Eine alte Waage mit zwei Waagschalen: links liegen bunte Kapseln gefüllt mit Pellets, rechts Tabletten. Die Waage ist nicht im Gleichgewicht.© View Stock / iStock / Getty Images Plus
Doch nicht so gleich: Bei einigen Bioäquivalenzstudien für Generika-Zulassungen hat ein indisches Unternehmen Vorschriften missachtet.

Bioäquivalenz

EMA EMPFIEHLT GENERIKA-ZULASSUNGEN RUHEN ZU LASSEN

Nach dem Valsartanskandal und Lieferengpässen gibt es erneut Ärger mit Lohnherstellern: diesmal mit einem indischen Unternehmen, das Bioäquivalenzstudien durchgeführt hat, aufgrund derer Generika zugelassen wurden. Die Aufsichtsbehörden plädieren dafür, diese Zulassungen vorerst ruhen zu lassen.

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Lässt ein Hersteller ein Generikum zu, muss er nicht mehr alle Zulassungsstudien durchlaufen, denn für das Originalpräparat sind Wirksamkeit und Sicherheit bereits erwiesen. Der Herstellungsprozess, in dem der Wirkstoff synthetisiert wird, und die Hilfsstoffe im Präparat können sich aber unterscheiden.

Deshalb müssen Generikahersteller die Bioäquivalenz nachweisen, also ob das Nachahmerpräparat im gleichen Umfang und genauso schnell bioverfügbar ist wie das Original. Diese Vergleichbarkeit muss zwischen 80 und 125 Prozent liegen, bei Medikamenten mit enger therapeutischer Breite zwischen 90 und 111,11 Prozent.

Schon früher Probleme bei Bioäquivalenzstudien

Für diesen Nachweis sind sogenannte Bioäquivalenzstudien nötig, bei denen freiwillige Teilnehmer mit zeitlichem Abstand das Original und das Generikum einnehmen. Anschließend werden bestimmte Laborwerte ermittelt. Diese Studien werden häufig aus Preisgründen in Fernost durchgeführt.

Schon mehrfach wurden dort allerdings Vorschriften missachtet. Aufsichtsbehörden wie die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatten dann angeordnet, dass die Zulassung widerrufen wird oder ruhen muss.

Aktueller Fall bei indischer Firma

Nun sind erneut Unstimmigkeit bei Bioäquivalenzprüfungen aufgefallen, und zwar bei der indischen Firma Synchron Research Services. Davon betroffen sind auch Generika deutscher Anbieter, beispielsweise mit den häufig eingesetzten Wirkstoffen Atorvastatin, Metformin und Torasemid.

Die EMA empfiehlt deshalb der EU-Kommission, die Zulassungen von rund 100 Präparaten ruhen zu lassen. Um Lieferengpässe zu vermeiden, darf das BfArM jedoch hinauszögern, wann diese Entscheidung in Kraft tritt.

Diese Wirkstoffe sind von der Empfehlung zur ruhenden Zulassung betroffen:
Alfacalcidol
Atorvastatin
Ezetimib/Simvastatin
Ibuprofen
Ibuprofen/Pseudoephedrin
Metformin
Oxybutynin
Progesteron
Rosuvastatin
Torasemid
Zolmitriptan
Hier finden Sie die vollständige Liste der EMA mit den genauen Präparatenamen und den Namen der Hersteller.

Ausnahmen

Für einzelne Präparate gibt es zusätzlich zu den Daten von Synchron Research Services auch andere, zuverlässige Quellen, die die Bioäquivalenz belegen. Deshalb soll für diese Präparate in Deutschland die Zulassung nicht ruhen:

  • Azithromycin Heumann 250 mg und 500 mg Filmtabletten
  • Dorzolamid Heumann 20 mg/ml Augentropfen
  • Tianesan 12,5 mg Filmtabletten
  • Tramadolhydrochlorid/Paracetamol Stada 37,5 mg/325 mg Filmtabletten

Was ist nochmal eine ruhende Zulassung?

Arzneimittel werden auch dann noch überwacht, wenn sie bereits zugelassen und in den Markt eingeführt wurden, das nennt sich Pharmakovigilanz. In Deutschland gibt es dafür ein Stufenplanverfahren, für das die Arzneimittelkommissionen der Deutschen Apotheker (AMK) als Stufenplanbeauftragte und für die Kommunikation mit den Apotheken zuständig ist. Die zuständige Behörde ist das BfArM.

Stufe 1: Es gibt Hinweise auf mögliche Risiken bei einem Arzneimittel. Der Hersteller muss dem BfArM mitteilen, wie er diese Risiken abwendet.
Stufe 2: Es gibt einen sogenannten „begründeten Verdacht“ auf ein gesundheitliches Risiko durch ein Arzneimittel. Das BfArm hat nun vier Möglichkeiten:

  • Auflagen, etwa Nachbesserungen im Beipackzettel
  • Ruhen der Zulassung
  • Rücknahme der Zulassung
  • Widerruf der Zulassung

Arzneimittel, deren Zulassung ruht, zurückgenommen oder widerrufen wurde, dürfen Sie nicht mehr abgeben. Darüber informiert Sie die AMK in einem Rote Hand-Brief, in der Fachpresse oder auf ihrer Webseite.

Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ruhen-der-zulassung-fuer-zahlreiche-generika-133303/https://www.ema.europa.eu/en/documents/referral/synchron-article-31-referral-list-medicines-concerned-procedure_en.pdf
https://www.abda.de/fuer-apotheker/arzneimittelkommission/ruhende-zulassungen/

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