Politik

DAS IST DER GIPFEL

Ein Begriff geistert derzeit durch nahezu alle Medien: der Impfgipfel. Die Europäische Kommission hat in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein solches globales Treffen von Verantwortlichen organisiert. Was steckt konkret dahinter?

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Das übergeordnete Ziel des Impfgipfels besteht darin, das Thema Impfung auf hoher Ebene sichtbar zu machen und politisch zu unterstützen. Impfen ist die erfolgreichste Maßnahme im Bereich der öffentlichen Gesundheit – sie rettet jedes Jahr Millionen von Menschenleben. Die EU nimmt eine klare Führungsrolle dabei ein, indem sie sich für das Impfen an sich, sowie das politische Engagement für die Beseitigung vermeidbarer Krankheiten durch Impfstoffe stark macht. Dabei ist die Einbeziehung politischer Führer auf Landes- und Bundesebene sowie von Führungskräften aus Wissenschaft, Medizin, Indus- trie, Philanthropie und Zivilgesellschaft besonders wichtig. Nur so kann der Verbreitung von Fehlinformationen über Impfstoffe wirksam begegnet werden.

Auf den Tagesordnungen der globalen Impfgipfel stehen neue Modelle und Möglichkeiten, um die Entwicklung von Impfstoffen voranzutreiben. Außerdem geht es um die Frage, wie die Immunisierung als Priorität im Bereich der öffentlichen Gesundheit und als universelles Recht verankert werden kann. Mittlerweile haben bereits mehrere Impfgipfel stattgefunden. Neben Kanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn sitzen wechselnde Teilnehmer aus Bund und Ländern in den Runden, darunter Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen verschiedener Länder, Virologen und/oder Epidemiologen.

Wie die jeweiligen Beschlüsse der Impfgipfel in den Bundesländern umgesetzt werden, ist wegen unserer föderalen Struktur (Gesundheit ist Ländersache) jedem Land freigestellt. Über die Ergebnisse werden wir regelmäßig in entsprechenden Fernsehbeiträgen informiert. Der Studie Wellcome Global Monitor über die Einstellungen von Menschen auf der ganzen Welt zu Wissenschaft und großen gesundheitlichen Herausforderungen zufolge halten weltweit 79 Prozent der Menschen Impfstoffe für sicher, und 84 Prozent meinen, dass sie wirksam sind. Der Bericht zum Thema Vertrauen in Impfstoffe in der EU zeigt jedoch, dass die Impfverweigerung in vielen EU-Mitgliedstaaten zunimmt, was weltweit mit mangelndem Vertrauen in die Sicherheit und Wirksamkeit von Impfstoffen einhergeht.

Dieses mangelnde Vertrauen trägt erheblich zu den rückläufigen Durchimpfungsraten bei, die die Sicherung der Herdenimmunität gefährden und zu einem Anstieg verschiedener Krankheitsausbrüche führen. In einer Eurobarometer-Umfrage geben knapp die Hälfte (48 Prozent) der Europäerinnen und Europäer an, dass Impfstoffe ihrer Meinung nach häufig schwere Nebenwirkungen verursachen können, 38 Prozent glauben, dass sie die Krankheiten auslösen können, vor denen sie schützen sollen, und 31 Prozent sind davon überzeugt, dass sie das Immunsystem schwächen können. Diese Zahlen spiegeln auch die verstärkte Verbreitung von Desinformation über Nutzen und Risiken von Impfungen in den digitalen und sozialen Medien wider.

Der Gipfel befasst sich mit drei Hauptthemen:

Vertrauensbildung Es werden Strategien zur Stärkung des Vertrauens in Impfstoffe und zur Verbesserung der Impfmoral und der Durchimpfungsrate entwickelt. Die Rolle und Verantwortung der Medien sowie den Einsatz innovativer Kommunikationsstrategien und -instrumente zur Stärkung des Vertrauens in Impfstoffe durch alle Akteure werden definiert.

Die Magie der Wissenschaft Der Impfstoffentwicklungszyklus muss verkürzt werden. Das ist die größte Herausforderung. Und die Beantwortung der Frage: „Welche Impfstoffe werden benötigt?“ steht im Raum. Wichtig ist die effiziente Nutzung bestehender und neuer Modelle zur Finanzierung der Impfstoffforschung. Daneben aber auch die Förderung der internationalen Zusammenarbeit für eine bessere öffentliche Gesundheit.

Impfschutz für alle und überall Es müssen geeignete Maßnahmen zur Verbesserung des Einsatzes von Impfstoffen und zur Durchimpfung im kommenden Jahrzehnt, auch in prekären Situationen und humanitären Notlagen, ergriffen werden. Große Bedeutung hat die Rechenschaftspflicht aller Akteure auf allen Ebenen für den Erfolg von Impfprogrammen. Die durchgängige Impfung ist der Schlüssel zum Erfolg der flächendeckenden Gesundheitsversorgung.

Forschung auf Hochtouren Gegen SARS-CoV-2 sind innerhalb kürzester Zeit mindestens 131 Impfstoffprojekte angelaufen: Die WHO zählt derzeit 118 – dazu kommen noch mindestens 13 weitere Projekte, die sie noch nicht verzeichnet haben. Die Entwicklung eines Impfstoffs dauert normalerweise viele Jahre – bei COVID-19 ging es viel rascher. Noch nie wurde so schnell an Impfstoffen geforscht wie bei dieser Krankheit. Zehn Wochen nach der Bekanntmachung der genetischen Sequenz des Virus begann schon die erste Phase-I-Studie. Insgesamt sind weltweit über 100 Institute, Unternehmen und Universitäten an der Forschung beteiligt und entwickeln unterschiedliche Impfstofftypen.

In Deutschland befassen sich sehr intensiv viele Wissenschaftler mit der Erforschung der Wirkmechanismen bei den zugelassenen COVID-19-Vakzinen von Astrazeneka, Biontech/Pfizer, Moderna und Johnson & Johnson. Der russische Impfstoff SputnikV befindet sich in der Zulassungsphase. Ist sie erfolgt, stehen dann fünf Impfstoffe gegen COVID-19 zur Verfügung. Allerdings herrscht aber noch immer ein Mangel an ausreichenden Mengen der Impfstoffe. Deshalb können an fast allen Impfstraßen nur sehr viel weniger Menschen geimpft werden als ursprünglich geplant.

Auch die zögerliche Einbindung der Hausärzte ins Impfgeschehen wirkt sich lähmend aus. Unser Land steht aktuell im Vergleich zu anderen Nationen mit knapp über 20 Prozent (Stand 20.4.), die mindestens einmal geimpft sind, im Ranking ziemlich weit hinten.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/2021 ab Seite 56.

Werner Hilbig, Apotheker und Journalist

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