Aus dem Impfzentrum

DAS WARTEN AUF DEN IMPFSTOFF

Was ist, wenn die Nerven blank liegen, die Exceldatei zur Doktorarbeit wird, wenn jede Dose Impfstoff zweimal umgedreht und der Ton rauer wird. Dann haben wir Stillstand im Impfzentrum und warten auf neue Lieferungen.

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Es laufen nur zwei Impfstraßen und wir schütteln den Kopf. Draußen tobt die dritte Welle und bei uns ist es still, zu still. Wir schauen uns an: Wir könnten, wir sind bereit und wir haben alle Generalproben mit Bravur bestanden. Das Wochenende, an dem wir alle Ärzte und Praxen geimpft haben, endlich mal deutlich über 1000 Impflinge am Tag – da war was los. Auch am Lehrer- und Erzieherwochenende. Unsere Damen vom medizinischen Personal haben Smileys auf die Pflaster gemalt, die Stimmung war super. Endlich mal sowas wie Volllast, die Stimmung ausgelassen und alle waren sich einig, das macht richtig Spaß.

Und jetzt?Vollbremsung vor Ostern und wieder haben wir die Dienstpläne geändert, die Menschen nach Hause geschickt und immer wieder die Frage: Was ist denn los? Erst AstraZeneca weg, dann wieder da und dann leer. Die Menschen sind verunsichert, verärgert und langsam echt genervt. Die Lieferlisten werden so oft gewechselt wie die Socken und die Mitarbeiter bekommen drei bis vier verschieden Dienstpläne pro Woche. Der Satz „Nächste Woche kommt mehr Impfstoff“ ist schon zur Lachnummer geworden, die euphorische Stimmung hat schwer gelitten. Auch die AstraZeneca-Verunsicherung macht uns zu schaffen, es kommen deutlich weniger zur Impfung und es gibt viel Diskussion, weil die Menschen lieber Biontech haben wollen. Wir würden uns wünschen, dass noch viel mehr Statistik gezeigt wird, denn die Nebenwirkungsrate ist wirklich gering.

Jede Impfung hilft Auch jede AstraZeneca Impfung hilft das Virus einzudämmen und die dritte Welle zu brechen. Wir machen uns Sorgen, dass wir die entscheidenden Tage zu spät sind und das Virus uns zu schnell einholt. Wir machen das Lager leer, es wird nichts zurückgehalten. Die Aussagen, die Impfzentren halten Impfstoff zurück, ist völlig absurd. Jede übriggebliebene Menge kommt am nächsten Tag wieder in die Verteilung der Impftermine zurück und wird vergeben. Klar gibt es auch im Terminportal Probleme und die Vergabe der Termine erscheint wie beim Roulette, leider können wir da nichts machen. Ganz ehrlich: Wir hätten die Termine für Wiesbaden lieber selbst gemacht, weil wir ein sehr großes Impfzentrum sind, können es uns aber nicht aussuchen.

Wir versuchen Fehler schnell zu übermitteln und Lösungen vorzuschlagen, um Tempo zu machen. In der Apotheke im Impfzentrum geht es auch viel zu langsam voran. Ein Vorteil hat das Ganze natürlich: Unsere Team hat alle Nadelöhre erkannt und verbessert. Alle sind sehr gut eingearbeitet und auch die Wochenenden mit der hohen Schlagzahl sind problemlos gelaufen. Natürlich hat das auch in der Apotheke viel mehr Spaß gemacht, der Tag ist nur so verflogen und den Ehrgeiz, das Tempo zu halten, war geweckt.

Auf den Punkt gebracht Es muss jetzt wirklich losgehen und wir sind froh, dass nun auch die Hausärzte mit eingestiegen sind. Die USA impft auf dem Parkplatz, Israel macht Impfpartys - da wird doch Deutschland mit seiner Gründlichkeit auch mal Vollgas geben können. Nicht so viel Bürokratie und Papier wäre gut und mal ein bisschen mehr Mut und Pragmatismus! Her jetzt mit dem Stoff, wir haben lange genug gewartet.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/2021 auf Seite 89.

Sandra Holzhäuser, PTA und Kosmetikerin

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