Probenröhrchen © mbz-photodesign / iStock / Getty Images
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Blutwerte

DAS KLEINE BLUTBILD

Rote Blutkörperchen machen den mit Abstand größten Teil der Zellen im Blut aus. Sie geben ihm seine Farbe und sorgen für den Sauerstofftransport zu den Körperzellen. Durch ihre Untersuchung lassen sich einige Erkrankungen erkennen.

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Die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) haben eine rundliche Form und sind auf beiden Seiten in der Mitte leicht eingedellt. Das ermöglicht ihnen eine bessere Sauerstoffaufnahme, da das Gas über eine größere Oberfläche und einen kürzeren Weg rasch ins Zellinnere gelangen kann. Erythrozyten sind extrem elastisch, sodass sie auch kleinste Blutgefäße passieren können. Auf ihrer Oberfläche tragen sie bestimmte Proteine, mit denen man zum Beispiel die Blutgruppe bestimmen kann.

Hochleistungsmaschine Blutbildung Mit einem Anteil am Gesamtblutvolumen von rund 95 Prozent sind Erythrozyten bei weitem die häufigsten Zellen im Blut des Menschen. Ein gesunder Erwachsener hat etwa 25 Billionen rote Blutkörperchen, wobei er pro Sekunde etwa zwei bis drei Millionen neu bilden muss. Denn Erythrozyten haben keinen Zellkern oder andere Zellorganellen und leben daher nur etwa vier Monate. Danach werden sie in der Milz und der Leber abgebaut und ihre Bestandteile verstoffwechselt. Die Neuproduktion der Erythrozyten findet im Knochenmark statt und wird vom Hormon Erythropoetin (EPO) angeregt, das in den Nieren gebildet wird. Hierbei entwickeln sich aus Stammzellen zunächst Erythroblasten, die noch einen Zellkern haben, den sie aber nach kurzer Zeit verlieren.

Damit werden sie zu Retikulozyten, die dann aus dem Knochenmark ins Blut wandern und dort zu Erythrozyten heranreifen. Der gesamte Prozess von der Stammzelle bis zum fertigen roten Blutkörperchen dauert ungefähr eine Woche. Ein kleiner Teil von Erythrozyten wird zudem in der Milz gelagert. Er kann freigesetzt werden, wenn der Sauerstoffbedarf des Körpers kurzfristig stark ansteigt, wie etwa beim Sport. Erythrozyten sind ein wichtiger Parameter im kleinen Blutbild. Ihre Anzahl, Form und Zusammensetzung kann Auskunft darüber geben, ob eine Mangelerscheinung oder gar eine schwere Erkrankung vorliegt.

Mal hellrot und mal dunkelrot Die rote Farbe, die den Erythrozyten auch den Namen „rote Blutkörperchen“ und dem Blut generell seine Farbe verleiht, beziehen Erythrozyten aus dem Hämoglobin, einem eisenhaltigen Proteinkomplex. Er besteht aus vier Eiweißketten (Globinen), an die jeweils ein komplex gebundenes Eisen-II-Ion gekoppelt ist. Der Komplex trägt den Namen Häm. Jedes Häm kann ein Sauerstoffmolekül binden, sodass ein Hämoglobinmolekül insgesamt vier Sauerstoffmoleküle transportieren kann. Der Sauerstoff wird von den Erythrozyten aufgenommen, wenn sie die Lungenkapillaren passieren. Dann wird er über die Arterien in die kleinsten Gefäße transportiert und freigesetzt.

Auf dem Rückweg über die Venen wird dabei Kohlendioxid aufgenommen, das dann in der Lunge wieder abgeatmet wird. Mit Sauerstoff beladenes Hämoglobin ist hellrot, während sauerstoffarmes Hämoglobin dunkelrot erscheint, daher auch die unterschiedlichen Farben unserer Arterien und Venen. Das Hämoglobin verändert sich auch im Laufe der Entwicklung eines Menschen. So muss fetales Hämoglobin in der Lage sein, wesentlich mehr Sauerstoff aufzunehmen als adultes, weil Föten ihren Sauerstoff aus dem Blut der Mutter erhalten. Hämoglobine können zudem mit Zuckermolekülen reagieren. Anhand des sich daraus ergebenden HbA1c-Werts können Diabetiker erkennen, wie gut oder schlecht ihre Blutzuckerkontrolle in den letzten Monaten war.

Zu viel… Die Erythrozytenzahl (Ery/RBC, red blood count) gibt Aufschluss darüber, wie gut der Körper mit Sauerstoff versorgt ist. Sie ist daher ein wichtiger Parameter im kleinen Blutbild. Bei einem gesunden Mann befinden sich zwischen 4,8 und 5,9 Millionen Erythrozyten in einem Mikroliter Blut, bei einer Frau sind es 4,3 bis 5,2 Millionen. Ein stark erhöhter Erythrozytenwert (Polyglobulie) liegt vor, wenn der Körper aufgrund einer Sauerstoffunterversorgung mehr Blutkörperchen produziert. Das kann etwa der Fall sein, wenn man sich in großen Höhen aufhält oder nach starker körperlicher Anstrengung. Dann produziert der Körper mehr Erythrozyten, um den erhöhten Sauerstoffbedarf des Körpers zu decken – ein Prinzip das man sich auch beim Hormon-Doping mit EPO zu Nutze macht. Raucher haben ebenfalls häufig einen erhöhten Wert. Eine Polyglobulie kann aber auch auf eine Herz-, Lungen- oder Nierenerkrankung hinweisen. Bei einem erhöhten Erythrozytenwert ist das Blut dickflüssiger, es besteht die Gefahr einer Thrombose.

…zu wenig… Ist die Erythrozytenzahl zu niedrig, wird das Blut dünnflüssiger und die Sauerstoffversorgung des Gewebes ist nicht mehr optimal. Die Haut erscheint blass, und meist frieren die Betroffenen auch schnell. Eine niedrige Erythrozytenzahl kann durch eine zu hohe Flüssigkeitszufuhr ausgelöst werden, aber auch durch Mangelerscheinungen, besonders von Eisen-, Folsäure und Vitamin B12, die zur Bildung funktionsfähiger Erythrozyten benötigt werden. Sehr starke Regelblutungen können zum Beispiel zu einem solchen Eisenmangel führen. Die niedrigen Werte haben ihren Ursprung manchmal aber auch in Krebserkrankungen, zum Beispiel können sie ein Hinweis auf Leukämie sein.

…oder deformiert Die roten Blutkörperchen können auch fehlgebildet sein, wie im Fall der Sichelzellenanämie. Ursache ist ein fehlerhaftes Hämoglobin, das bei Sauerstoffmangel auskristallisiert, wodurch die Zellen schrumpfen und die spezielle Sichelform ausbilden. Andere Deformationen von Erythrozyten können hingegen auf massive Mangelerscheinungen oder gar Vergiftungen hinweisen.

Nicht in Panik verfallen Ein kleines Blutbild ist der erste Schritt, um Dysbalancen oder krankhafte Veränderungen zu erkennen. Vor Operationen wird damit zum Beispiel routinemäßig geprüft, ob der Körper einem Eingriff gewachsen ist. Ein kleines Blutbild kann auch beim Hausarzt in regelmäßigen Abständen zur Gesundheitskontrolle eingesetzt werden. Ist ein Wert im kleinen Blutbild auffällig, sind es meist auch die Werte für Hämoglobin sowie den Hämatokrit (Hkt), der den Anteil aller festen Bestandteile im Blut angibt und damit zeigt, wie flüssig es ist. Der Hämoglobin-Referenzwert liegt für erwachsene Männer bei 14 bis 18 g/dl, für Frauen bei 12 bis 16 g/dl.

Beim Hämatokrit betragen die Referenzwerte für Männer 42 bis 50 Prozent, und für Frauen 37 bis 42 Prozent. Als Indiz für Krankheiten sind die Werte allein jedoch nicht aussagekräftig. Ein Abweichen von den Referenzwerten kann, muss aber keine schwerwiegenden Ursachen haben. Es kann aber ein Anlass für weiterführende Untersuchungen sein. Sind Hämoglobin- oder Hämatokrit auffällig, schaut man daher genauer auf andere Werte, die zeigen, ob möglicherweise eine Blutarmut (Anämie) vorliegt. Hierzu zählen in erste Linie das Erythrozytenvolumen (MCV) sowie der durchschnittliche Hämoglobingehalt der Erythrozyten (MCH) und der Anteil des Hämoglobins an der Erythrozytenmasse (MCHC).

Aus der Kombination dieser Faktoren kann der Arzt auf die möglichen Ursachen einer Anämie schließen. So deutet etwa ein erhöhter MCV-Wert, also eine Vergrößerung der roten Blutkörperchen, auf einen Folsäure- oder Vitamin-B12-Mangel hin (makrozytäre Anämie ), während ein erniedrigter MCV-Wert meist für einen Eisenmangel spricht (mikrozytäre Anämie). Ist der MCV-Wert bei auffälligem Hämoglobin- oder Hämatokrit-Wert normal, weist das auf eine Blutung oder eine Nierenerkrankung hin. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/2021 ab Seite 72.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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