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Neue Serie: Sport & Gesundheit

BEWEGT IM LEBEN

Sport ist wichtig für die Gesundheit, gut für die Psyche und kann Spaß machen. In unserer neuen Serie zeigen wir, wie Sie Kunden hilfreiche Tipps geben können, um fit zu werden und zu bleiben.

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Stress, Lustlosigkeit oder das gesellschaftliche Umfeld – die Zahl der Sportmuffel und Couch-Potatoes ist seit 2007 von 45 auf 52 Prozent gestiegen. So lautet das Ergebnis einer Studie der Techniker Krankenkasse. Die repräsentative Befragung von etwa tausend Erwachsenen durch das Forsa-Institut zeigt, dass sich die Sportbegeisterten mittlerweile in der Minderheit befinden.

Bedenklich und ernst zu nehmen ist die Tatsache, dass zwei Drittel der Befragten nicht einmal auf eine Stunde Bewegung am Tag kommen, den Weg zum Kopierer mit eingerechnet. Dabei ist körperliche Bewegung enorm wichtig, förderlich für die Gesundheit und kann bei vielen chronischen Erkrankungen die Selbstheilungskräfte des Körpers ankurbeln. Doch viele Menschen überwinden ihren inneren „Schweinehund“ zu spät, wissen oft gar nicht, welche Möglichkeiten ihnen das Gesundheitssystem bietet.

Neue Serie Sie kennen diese Fälle sicherlich auch aus Ihren Beratungsgesprächen. Ein Kunde kommt zu Ihnen in die Apotheke und möchte etwas gegen seine Rückenschmerzen kaufen. Während des Gesprächs wird deutlich, dass der Betroffene die Probleme bereits seit längerem hat, er nicht genau weiß, welchen Sport er machen kann oder machen darf. Wir wollen Ihnen zeigen was es mit Rehasport auf sich hat, welche Anlaufstellen und Kostenträger es gibt, welche Sportarten bei welchen Krankheiten zu empfehlen sind und vieles mehr.

Sichwieder lebendig fühlen Wie Bewegung ein Leben verändern kann, zeigt das Beispiel von Ramona Schneider. Krebs, Knochenschwund, Rheuma – sie hat jede dieser Krankheiten. Familie und Freunde stieß sie aus Verzweiflung zurück, hatte sich bereits aufgegeben. Der Sport aber hat die 46-Jährige zurück ins Leben geholt. Sie wirkt verunsichert, verängstigt, als ihre Rehasport-Trainerin Julia der Gruppe die nächste Übung erklärt.

„Auf einem Bein stehen, das schaffe ich nicht, das mache ich nicht“, ruft sie. Die anderen Teilnehmer beginnen, heben ein Bein, wackeln, starten von vorne. Ramona aber steht verloren inmitten der Gruppe. Die Kursleiterin spricht ihr mit klaren Worten und deutlicher Stimme Mut zu: „Wir schaffen das gemeinsam, ich helfe dir, vertrau mir“. Noch immer verunsichert, hält sich die 46-Jährige mit schmerzverzerrtem Gesicht zaghaft an den Händen der Ausbilderin fest, hebt das rechte Bein, immer höher. Jetzt will sie die Übung zu Ende bringen. Die Trainerin lächelt Ramona an und diese strahlt vor Begeisterung: Geschafft!

Aus dem Nichts Vor fünfzehn Jahren erhielt sie die unerwartete Diagnose akute Leukämie. Damals, im Juni 1999, als sie im sechsten Monat schwanger war, sich mit ihrem Mann Michael und ihrer 1997 geborenen Tochter Lisa auf den gemeinsamen männlichen Nachwuchs freute, kam der schreckliche Befund. Sofort wurde Ramona an die Uniklinik Mainz überwiesen, erhielt über mehrere Tage hinweg eine 24 Stunden Chemotherapie. In der Uniklinik Heidelberg bekam sie mehrere Ganzkörperbestrahlungen.

Am 8. August erhielt sie die nächste schlechte Nachricht. Paul, der noch ungeborene Sprössling, war aufgrund der Chemotherapie an Herzversagen gestorben. Zwei Tage musste sie ihren toten Sohn noch in sich tragen, bevor er mit einem Kaiserschnitt endlich geholt wurde. Bei dieser Operation musste die Gebärmutter herausgenommen werden. Heute ist sie ins Reha-Zentrum gekommen und wartet vor dem Kursraum.

ÜBERBLICK
In unserer Serie „Sport & Gesundheit“ stellen wir Ihnen demnächst folgende Themen vor:
+ Was ist Rehasport? Kostenträger, Anlaufstellen
+ Wer bekommt Rehasport
+ Vorteile von Sport
+ Kraft, Ausdauer, Cardio
+ Wie geht man am besten das Projekt Sport an?
+ Besser Sportverein oder Fitness-Studio?
+ Welche Sportart eignet sich bei welcher Erkrankung?
+ Herzinfarkt

Langsam trudeln auch die anderen Teilnehmer ein. Sie wirkt müde, ihr Gesicht von Schmerzen gezeichnet. Doch sie hat sich aufgerafft, will unter Menschen, freut sich auf die Rehasport-Stunde. Ihr Blick wandert zum Kursraum, die Tür geht auf, es kann losgehen. Sofort nimmt sie sich eine Trainingsmatte, ein Theraband und sucht sich einen Platz in der Nähe der Übungsleiterin. Ungeduldig geht Ramona auf und ab, schaut auf die Uhr, wartet, dass es losgeht.

Leise Töne erklingen und die 46-Jährige beginnt die Schultern zu kreisen. Auch das fällt ihr schwer. Denn Ramona leidet nicht nur an Blutkrebs, sondern auch an Osteoporose. Zwei Jahre nach der Chemo wurde im Rahmen einer Knochendichtungsmessung per Zufall die Erkrankung festgestellt. Sie macht sich bei ihr vor allem im unteren Rücken bemerkbar. „Sie haben poröse Knochen wie eine 80- Jährige“, erklärte ihr Arzt. Die Mediziner vermuten, dass das mit der Gebärmutter-OP zu tun hat. Das habe die Wechseljahre künstlich eingeleitet.

Doch Ramona will sich nicht wie eine alte Frau fühlen. Deshalb besucht sie einmal in der Woche den Sportkurs, auch wenn es an manchen Tagen Überwindung kostet. „Die Schmerzen zermürben einen und ich muss gelegentlich mit mir kämpfen. Ich brauche diese Stunde, denn sie ist speziell auf meinen Rücken abgestimmt. Es tut mir einfach gut. Der Sport hat mich aus meinem seelischen Tief geholt. Ich kann gar nicht mehr ohne“.

Irgendwann war ihr alles zu viel. Nach der Diagnose Krebs und dem Verlust ihres zweiten Kindes zog sie sich immer mehr zurück, ging nicht mehr unter Menschen, igelte sich zu Hause ein, vernachlässigte Freunde. Auch bei ihrem Mann, der ihr immer zur Seite stand, ließ sie keine körperliche Nähe mehr zu. Sie wollte einfach nur noch alleine sein.

Klangvolle Rhythmen Sie bewegt sich gerne zur Musik, mag die Art, wie die Trainerin den Kurs leitet, den Teilnehmern etwas zutraut. Gleich die zweite Übung ist für sie am heutigen Tag eine Herausforderung. Gezielt mit dem Oberkörper nach vorne gehen und den unteren Rücken trainieren. Ramona wartet auf die Anweisungen, führt die Übung langsam aus. In ihrem Gesicht wird deutlich, wie anstrengend diese Aufgabe für sie ist. Doch sie hat sie gemeistert, möchte am liebsten gleich weitermachen. Gerade in diesem Moment fühlt sie sich gut.

»Die Zahl der Sportmuffel und Couch-Potatoes ist seit 2007 von 45 auf 52 Prozent gestiegen.«

Das Jahr 2001 entwickelte sich zu einer Katastrophe. Bei einem Kontrolltermin wurde am nicht entfernten Gebärmutterhals Krebs diagnostiziert. Erneut muss sie sich einer Chemotherapie unterziehen, danach blieb nur noch die Total-Operation. Die Behandlungsmethoden hatten chronische Knochenschmerzen zur Folge, eine häufige Konsequenz bei derartigen Behandlungen. Ende 2001/Anfang 2002 kam noch Gelenks- und Weichteilrheuma dazu. Neben Knochen, Gelenken oder Knorpeln sind in ihrem Fall auch weiche Gewebe wie Muskeln, Bänder oder Sehnen betroffen.

Mittlerweile hat sich Ramona auf die Matte gelegt, nicht weil sie müde wäre, sondern weil jetzt die Bodenübungen an der Reihe sind. Bauchübungen mag sie besonders gern. Ihre schmerzverzerrte Mimik hat sich etwas gelöst, sie wirkt entspannt, fühlt sich sichtlich wohl in dieser Gruppe. „Noch 16 Wiederholungen“, fordert Julia mit einem Lächeln im Gesicht von ihren Teilnehmern. Während einige ihren Unmut darüber lautstark zum Ausdruck bringen, macht Ramona ihre Aufgabe, Wiederholung für Wiederholung. Sie wirkt glücklich.

Pure Willenskraft Auch ihre letzte Krebsdiagnose im Jahr 2006, weißer Hautkrebs, hat sie überlebt. Während einer erneuten Operation wurde ihr das befallene Hautstück entfernt. Seit acht Jahren sind keine weiteren Erkrankungen mehr hinzugekommen. Seit 2011 geht sie wieder halbtags ihrem Beruf als Friseurin nach. Mittlerweile steht Ramona wieder. „Noch eine letzte Übung. Sie wird euch bekannt vorkommen“, erklärt die Trainerin mit einem Schmunzeln. Die 46-Jährige ahnt, welche Aufgabe auf sie zukommt. Es ist erneut der Einbeinstand. „Nicht schon wieder“, sagt sie mit großer Unsicherheit in der Stimme.

Auch dieses Mal ist die Kursleiterin zur Stelle. „Versuch es, du schaffst das. Vorhin hat es doch auch super funktioniert. Ich bin da. Du kannst dich jederzeit an mir festhalten“. Die Trainerin scheint die richtigen Worte gefunden zu haben. Ramona wagt es allein, hebt das rechte Bein, wackelt leicht. Doch sie hält den Blickkontakt mit der Kursleiterin. „Langsam“, sagt Julia, „konzentriere dich und wenn nicht, beginnst du noch einmal von vorne“. Sie lächelt, eine Freudenträne läuft über ihre Wange: Geschafft.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/15 ab Seite 102.

Nadine Scheurer, Redaktion

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