© Die PTA in der Apotheke
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Gefahrstoffe

BOMBENSICHER?

Das fiel auf: Weil ein Mann drei Liter hochprozentiges Wasserstoffperoxid in einem Baumarkt kaufte, um damit angeblich seinen Gartenteich zu reinigen, erstattete die Verkäuferin Anzeige bei der Polizei.

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Und verhinderte damit wahrscheinlich einen Anschlag bei einem internationalen Radrennen in und um Frankfurt. Denn mit dieser riesigen Menge kann man Dutzende von Teichen reinigen – oder ein hochexplosives Gemisch für eine Bombe herstellen, beispielsweise Acetonperoxid, auch bekannt unter dem Kürzel TATP. Die Polizei recherchierte – und fand im Keller des Verdächtigen die restlichen Ingredienzien. Zusammen mit dem auffälligen Verhalten des Mannes, der immer wieder die Strecke des geplanten Radrennens abging, reichte das für eine Verhaftung.

Prozente entscheiden Wasserstoffperoxid kann man in jeder Apotheke kaufen. Jeder Zahnarzt, jeder Allgemeinarzt hat dreiprozentiges H2O2 im Schrank stehen; es wird zur Reinigung und Desinfektion von Wunden benutzt. Doch ab welcher Konzentration gerät Wasserstoffperoxid ins „Zwielicht“, wann muss die PTA nachfragen, wann darf sie gar die Abgabe verweigern? Wie muss sie das Etikett kennzeichnen, an wen darf sie die Chemikalie abgeben?

Um es vorweg zu sagen: Wasserstoffperoxid wird ab zwölf Prozent für den Käufer erklärungsbedürftig. Ein Fall, der häufig vorkommt, ist folgender: Ein Mann in grüner Joppe betritt die Apotheke, verlangt einen Liter dreißigprozentiges Wasserstoffperoxid. Die PTA geht an den Computer, klickt die Gefahrstoffverwaltung an und weiß: Sie muss eine Abgabeerklärung ausdrucken. Dabei wird nach Namen und Adresse des Käufers gefragt, der sich zudem ausweisen muss.

Die PTA notiert alles – auch die Nummer des Personalausweises – auf dem Beleg. Als Verwendungszweck für die Nutzung der Chemikalie gibt der Mann, der sich als Jäger zu erkennen gibt, das Bleichen von Geweihen an. Das erscheint der PTA plausibel und sie notiert es auf der Abgabeerklärung. Sie druckt ein Sicherheitsdatenblatt aus, erklärt den Inhalt – und gibt die Flasche ab.

Plausibel oder nicht Vielleicht wäre der oben genannte Fall in der Apotheke deshalb auch so nicht passiert: Der vollbärtige Mann, der mit seiner voll verschleierten Frau erschien und drei Liter 30prozentiges H2O2 verlangte, zeigte seinen Personalausweis nicht vor, trug eine Adresse ein, die sich hinterher als falsch entpuppte. Und für den Verwendungszweck, den er angab, war die Menge nicht plausibel!

GÜG
Das Grundstoffüberwachungsgesetz listet die überwachungsbedürftigen Grundstoffe auf – gut, wenn eine Liste darüber an einem allgemein zugänglichen Platz hängt. Natriumchlorat, Kaliumchlorat und Kaliumperchlorat dürfen auf keinen Fall an Privatleute abgegeben werden!

Die Abgabe von Chemikalien in der Apotheke kann also ein Minenfeld sein und es ist hilfreich, die Kenntnisse darüber immer wieder einmal aufzufrischen. Drei Begriffe spielen hier eine Rolle, die jede PTA kennen sollte: Das Grundstoffüberwachungsgesetz (GÜG) und das Chemikalienverbotsgesetz (ChemG) sowie die Chemikalienverbotsverordnung (ChemVerbotsV).

Bomben und Drogen Das Grundstoffüberwachungsgesetz regelt den Handel mit Stoffen, die zur Herstellung von Betäubungsmitteln genutzt werden könnten. Es ist in drei Kategorien aufgeteilt. Kaliumpermanganat beispielsweise (Kategorie 2) kann sowohl zur Herstellung von Kokain als auch für den Bombenbau benutzt werden! Kategorie 3 beschreibt Lösungsmittel, die in großen Mengen meldepflichtig werden, wie Aceton oder Salzsäure.

Zu den überwachungspflichtigen Grundstoffen gehören: Ammoniumnitrat, Kaliumchlorat, Kaliumnitrat, Kaliumperchlorat, Kaliumpermanganat, Natriumchlorat, Natriumnitrat, Natriumperchlorat und Wasserstoffperoxid mit einer Konzentration über 12 Prozent. Möchte ein Kunde eine dieser Chemikalien kaufen, muss die PTA nach der beabsichtigten Verwendung fragen.

Achtung: Für die Stoffe Natriumperchlorat, Kaliumchlorat und Kaliumperchlorat gibt es keinen legalen Verwendungszweck für einen Privatabnehmer, die Abgabe ist deshalb zu verweigern!

Harmlose Verwendung? Wird hingegen eine teelöffelgroße Menge Kaliumpermanganat zur Weihnachtszeit nachgefragt, kann man davon ausgehen, dass diese dem Weihnachtsbaum zu Gute kommt. Weihnachtsbäume nadeln nämlich nicht so schnell, wenn man etwas davon in Wasser auflöst und den Stamm hineinstellt… Auch dies gehört zum Verwendungszweck, den die PTA erfragen muss.

Doch es kann vorkommen, dass ihr etwas „komisch“ vorkommt. Das kann an der Person des Käufers oder sonstigen Umständen liegen oder sich aus dem Verkaufsgespräch ergeben. Im Falle des Baumarkt- Kaufes gab die Verkäuferin zu Protokoll, dass der Mann einen auffallenden Vollbart trug und von einer tief verschleierten Frau begleitet wurde. Der Grund für den Kauf einer so großen Menge Wasserstoffperoxids schien ihr nicht ganz schlüssig.

Doch noch etwas hätte die abgebende Person eigentlich stutzig machen müssen: Der Mann hatte keinen Personalausweis dabei. Die Identitätsfeststellung nach § 3, Absatz 1 des Chemikalienverbotsgesetzes ist aber zwingend vorgeschrieben! Wenn der potenzielle Käufer die Identitätsfeststellung verweigert, ist die Vorgehensweise für die PTA eigentlich ganz klar:

Sie gibt die verlangte Chemikalie nicht ab und muss es eigentlich sogar an die zuständige Landesapothekerkammer melden: Angaben zu Ort, Zeit, Grundstoff und der Menge des Ankaufversuchs sowie eine Beschreibung des Kunden. In diesem Fall hat die Baumarkt-Verkäuferin das einzig Richtige getan und den Vorfall außerdem der Polizei gemeldet – leider erst nachdem sie das Wasserstoffperoxid abgegeben hatte.

Die Formalien Geht jedoch alles mit rechten Dingen zu, trägt die PTA folgendes ins Abgabebuch, das jede Apotheke nach § 3, Absatz 3 der Chemikalienverbotsverordnung führen muss, ein: Den Namen und die Anschrift des Erwerbers, die Art und Menge des Stoffes. Sie beschreibt den Verwendungszweck und lässt sich den Erwerb quittieren – das wird gern auf einem gesonderten Empfangsschein gemacht.

Noch ein Wort zu den rechtlichen Vorschriften: Das Chemikaliengesetz (ChemG) bündelt die allgemeine Gefahrstoffverordnung und die Technischen Regeln, die vor allem dem Arbeitsschutz dienen. Es setzt EG-Richtlinien und die so genannte REACH-Verordnung (Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien) in Arbeitsanweisungen um, harmonisiert und vereinfacht die bisherigen Gesetze und Verordnungen in der gesamten EU. Die Piktogramme wurden dazu umgestaltet und teilweise gebündelt.

Die Chemikalienverbotsverordnung (ChemG) gilt für die oben beschrieben Stoffe und betrifft die Abgabe von Gefahrstoffen in Form von konkreten Handlungsanweisungen. Apotheker und PTA verfügen durch ihre Ausbildung über den geforderten Sachkundenachweis, um Gefahrstoffe abzugeben. Diese Sachkunde ist manchmal ganz schön knifflig – und man tut gut daran, die Kenntnisse ab und zu, vielleicht durch einen Blick ins Gefahrstoffmanagement auf dem Computer, wieder aufzufrischen!

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 07/15 ab Seite 64.

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

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