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Heilpflanzen

BEERENSTARKE FRÜCHTE

Lange bevor Cranberry bei uns zur Prophylaxe von Harnwegsinfektionen Furore gemacht hat, haben schon die nordamerikanischen Ureinwohner Vaccinum macrocarpon vielseitig eingesetzt.

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Die ursprünglich in den Hochmooren Nordamerikas beheimate Cranberry wird heute großflächig im Norden der USA angebaut. Die Pflanze wächst als flächig kriechender Strauch auf sauren Böden und wird ungefähr 20 Zentimeter hoch. Der Zwergstrauch bildet mit seinen bis zu einem Meter langen Wurzeln und Ranken geschlossene Teppiche. Seine spitz zulaufenden Blätter sind ein bis zwei Zentimeter lang und verbleiben das ganze Jahr über an den Zweigen. Zwischen Juni und Juli blüht Cranberry mit rosa-weißen Blüten, aus denen sich im Herbst rubinrote Beeren entwickeln.

Kranich-Beere Bei den nordamerikanischen Ureinwohnern war die Pflanze unter verschiedenen Namen bekannt, die keine Verbindung zu der heutigen Bezeichnung haben. Erst die europäischen Siedler nannten sie crane berries – was später zu Cranberry wurde –, da die im Wind schwingende Blüte sie an den Kopf eines Kranichs erinnerte. Weniger geläufig ist der deutsche Name Großfruchtige Moosbeere, der auf die rubinroten Früchte Bezug nimmt, welche die Größe einer kleinen Kirsche haben.

Bei uns kursiert Cranberry zudem unter dem falschen Namen Kulturpreiselbeere. Die nordamerikanische Pflanze ist eine Verwandte der Preiselbeere (Vaccinum vitis-idaea) und gehört wie diese zur Familie der Heidekrautgewächse (Ericaceae).

Cranberry darf aber nicht mit dem heimischen Gewächs verwechselt werden, da sie sich nicht nur im Erscheinungsbild und Geschmack unterscheidet, sondern auch andere Inhaltsstoffe enthält. Die Früchte der Cranberry sind zwar auch rot, doch etwa dreimal größer. Zudem schmecken sie im rohen Zustand deutlich herber und saurer als Preiselbeeren und haben ein weißes Fruchtfleisch mit vier Luftkammern, in denen sich die Samen befinden und welche die Früchte erst schwimmfähig machen.

Rotes Meer aus Beeren Die Schwimmfähigkeit der reifen Früchte macht man sich für die Ernte zunutze. Neben der Trockenernte, bei der die Beeren maschinell vorsichtig von den Rispen gekämmt werden, um danach handverlesen als frische Früchte in den Handel zu gelangen, hat sich inzwischen die Nassernte durchgesetzt. Dafür werden die Felder im Herbst mit Wasser geflutet. Anschließend lösen künstlich erzeugte Wasserstrudel die reifen Beeren von den Sträuchern, die dann an der Wasseroberfläche treiben und die Landschaft in eine rote Seenplatte verwandeln. Später werden sie abgefischt und in Fabriken zu Saft, Gelee, Soßen oder Pulver weiterverarbeitet.

Alter Schatz der Indianer Bereits die nordamerikanischen Ureinwohner nutzten Cranberry auf vielerlei Art. Ihre Früchte dienten als Nahrungs-, Pflege- und Heilmittel. Zum einen waren sie Bestandteil der alltäglichen Ernährung. Dafür wurden die Beeren frisch oder getrocknet verzehrt sowie zu Soßen, Pasten und Säften weiterverarbeitet. Zum anderen konservierten die Indianer mit ihnen verschiedene Gerichte, da die in den Cranberries enthaltene Benzoesäure eine lange Haltbarkeit ermöglicht.

Der aus den Beeren gewonnene rote Farbstoff war ein beliebtes Mittel zum Färben von Stoffen und dem Bemalen der Körper. Auch wurde er für rituelle Zwecke eingesetzt. Darüber hinaus schätzen die Medizinmänner Cranberry als Heilmittel. Sie desinfizierten Wunden mit dem Saft und bereiten daraus Umschläge, um Gift aus Pfeilwunden zu ziehen. Später übernahmen die sich im 17. Jahrhundert ansiedelnden Europäer die beliebten Früchte in ihre Rezeptesammlung. Noch heute sind sie Bestandteil des traditionellen Truthahnessens am Thanksgiving Day. Bei den Seefahrern waren die haltbaren, Vitamin-C-reichen Beeren ein begehrter Dauerproviant, der die Besatzung vor Skorbut schützte.

Harnwegsinfekten vorbeugen Die Indianer Nordamerikas hatten der Pflanze bereits positive Effekte bei Blasen- und Nierenleiden zugeschrieben. Ihr Einsatz bei Harnwegsinfektionen hat sich allerdings erst sehr viel später durchgesetzt. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Cranberry genauer erforscht und erste Belege für prophylaktische Effekte folgten in den 1980er-Jahren. Auf einen bereits bestehenden Infekt scheinen sie keinen Nutzen zu haben.

In verschiedenen Untersuchungen wurde demonstriert, dass bestimmte Tannine (Cranberry-Proanthocyanidine) das Andocken von Escherichia coli an den Schleimhäuten der Harnwege verhindern können, sodass bis zu 80 Prozent der uropathogenen Keime keinen Halt mehr in der Blase finden und beim Wasserlassen wieder ausgespült werden, bevor eine Infektion entstehen kann. Allerdings ist bislang noch nicht geklärt, ob alle Patientengruppen profitieren. Eine Metastudie der Cochrane Collaboration belegte bislang nur eine Wirkung bei jungen Frauen. Zudem fehlen allgemein anerkannte Aussagen, welche Zubereitung (Saft, Extrakt) und Dosierung eine Entzündung der Blase zuverlässig verhindern können.

Patienten, die Warfarin oder verwandte Vitamin-K-Antagonisten wie Phenprocoumon einnehmen, sollten vorsichtshalber nicht gleichzeitig größere Mengen an Cranberryfrüchten zu sich nehmen, da es Hinweise gibt, dass dadurch die gerinnungshemmende Wirkung der oralen Antikoagulantien verstärkt werden könnte und es somit zu vermehrten Blutungen kommen kann.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/13 ab Seite 32.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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