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Autoimmunerkrankungen

AUTOIMMUNHÄMOLYTISCHE ANÄMIE

Weil sich Autoantikörper gegen Erythrozyten bilden, werden diese beschleunigt abgebaut. Man unterscheidet Antikörper vom Wärme- und vom Kältetyp. Die Folge ist immer eine Blutarmut.

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Die autoimmunhämolytische Anämie (AIHA) ist selten: Sie kommt bei etwa einer von 40 000 bis 80 000 Personen vor. Im Erwachsenenalter sind Frauen etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer, aber auch Kinder können bereits erkranken. Die AIHA wird danach eingeteilt, bei welcher Temperatur die Autoantikörper am besten an rote Blutkörperchen binden: Bei der Mehrheit der Patienten ist dies bei Körpertemperatur der Fall – in diesem Fall spricht man von einer AIHA mit Wärmeantikörpern. Bei einer Minderheit binden die Antikörper aber besser bei niedrigeren Temperaturen – sie haben eine AIHA mit Kälteantikörpern. Auch gemischte Formen kommen vor. Warum sich die Autoantikörper bilden, ist nicht bekannt.

AIHA mit Wärmeantikörpern Autoantikörper vom Wärmetyp sind fast immer IgG-Antikörper. Sie binden an die Oberfläche der roten Blutkörperchen. Auf diese Weise markiert („opsoniert“) werden die Erythrozyten bei ihrer Passage durch Milz und Leber durch das Monozyten-Makrophagen-System abgebaut. Viele Patienten haben daher eine vergrößerte Milz (Splenomegalie). Den Vorgang der Zerstörung der Erythrozyten bezeichnet man als Hämolyse. Die normale Lebenszeit der roten Blutkörperchen von circa 120 Tagen wird auf diese Weise deutlich verkürzt.

Diesen vermehrten Abbau kann der Körper auch durch eine erhöhte Produktion nicht ausgleichen. Bei etwa der Hälfte der Patienten lässt sich kein Auslöser für die AIHA finden – diese Patienten leiden definitionsgemäß an einer idiopathischen Form. Bei der anderen Hälfte tritt sie als Folge einer Grunderkrankung wie einem systemischen Lupus erythematodes oder malignen Lymphom (Morbus Hodgkin, Non-​Hodgkin-Lymphom) oder als Nebenwirkung von Medikamenten auf.

Klinisches Bild und Diagnose Patienten zeigen die typischen Anämie-Symptome: Sie fühlen sich abgeschlagen und müde, berichten über Herzrasen und Kurzatmigkeit. Bei der körperlichen Untersuchung erscheinen die Schleimhäute blass, Atmung und Herzschlag sind schnell. Die Haut und Schleimhäute können gelblich gefärbt sein. Im Labor finden sich die typischen Hämolysezeichen: Die Zahl der Erythrozyten ist erniedrigt, die Menge des Hämoglobins ebenfalls. Dafür finden sich mehr Retikulozyten (unreife Erythrozyten) im Blut, weil der Körper versucht, den vermehrten Abbau mit einer gesteigerten Produktion auszugleichen. Zudem ist die Blutsenkungsgeschwindigkeit erhöht.

Dies gilt ebenfalls für die Lactatdehydrogenase (LDH) als Zeichen für einen vermehrten Zelluntergang. Als Folge der Hämolyse wird das frei werdende Hämoglobin zu Bilirubin abgebaut. Dieses lässt sich einerseits als erhöhter Wert im Labor nachweisen, andererseits kann die erhöhte Konzentration zu einer Gelbfärbung der Haut und Schleimhäute (Ikterus) führen. Wichtig für den Nachweis einer immunologischen Komponente der Hämolyse ist der direkte Coombs-Test: Hierfür werden Antikörper gegen menschliches IgG und Komplement (C3) zu den Erythrozyten des Patienten gegeben. Haben diese – wie im Fall der AIHA – IgG-Antikörper und/oder C3 auf ihrer Oberfläche gebunden, so kommt es zu einer Agglutination (Zusammenballung) der Erythrozyten. Der Coombs-Test ist dann positiv.

Therapie Sofern vorhanden, ist die zugrundeliegende Erkrankung zu behandeln beziehungsweise das ursächliche Medikament abzusetzen. Darüber hinaus werden vor allem Glucocorticoide eingesetzt. Diese hemmen den Abbau der Erythrozyten und dämpfen das Immunsystem und damit auch die Autoimmureaktion. Wenn Glucocorticoide nicht ausreichend wirken, können Immunsuppresssiva wie Azathioprin, Mycophenolat mofetil, Cyclophosphamid oder Rituximab erwogen werden. Bei chronischen Verläufen kann darüber hinaus eine Entnahme der Milz (Splenektomie) infrage kommen. Unter Umständen werden auch Immunglobulin-Präparate eingesetzt. Bei einer ausgeprägten Anämie können Erythrozytenkonzentrate infundiert werden.

AIHA mit Kälteantikörpern Wie der Name schon sagt, binden die Autoantikörper, die bei einer AIHA vom Kältetyp auftreten, am besten bei niedrigen Temperaturen an Erythrozyten. Es handelt sich um IgM-Antikörper, ihre Bindung führt zu einer Komplement-Aktivierung. Die Folge ist eine Hämolyse meist direkt in den Blutgefäßen (= intravasal). Auch die AIHA vom Kältetyp kann ohne erkennbare Ursache auftreten (idiopathisch). Zudem wird sie nach Infektionen zum Beispiel mit Mykoplasmen oder auch dem Epstein-​Barr-Virus sowie bei malignen Erkrankungen wie einem Non- Hodgkin-Lymphom beobachtet. Bei akutem Verlauf der AIHA nach Infekten entwickeln die Patienten eine akute intravasale Hämolyse, der Harn kann sich durch das ausgeschiedene Hämoglobin dunkel färben (Hämoglobinurie).

Die Patienten zeigen Anämiezeichen und einen Ikterus, im Blutausstrich fällt die Agglutination der Erythrozyten auf. Man spricht deshalb auch von Kälteagglutininkrankheit. Meist heilt eine solche AIHA von selbst aus. Bei der idiopathischen Form und im Rahmen von malignen Erkrankungen verläuft die AIHA vom Kältetyp meist chronisch. Bei Kälteexposition kann es an den Händen, Füßen, Nase und Ohren zu einer Agglutination von Erythrozyten in den Kapillaren kommen: Die Haut färbt sich im Rahmen eines sekundären Raynaud-​Syndroms violett. Es können sogar Ulzerationen entstehen.

Paroxysmale Kältehämoglobinurie bei Kindern Diese Form der AIHA kommt fast ausschließlich bei Kindern unter 13 Jahren vor und wird auch als AIHA vom Donath-​Landsteiner-Typ bezeichnet. Auslöser sind für das Kindesalter typische Virusinfektionen wie Atemwegsinfekte, Masern, Mumps oder Windpocken. Durch Kälte kann es plötzlich und vorrübergehend (paroxysmal) zu einem gesteigerten intravasalen Erythrozytenabbau kommen. Mögliche Zeichen dafür sind Blässe, plötzliche Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Rückenschmerzen, Schüttelfrost, dunkler Urin und Fieber. Meist heilt auch diese Form der AIHA von selbst aus.

Therapie beim Kältetyp Auch bei der AIHA vom Kältetyp gilt es, wenn vorhanden, die Grunderkrankung zu behandeln. Bei vielen chronischen Patienten reicht es aus, wenn sie Kälte vermeiden. Bei schwereren Verläufen können Immunsuppressiva zum Einsatz kommen. Bei einer ausgeprägten Anämie kann auch hier eine Transfusion von Erythrozytenkonzentraten erforderlich sein. Corticosteroide und auch eine Splenektomie helfen beim Kältetyp nicht. Bei einer therapierefraktären und lebensbedrohlichen intravasalen AIHA kann eine Therapie mit Eculizumab in Erwägung gezogen werden. Dieser therapeutische Antikörper bindet das C5-Protein des Komplementsystems und vermindert dadurch die Zerstörung der Erythrozyten.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/19 ab Seite 136.

Dr. rer. nat. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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