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Pocken

BESIEGTE SEUCHE

Die Pocken waren eine der schlimmsten Geißeln der Menschheit. Allein im 20. Jahrhundert starben mehr als 300 Millionen Infizierte. Doch seit 1980 gilt das Virus offiziell als ausgerottet.

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Pockeninfektionen gab es wahrscheinlich schon vor mehreren Jahrtausenden. So liegen bereits aus der Zeit zwischen 1500 und 1000 v. Chr. Beschreibungen der Erkrankung aus Indien und China vor und Medizinhistoriker deuten eine der im Alten Testament erwähnten zehn ägyptischen Plagen als Pockenepidemie. An der Mumie des im 12. Jahrhundert v. Chr. lebenden Pharao Ramses V. konnten sogar die für Pocken typischen Hauterscheinungen festgestellt werden.

Erstmals in Europa erwähnt wurde die Erkrankung als „Antoninische Seuche“, die ab 165 n. Chr. 24 Jahre lang im römischen Reich wütete. In den folgenden Jahrhunderten wurden die Pocken durch Händler, Seefahrer, Kreuzritter und Konquistadoren in der gesamten alten und neuen Welt verbreitet. Im 18. Jahrhundert schließlich galten die Pocken, auch Blattern genannt, als die häufigste Seuche. Die meisten Menschen erkrankten bereits im Kindesalter daran, weshalb sie ein Hauptgrund für die hohe Kindersterblichkeit in dieser Zeit war.

Gefährlich für Mensch und Tier Pocken werden durch Orthopoxviren ausgelöst. Auslöser für die gefährlichen echten Pocken ist der Variola-Erreger. Unbehandelt stirbt etwa jeder dritte Betroffene an den echten Pocken, während es bei den durch ein verwandtes Virus ausgelösten weißen Pocken höchstens jeder zwanzigste ist. Nach einer durch diesen Erreger verursachten Erkrankung ist man jedoch gegenüber den echten Pocken nicht immun.

Eine seltene, aber besonders aggressive Ausprägung der echten Pocken sind die schwarzen Blattern (Variola haemorrhogica). Hier treten meist schon innerhalb von zwei bis drei Tagen nach der Infektion Blutungen der Haut, der Schleimhäute und der inneren Organe auf, wodurch fast alle Patienten innerhalb weniger Tage versterben. Neben Menschen- gibt es auch Tierpocken, wie etwa Kuh- oder Affenpocken, die ebenfalls durch Varianten von Orthopoxviren hervorgerufen werden. Sie sind auf den Menschen übertragbar, lösen aber meist nur leichte Verläufe der Krankheit aus, wobei die Kuhpocken den Infizierten lebenslang gegen die echten Pocken immunisieren.

DIE ANFÄNGE DER IMPFUNG
Bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts versuchte man sich an einem Vorläufer der Impfung, aber erst 1796 entdeckte der englische Arzt Edward Jenner eine ungefährlichere Art. Damit waren die Anfänge der Pockenvakzination gelegt, die im Laufe der Jahrzehnte immer weiter entwickelt wurde. Nach erneuten großen Epidemien in den 1950er- und 1960er-Jahren entschied sich die WHO zu einer globalen Impfkampagne, die im Jahr 1967 begann. Die Pockenimpfung wurde damit weltweit zur Pflicht, was von einem immensen Erfolg gekrönt war: Bereits 1980, also nur 13 Jahre später, konnte man das Pockenvirus weltweit offiziell für ausgerottet erklären.

Diese Umstand führte dazu, dass Anfang des 19. Jahrhunderts ein Impfstoff gegen die Pocken entwickelt werden konnte – nach wie vor ein Meilenstein der Medizingeschichte. Der Ausdruck „Vakzin“ (ital.: „vacca“ für Kuh) deutet heute noch darauf hin, das die Kuhpocken halfen, die echten Pocken weltweit auszurotten und somit einen endgültigen Sieg über die verheerende Seuche zu erringen.

Hohes Fieber, eitrige Pusteln Pocken werden durch Schmier- oder Tröpfcheninfektion übertragen. Nach einer Inkubationszeit von zwei Wochen zeigen sich typische Grippesymptome, wie Fieber, Abgeschlagenheit, Muskelschmerzen, Schüttelfrost und Halsentzündungen. In dieser Zeit ist der Patient bereits hochansteckend. Erst nach etwa sechs Tagen kommt es jedoch zum typischen Hautbild mit roten Flecken, die zu flüssigkeitsgefüllten Bläschen werden und stark jucken. Später werden aus den Bläschen eitrige Pusteln.

Die Hautausschläge beginnen meist am Kopf, der ebenso wie die Extremitäten am stärksten betroffen ist. Diese Krankheitsphase ist von starkem, treppenförmig ansteigendem Fieber und Delirien begleitet. Die meisten Infizierten versterben in dieser Phase. Ist sie überwunden, trocknen die Pusteln innerhalb von etwa zwei Wochen aus, wobei sie häufig tiefe Narben hinterlassen. Die Krankheit ist jedoch überstanden und man bleibt lebenslang immun. Je nach Verlauf können jedoch auch Schäden am Gehirn sowie Erblindung oder Taubheit zurückbleiben. Ist die Krankheit einmal ausgebrochen, kann man lediglich die Symptome behandeln. Vorbeugen kann nur eine Impfung.

Die Kuhmagd als Lebensretterin Edward Jenner stellte fest, dass die Magd Sarah Nelmes pockenartige Läsionen an ihren Händen entwickelte, nachdem sie die Kühle gemolken hatte. Es handelte sich dabei um die für den Menschen relativ ungefährlichen Kuhpocken. Jenner übertrug Viren von Sarah Nelmes Pusteln auf einen achtjährigen Jungen. Auch dieser erkrankte daraufhin an den Kuhpocken. Nachdem die Krankheit abgeheilt war, impfte Jenner dem Kind echte Menschenpocken ein – und der Junge blieb gesund.

ZUSATZINFORMATIONEN

Gefahr aus dem Labor
Da das natürliche Pockenvirus ausgerottet ist, finden seitdem auch keine Impfungen mehr statt. Sollte das Pockenvirus also noch einmal auftauchen, könnte es wiederum zu Epidemien kommen. Besonders kritisch sehen einige daher die zwei verbleibenden Depots von Pockenviren, eines in den USA und eines in Russland. Vor allen Dingen der Missbrauch als Biowaffe wird gefürchtet. Daher wird seit Jahren über die Vernichtung dieser Pockenviren diskutiert. Doch einige Verantwortliche sehen die Notwendigkeit, die Viren zur Forschungszwecken zu erhalten. Die letzte Abstimmung im Mai 2014 brachte wieder kein einheitliches Ergebnis und da kein neuer Termin festgesetzt wurde, bleiben die Depots zunächst einmal erhalten.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/14 ab Seite 112.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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