Eisen-Ionen. Es kommt zur Ausbildung des Chelatkomplexes Feroxamin, der gut renal ausscheidbar ist und den Urin rötlich-bräunlich verfärbt. Der Arzt entscheidet ob Deferoxamin intravenös, subkutan oder intramuskulär appliziert wird. So kann der Wirkstoff beispielsweise täglich, an fünf bis sieben Tagen pro Woche, subkutan über eine Pumpe bis zu zwölf Stunden lang in die Bauchdecke infundiert werden.

Die intravenöse Gabe von Deferoxamin ist bei schweren Vergiftungen mit ausgeprägter metabolischen Azidose, Schock, schwerer Gastroenteritis und einem Serum-​Eisenspiegel größer als 500 Mikrogramm pro Deziliter (μg/dL) Blut unumgänglich. Deferoxamin kann auch zur Diagnose einer Eisenüberladung eingesetzt werden. Dazu wird nach Verabreichung der Substanz der Urin des Patienten über mehrere Stunden gesammelt, die darin befindliche Eisenmenge bestimmt und mit dem Normalwert verglichen. Voraussetzung ist hierbei eine gesunde Nierenfunktion. In Schwangerschaft und Stillzeit darf das Antidot nur unter strenger Nutzen-Risiko-Abwägung angewendet werden.

Deferasirox steht als mögliche Alternative für die Behandlung chronischer Eisenüberladung zu Verfügung. Zur oralen Applikation gibt es Filmtabletten und Tabletten zur Herstellung einer Suspension. Auch bei Deferasirox handelt es sich um einen Chelatbildner, der selektiv auf Eisen-III-Ionen anspricht und eine geringe Affinität zu Zink- und Kupfer-Ionen aufweist. Deferasirox und seine Metaboliten werden zu über 80 Prozent intestinal mit dem Fäces (Stuhlgang) ausgeschieden, die renale Elimination ist als minimal anzusehen. Deferasirox darf in Schwangerschaft und Stillzeit nicht angewendet werden.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 08/19 ab Seite 100.

Bärbel Meißner, Apothekerin

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