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Giftpflanzen

BILSENKRAUT – KRAUT DER GIFTMISCHER

Das Bilsenkraut hat zwar tödliches Potenzial. Es verführt aber wegen seines unerträglichen Geruchs und seiner klebrigen Stängel nur selten zum Verzehr. Und vielen ist die Pflanze nicht mehr geläufig.

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Früher war das schwarze Bilsenkraut eine in ganz Europa weit verbreitete Ruderalpflanze. Sie war häufig auf brach liegenden Flächen wie auf Hof- und Lagerplätzen, an Weg- und Straßenrändern oder am Rande von Mauern anzutreffen. Heute ist sie sehr selten geworden und gilt als gefährdete Pflanzenart, da die Standorte zum größten Teil vernichtet wurden. Manchmal sieht man sie noch auf Schuttplätzen.

Unscheinbares Nachtschattengewächs Das schwarze Bilsenkraut ist eine bis zu 60 Zentimeter hohe, ein- oder zweijährige Pflanze aus der Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae), an deren klebrigen, behaarten Stängeln große grob gezähnte Blätter wachsen. Von Juni bis September blüht sie mit schmutzig-gelben Blüten, die mit violetten Adern durchsetzt sind und einen röhrig-glockigen Kelch besitzen. Die eiförmige Frucht ist eine bauchige Deckkapsel, in der circa 200 kleine schwarze Samen reifen, auf die der Artname niger (lat. = schwarz) verweist.

Der Gattungsname Hyoscyamus stammt aus dem Griechischen und bedeutet Schweinebohne, was sich auf die Ähnlichkeit der Samenkapsel bezieht. In den Samen findet sich mit 0,3 Prozent der höchste Gehalt an giftigen Tropanalkaloiden, wovon L-Hyoscyamin und L-Scopolamin die Hauptalkaloide darstellen. Ebenso enthalten die Blätter (0,17 Prozent) und die Wurzeln (0,08 Prozent) die toxischen Inhaltsstoffe.

Toxisches Potenzial Damit ist die Pflanze zwar weniger giftig als die mit dem Bilsenkraut verwandten Nachtschattengewächse Tollkirsche (Atropa belladonna L.) und Stechapfel (Datura stramonium L.). Dennoch können bereits 15 Samen für Kinder tödlich wirken.

Versehentliche Vergiftungen sind heute aufgrund ihrer geringen Attraktivität und ihres abscheulichen Geruches relativ selten. Prinzipiell sind jedoch Verwechslungen mit den Wurzeln der Gartenschwarz- sowie der Pastinakwurzel und mit Mohnsamen möglich. Zudem gehört das Bilsenkraut zu den ältesten Pflanzen, die für Giftmorde benutzt wurden.

Pflanzliches Narkosemittel Die Symptome bei einer Vergiftung sind ähnlich wie bei der Tollkirsche und auf die parasympatholytischen beziehungsweise anticholinergen Effekte der Tropanalkaloide zurückzuführen (sieheArtikel Tollkirsche in Heft 6/2013). Aufgrund des relativ hohen Scopolamingehaltes verfügt das Bilsenkraut zudem über eine narkotische Wirkung, worauf auch die volkstümliche Bezeichnung Schlafkraut zurückzuführen ist.

»Bilsenkraut wird heute nur noch in der Homöopathie und Anthroposophie eingesetzt.«

Die einschläfernden, betäubenden Effekte hat man im Mittelalter medizinisch genutzt. Im 16. Jahrhundert stellte man Schlafschwämme (Spongia somnifera) her. Diese waren mit alkaloidhaltigen Drogen wie Opium, Nieswurz, Alraune, Schierling oder Bilsenkraut getränkt und man legte sie Patienten als Narkotikum vor Operationen auf Mund und Nase. Auch wurde früher Bilsenkraut dem Laudanum, einer opiumhaltigen Tinktur, zugesetzt.

Halluzinogene Rauschdroge Bilsenkraut war außerdem für magische und rituelle Zwecke gebräuchlich. In verschiedenen alten Kulturen war es ein Räuchermittel zur Geisterbeschwörung oder zur Wahrsagerei, was sich auch in den Synonymen Propheten- oder Apollonienkraut, nach Apollo, dem Gott der Wahrsagerei, widerspiegelt.

Ähnlich wie bei der Tollkirsche werden bei Aufnahme der Tropanalkaloide durch die Haut Euphorien, Rauschzustände und Halluzinationen vom Fliegen erzeugt, die so intensiv sind, dass sie als real erlebt werden. Daher zählte auch das Bilsenkraut zum Repertoire der Hexen, die ihre Besen vor ihrem Ritt zum Blocksberg mit Bilsenkrautsamen-haltigen Salben einrieben. Von den halluzinogenen Erfahrungen soll auch der Name Bilsenkraut herrühren, in dem die indogermanische Wurzel bhel steckt, was Fantasie bedeutet.

Ebenso spielt das Synonym Tollkraut auf die Rauschwirkung an, die sich in Tollheit äußert. Die berauschende Wirkung haben sich früher auch die Brauereien zunutzte gemacht, die ihrem Bier Bilsenkraut zur Wirkungsverstärkung beimischten.

Homöopathisches und anthroposophisches Heilmittel Obwohl eine positive Monografie der Kommission E für die Bilsenkrautblätter (Hyoscyami folium) existiert, ist das Bilsenkraut fast obsolet. War es früher bei Epilepsie, Asthma, Schmerzen und Spasmen im Gastrointestinaltraktes gebräuchlich, wird es heute nur noch in der Homöopathie und Anthroposophie regelmäßig eingesetzt. Es gilt als homöopathisches Codein, mit dem ein trockener, unproduktiver Husten gelindert werden soll. Zudem findet es sich in der anthroposophischen Heilkunde in Kombinationspräparaten zur Therapie der Herzinsuffizienz.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/13 ab Seite 92.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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