Frau isst Lebensmittel, die sie nicht verträgt© Zinkevych / iStock / Getty Images Plus
Menschen, die unter einer Nahrungsmittelallergie leiden, zeigen typische Symptome: Unwohlsein, Übelkeit oder Hautausschlag, oder sogar Atemnot und Anaphylaxie.

Beobachtungsstudie

GERINGERES ANSTECKUNGSRISIKO DANK NAHRUNGSMITTELALLERGIE

Nahrungsmittelallergien sind lästig und können die Lebensqualität der Betroffenen einschränken. In Sachen SARS-CoV-2-Ansteckung könnten sie allerdings von Vorteil sein, wie Forscher nun herausgefunden haben. 

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Menschen, die unter einer Nahrungsmittelallergie leiden, zeigen typische Symptome: Unwohlsein, Übelkeit oder Hautausschlag, oder sogar Atemnot und Anaphylaxie. Oft treten sie bereits nach dem Genuss einer kleinen Menge des auslösenden Lebensmittels auf. 

Forscher haben nun in einer Beobachtungsstudie herausgefunden, dass genau eine solche Nahrungsmittelallergie dazu führt, dass sich Betroffene nur halb so oft mit SARS-CoV-2 infizieren wie Menschen ohne Nahrungsmittelallergie. 
 

HEROS-Studie

Für die Beobachtungsstudie HEROS („Human Epidemiology and Response to SARS-CoV-2“) wurden seit dem 15. Mai 2020 in zwölf US-Städten insgesamt 1393 Haushalte begleitet und untersucht. In einem regelmäßigen Rhythmus von zwei Wochen wurde den 4142 Bewohnern ein Nasenabstrich auf SARS-CoV-2 entnommen. Bei verdächtigen Krankheitssymptomen gab es weitere Tests. Die Teilnehmer der Studie wurden hierfür wöchentlich nach Symptomen gefragt. Durch dieses engmaschige Abfragen und Testen der Probanden liefert die Studie wichtige Informationen über das Infektionsrisiko innerhalb von Familien. 

Die Forscher konnten beobachten, dass das Infektionsrisiko, anders als angenommen, in allen Altersgruppen gleich hoch war. Kinder und Jugendliche infizierten sich genauso häufig wie Erwachsene und wiesen auch eine vergleichbar hohe Viruslast in den Abstrichen auf. Allerdings war das Erkrankungsrisiko deutlich niedriger. Bei Kindern verliefen nur 24,5 Prozent der Infektionen symptomatisch, bei Teenagern betrug der Anteil 41,2 Prozent und bei Erwachsenen sogar 62,5 Prozent. Wirft man einen Blick auf das Ansteckungsrisiko innerhalb der Familie, so war dies bei einer Erkrankung deutlich erhöht. Kranke Teilnehmer steckten ihre Familienmitglieder häufiger an als asymptomatische Personen. 
 

Bei mehr als der Hälfte der Haushalt kam es zu einer zweiten Infektion

Max Seibold und sein Team vom Krankenhaus National Jewish Health in Denver ermittelten eine adjustierte Hazard Ratio (aHR) von 87,39 für eine Ansteckung durch symptomatische Mitbewohner. Zudem konnte gezeigt werden, dass selbst, wenn die infizierte Person keine Symptome hatte, eine erhöhte Ansteckungsgefahr für andere Familienmitglieder bestand. Der Wert lag hier bei aHR 27,80. Insgesamt kam es bei fast 60 Prozent (57,7 %) der Haushalte zu einer zweiten Infektion. 

Aber auch Infektionsherde außerhalb der Familie können das Virus in die Haushalte bringen. Die Schule ist hier eine der ersten Adressen. An den Ergebnissen wurde sichtbar, dass das Ansteckungsrisiko bei einer Familie mit einem Schulkind um 67 Prozent erhöht ist. Es konnte ebenfalls festgestellt werden, dass das Risiko mit dem Alter der Kinder pro Lebensjahr um sieben Prozent anstieg. 
 

Überraschungsergebnis bei Asthmapatienten

Menschen mit Vorerkrankungen, wie beispielsweise Asthma, haben ein erhöhtes Ansteckungsrisiko, könnte man meinen. Doch die Daten der Beobachtungsstudie zeigen ein anders Ergebnis und untermauern somit Ergebnisse von früheren Studien. Die Untersuchung konnte aufzeigen, dass Asthmapatienten kein erhöhtes Infektionsrisiko haben. Ähnlich sieht es bei Ekzemen und Allergien der oberen Atemwege aus. Auch hier konnte kein erhöhtes Risiko festgestellt werden. 

Im Bereich der Nahrungsmittelallergien waren die Werte sogar noch deutlicher, denn Betroffene infizierten sich nur halb so häufig. Die Forscher konnten solche präzisen Aussagen tätigen, da die Beobachtungsstudie in Kohorten durchgeführt wurde, die zuvor auch an Studien zu Allergien teilgenommen hatten. Bei etwa einem Drittel der Fälle lagen den Wissenschaftlern die Ergebnisse zu einem IgE-Nachweis in Blutproben vor. Eine weitere Analyse dieser Subgruppe zeigte das niedrigere Infektionsrisiko auch bei Nahrungsmittelallergien.
 

Hinweise auf allergische Th2-Antwort des Immunsystems

Auf der Suche nach einer Erklärung hat Seibold die allergische Th2-Antwort des Immunsystems im Blick, die in Laboruntersuchungen die Expression von ACE2-Rezeptoren, den Eintrittspforten für SARS-CoV-2 in die Zellen, herabgesetzt hat. Hinweise hierfür hat das Team um Seibold in Laborstudien gefunden. 

Eine weitere Vermutung, die bei Personen mit Nahrungsmittelallergien naheliegt, ist der geringere Besuch von Restaurants. Diese Erklärung konnte allerdings von den Forschern aufgrund der Angaben innerhalb des Fragebogens ausgeschlossen werden. 
Es gibt aber auch bereits etablierte Risikofaktoren, die einen schweren Verlauf von COVID-19 wahrscheinlich machen. Hierunter fällt beispielsweise Adipositas. Wirft man einen Blick in die HEROS-Studie, so ist bei Adipositas auch das Infektionsrisiko erhöht. Erhöht sich der Body-Mass-Index (BMI) um zehn Punkte, steigt auch das Infektionsrisiko um neun Prozent. Hier gehen die Forscher davon aus, dass die durch die Adipositas ausgelöste systemische Entzündung für das erhöhte Risiko verantwortlich ist. 

Quelle: Ärzteblatt

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