Effektive Therapien

CHRONISCHER SCHMERZ

Schmerzen betreffen jeden dritten Erwachsenen häufig und wiederkehrend. Ziel ist es, dauerhafte Schmerzen zu vermeiden und altersunabhängig wirksam zu bekämpfen.

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Die WHO unterteilt den Schmerz in akut und chronisch. Danach ist der akute Schmerz zeitlich begrenzt und hat eine Warnfunktion, die den Körper zu einer Schutzhandlung zwingt. Hierzu zählen Schnittwunden, Knochenbrüche, Entzündungen und Verbrennungen. Dieser Schmerz klingt wieder ab, wenn die Ursache ausgeheilt ist.

Der chronische Schmerz dauert dagegen mindestens sechs Monate, die Ursache ist meist schon behoben und daher auch nicht mehr therapierbar. Dieser Schmerz hat keine Warnfunktion sondern ist zu einer eigenständigen Erkrankung geworden. Durch dauerhafte Veränderungen von Nervenfasern kann dabei ein Schmerzgedächtnis entstehen, wie bei Phantomschmerzen, Tumorschmerzen, Rückenschmerzen, Nervenschmerzen, Arthrose.

Wahrnehmung von Schmerz Die Beschreibung des Schmerzes hat sowohl körperliche Qualitäten als auch seelische Aspekte. So kann der Schmerz beispielsweise als bohrend, stechend, hämmernd oder ziehend beschrieben werden, aber auch als quälend, unerträglich, grausam und lästig. Leidet der Betroffene unter Schmerzen, kann das zu einem Teufelskreis führen, indem der unbehandelte Schmerz zu Aktivitätseinschränkungen am Tag und schlechterer Schlafqualität nachts führt.

Schmerz bedeutet für den Körper Stress. Es kommt zu Bluthochdruck, einer erhöhten Herzfrequenz, einer geringen Abwehrfähigkeit des Immunsystems und gesteigerter Infektanfälligkeit. Des Weiteren können Fehlhaltungen und Verspannungen folgen, die eine Passivität verursachen, den Schmerz verstärken und in die Isolation führen. Deshalb muss diese Spirale durchbrochen werden, der Schmerz gelindert und die aktive Teilnahme am Leben wieder ermöglicht werden.

Die Intensität kann mittels einer Skala, auf der die Betroffenen den empfundenen Schmerz einordnen, besser eingeschätzt werden. Bei dementen Schmerzpatienten hilft die Dolo Plus Skala anhand von Lautäußerungen, Verhaltensmustern und Mimik einzustufen, wie die Schmerzintensität zu beurteilen ist (www.wund-akut.de/Dokumente/Dolo-Plus_Skala.pdf).

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Das Schmerzempfinden ist individuell sehr verschieden und kann nur von den Betroffenen selbst beurteilt werden. Mit Hilfe eines vielseitigen Therapieschemas kann das im Sozialgesetzbuch Fünf (SGB V) beschriebene, einklagbare Recht auf ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Schmerzbehandlung umgesetzt werden. Im Jahr 2007 wurden gesetzlichen Regelungen zur Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) in das Sozialgesetzbuch V aufgenommen. Damit wurden große Chancen für den Ausbau und die Verbesserung der ambulanten Versorgung für
schwerstkranke und sterbende Menschen in Deutschland eröffnet. Seit dem 18. Mai gibt es in der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung eine Änderungen für die SAPV-Versorgung und Hospize.
Neben der bisherigen personenbezogenen Verordnung wurde jetzt die Grundlage geschaffen, ein patientenunabhängiges Notfalldepot vorrätig zu halten.

Die Schmerztherapie berücksichtigt physische, soziale und psychische Anteile. Daher ergeben sich die drei Therapiesäulen Entspannung, Bewegung und Medikamente. Als Entspannungstherapie kommen Autogenes Training, Qi Gong, Atemübungen oder Muskelentspannung nach Jacobsen zum Einsatz. Der Part Bewegung kann durch Physiotherapie, Physikalische Therapie oder Sport zur Linderung führen. Die medikamentöse Therapie lässt sich in peripher und zentral wirkende Schmerzmittel sowie Komediaktion einstufen. Von der WHO wurde ursprünglich zur Behandlung von Tumorschmerzen ein dreiteiliges Stufenschema erstellt. Inzwischen ist diese Einstufung der Arzneistoffe allgemein anerkannt.

  • Stufe 1 umfasst peripher wirksame Arzneistoffe wie ASS, Ibuprofen, Metamizol, Paracetamol, Flupirtin. Diese wirken schmerzlindernd und bis auf Flupirtin fiebersenkend, außerdem unterschiedlich stark entzündungshemmend.
  • Stufe 2 kennzeichnet zentral wirkende, schwachwirksame Opioide wie Codein, Tilidin und Tramadol. Diese werden individuell dosiert und können bei Bedarf mit Arzneistoffen der Stufe 1 kombiniert werden.
  • Stufe 3 beinhaltet zentral wirksame, stark wirksame Schmerzmittel wie Morphin, Fentanyl, Buprenorphin. Auch diese Gruppe kann mit den Wirkstoffen der Stufe 1 kombiniert werden.

Falls die analgetisch wirksamen Substanzen keinen ausreichenden Erfolg erzielen, dann können Koanalgetika unterstützend eingesetzt werden. Dazu zählen Antidepressiva, Antiepileptika, Muskelrelaxanzien, Kortikoide und Bisphosphonate. Das Ziel ist, mit einem passenden Einnahmeschema eine vorbeugende Schmerztherapie zu ermöglichen, damit weder eine psychische noch eine körperliche Abhängigkeit von Schmerzmittel aufkommt.

Zur Optimierung des Therapieschemas kann zur Dokumentation des Schmerzaufkommens, der Häufigkeit und der Intensität ein Schmerztagebuch geführt werden. Dadurch sollen lang anhaltende Schmerzen vermieden werden und der Entwicklung eines Schmerzgedächtnisses vorgebeugt werden.

Umgang mit Schmerz Nicht zu unterschätzen ist der psychische Einfluss auf Schmerzen. Gut nachvollziehen lässt sich das an einem Beinbruch in verschiedenen Lebensabschnitten. Bricht sich ein junger Mensch ein Bein, dann geht der Alltag so gut wie möglich weiter. Der Patient erfährt Verständnis für die momentane Situation, Zuwendung, Ablenkung und ein Gefühl der Sicherheit. Das wirkt sich lindernd auf den Schmerz aus, bringt Hoffnung und Freude. Trifft dieser Beinbruch eine Person im Altenheim, gepaart mit Angst, Einsamkeit, Sorgen, Depression und dem Gefühl der Abhängigkeit, dann wirken diese Parameter zusätzlich schmerzverstärkend. Folglich sind äußere und innere Ablenkung wichtige Parameter in der Schmerztherapie. Unterstützende Maßnahmen sind aktiv zu bleiben, Stress zu vermeiden, Entspannungsphasen einzubauen und Kontakt zu anderen zu suchen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/11 ab Seite 112.

Dr. Elke Knop-Scheickert, Apothekerin

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