© DIE PTA IN DER APOTHEKE
© DIE PTA IN DER APOTHEKE

Steckbrief

CUMARIN-DERIVATE

Phenprocoumon und Warfarin sind altbewährte Antikoagulanzien zur Vorbeugung und Therapie thromboembolischer Erkrankungen. Sie sind von den NOAK zum großen Teil verdrängt worden.

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Vitamin-K-Antagonisten, zum Beispiel die Cumarin-Derivate Warfarin und Phenprocoumon, hemmen die Blutgerinnungskaskade. Im Gerinnungssystem spielt der Vitamin-K-abhängige Faktor X/Xa eine wichtige Rolle. Nach Aktivierung entsteht Thrombin, das lösliches Fibrinogen zu unlöslichem Fibrin umwandelt und die Blutplättchen aktiviert. Die Cumarine hemmen in der Leber die Bildung aktiver Gerinnungsfaktoren. Weil die Metabolisierung von Vitamin K in seine aktive Epoxid-Form verhindert wird, können die Gerinnungsfaktoren X/Xa nicht aktiviert werden. So wird die übliche Blutgerinnungskaskade dosisabhängig gestört. Die Bildung thromboembolischer Verschlüsse wird verhindert.

Die gerinnungshemmende Wirkung setzt nach Einnahme mit einer Latenz von 36 bis 72 Stunden ein, da zunächst noch aktivierte Gerinnungsfaktoren im Blut vorhanden sind. Erst nach deren Abbau, stellt sich die Wirkung der Cumarine ein. Weltweit ist Warfarin das häufigste verordnete Vitamin-K-abhängige Antikoagulans, obwohl in Deutschland Phenprocoumon der Vorreiter ist. Die wichtigsten Indikationen sind die Behandlung und Prophylaxe von Thrombosen und Embolien, sowie die Langzeitbehandlung des Herzinfarktes und generell bei thromboembolischen Risiken. Insbesondere Patienten mit künstlicher Herzklappe, Vorhofflimmern und Thrombophilie erhalten Vitamin-​K-Antagonisten.

Nachteilig gegenüber den neuen Nichtvitamin-K-antagonistischen oralen Antikoagulanzien (NOAK) ist das regelmäßige Messen des INR-Wertes, um die Prothrombinzeit zu überwachen. INR steht für die International Normalized Ratio und ist ein standardisiertes Verfahren zur Prüfung des extrinsischen Systems der Blutgerinnung. Es hat den methodenabhängigen Quick-Wert abgelöst. In der Einstellungsphase wird der INR-Wert täglich, später wöchentlich bis monatlich kontrolliert. Dies kann der Patient auch selber vornehmen. Der Patient muss individuell so eingestellt werden, dass die Blutungsneigung nicht zu hoch und nicht zu niedrig ist. Zielwerte liegen üblicherweise zwischen 2 und 3.

Wie stark Phenprocoumon die Gerinnung hemmt, hängt von der Dosierung und individuellen Voraussetzungen des Patienten ab. Auch die Zufuhr von stark variierenden Mengen Vitamin K über die Ernährung hat Einfluss auf die Wirkung. Nahrungsmittel mit hohem Vitamin-K-Ge- halt sind Kohlgemüse, Rind- oder Schweinefleisch. Der Patient sollte große Schwankungen in der Zufuhr vermeiden. Die Cumarine werden nach oraler Einnahme rasch aus dem Magen-Darm-Trakt resorbiert. Im Blut binden sie relativ stark an Plasmaproteine. Die Metabolisierung erfolgt in der Leber hauptsächlich über CYP 2C9 und CYP 3A4, die Ausscheidung über den Urin. Nach Absetzen von Phenprocoumon dauert es etwa eine Woche bis die Hälfte des Wirkstoffes den Körper verlassen hat.

Daher hält auch die antikoagulierende Wirkung entsprechend noch an. Warfarin hat eine kürzere Halbwertzeit und flutet auch etwas rascher an. Cumarine sollten wegen der erhöhten Blutungsneigung einige Tage vor operativen Eingriffen abgesetzt werden. Dies ist bei den NOAK nicht nötig. Bei Vergiftungen oder Überdosierungen mit Phenprocoumon ist Vitamin K das Antidot. In der Schwangerschaft ist Phenprocoumon kontraindiziert und bis etwa drei Monate nach Therapieende sollte erfolgreich verhütet werden. Wechselwirkungen sind mit Hemmstoffen und Induktoren von CYP 2C9 und CYP 3A4 zu erwarten. Wirkungsverstärkung kann zum Beispiel durch Azol-Antimykotika, Makrolide und Amiodaron hervorgerufen werden, während Carbamazepin, Rifampicin und Johanniskraut zur Wirkungsabschwächung führen.

Pharmakodynamische Wechselwirkungen, die das Blutungsrisiko erhöhen, sind mit NSAR, SSRI und oralen Glucocorticoiden möglich. Estrogen/Progesteron-Kontrazeptiva können die Ausscheidung von Phenprocoumon erhöhen, ohne den antikoagulierenden Effekt zu beeinflussen. Eine komplexe Wechselwirkung ergibt sich für Alkohol. Die gelegentliche, akute Aufnahme verstärkt die Wirkung oraler Antikoagulanzien, während die chronische Aufnahme bei Alkoholabusus diese abschwächt. Bei Alkoholabusus und einer Leberinsuffizienz kann es jedoch auch zu einer Wirkungsverstärkung kommen, wenn die Leberenzyme nicht mehr vollständig arbeiten.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/2020 ab Seite 122.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

×