Zwei Goldfische schwimmen durch's Wasser.
Eine Studie an Goldfischen zeigt, dass Bisphenole als Weichmacher Auswirkungen auf die Signalweiterleitung im Gehirn haben. © MirekKijewski / iStock / Getty Images Plus

Bisphenole | Kunststoff

DAS GEFAHRENPOTENZIAL DER WEICHMACHER

Viele Plastikprodukte enthalten Bisphenole als Weichmacher. Für seine gesundheitlichen Risiken ist besonders Bisphenol A (BPA) bekannt. Als besser verträglich galt bislang Bisphenol S (BPS), doch eine Studie an Goldfischen zeigt, dass das nicht so ist.

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Bisphenole sind in einer Vielzahl von Kunststoffprodukten enthalten, um sie vor dem Sprödewerden zu schützen. Besonders verbreitet, aber auch schädlich, ist Bisphenol A (BPA). Schon mehrere Studien konnten zeigen, dass BPA durch eine strukturelle Ähnlichkeit zu Estrogen in den menschlichen Hormonhaushalt eingreift, Entwicklungsstörungen verursachen kann und mit zahlreichen Krankheiten assoziiert ist. Deshalb wurde BPA in Babyschnullern bereits 2011 EU-weit verboten. Als Ersatz dient häufig Bisphenol S (BPS), ein Weichmacher von dem man dachte, er sei weniger schädlich.

Das Gegenteil beweist eine Studie: Das Team um Elisabeth Schirmer von der Universität Bayreuth hat nun an Goldfischen nachgewiesen, dass beide Bisphenole einen schädlichen Einfluss auf das erwachsene Gehirn haben. Die Ergebnisse haben das Team sogar überrascht:

Es hat uns überrascht, wie viele lebenswichtige Hirnfunktionen der Fische durch die in zahlreichen Industriebranchen verwendeten Weichmacher geschwächt werden. Die Schädigungen treten, wie wir zeigen konnten, nicht sofort ein. Aber wenn die Gehirnzellen einen Monat lang geringen Mengen von BPA oder BPS ausgesetzt sind, sind die Schäden unübersehbar.

Die Studie
Die Forscher fokussierten sich auf die sogenannten Mauthnerzellen im Gehirn der Goldfische (Nervenzellen, die für die Fluchtreaktion der Fische verantwortlich sind). In den Mauthnerzellen laufen alle Sinnesreize zusammen und werden schnell und koordiniert verarbeitet. Nur durch eine präzise Abstimmung der eingehenden Signale kann den Fischen die Flucht vor Fressfeinden gelingen. Für ihre Studie setzten Schirmer und Kollegen verschiedene Gruppen von Goldfischen einen Monat lang unterschiedlichen Konzentrationen von BPA und BPS aus. Danach untersuchten sie die lebenden und betäubten Fische, erregten die Mauthnerzellen in ihrem Gehirn durch elektrische, akustische und visuelle Reize, und maßen die Reaktionen.

Das Ergebnis
In einer Konzentration von zehn Mikrogramm pro Liter – das kann so durchaus in der Umwelt vorkommen – beeinflussten sowohl BPA als auch BPS die Weiterleitung von Aktionspotenzialen in den Nervenzellen. Die Weichmacher hatten außerdem auch einen Effekt auf die Verarbeitung von akustischen und visuellen Reizen: Während akustische Signale eine übermäßige neuronale Reaktion hervorriefen, war der Effekt von visuellen Reizen abgeschwächt. Sie störten das Gleichgewicht von hemmenden und erregenden Signalen in der Kommunikation zwischen den Nervenzellen.

Laut dem Forschungsteam seien diese Effekte zum Teil darauf zurückzuführen, dass die Bisphenole eine ähnliche Struktur wie Estrogen haben: Eine Gruppe von Fischen, die sie statt mit BPA oder BPS mit einem Estrogen behandelten, zeigten in weiten Teilen ähnliche Symptome.

Bisher war bekannt, dass Bisphenole Organismen in ihrer Entwicklung stören können. Doch die aktuelle Studie zeigt auch schwerwiegende Auswirkungen auf das erwachsene Gehirn.

Schirmers Kollege Peter Machnik betont:

Vor diesem Hintergrund ist es dringend geboten, dass Wissenschaft und Industrie neue Weichmacher entwickeln, die diese Bisphenole ersetzen können und gesundheitlich unbedenklich sind.

Dabei gilt es, potenzielle Kandidaten schnell auf mögliche Umwelt- und Gesundheitsrisiken zu testen und gegebenenfalls auszusortieren. Auch dabei könnten Untersuchungen an Goldfischen helfen, da die Tests, so die Forschenden, besonders effizient seien. „Zusammen mit ähnlich empfindlichen Testverfahren könnten sie uns den Weg zu den dringend benötigten Weichmachern der nächsten Generation weisen“, fassen sie zusammen.

Sabrina Peeters,
freie Journalistin

Quellen: Wissenschaft.de

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