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Erfrierungen

ATTACKE DURCH VÄTERCHEN FROST

Eine fiese Kombination: Kälte, Nässe und Wind, mit der Wintersportler oft zu kämpfen haben, können an Haut und Extremitäten großen Schaden anrichten. Wie kann man vorbeugen und wie lassen sich Dauerschäden bei Betroffenen abwenden?

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Bis ins Jahr 1970 galt die fast senkrechte Südwand des 8125 Meter hohen Nanga Parbat in Nordpakistan als unbesteigbar. Dann bezwangen die Südtiroler Geschwister Günther und Reinhold Messner die höchste Steilwand der Welt. Doch der Preis war hoch: Reinhold Messner verlor bei der Übersteigung bei minus 40 Grad drei Fingerkuppen, sieben Zehen mussten amputiert werden – und er verlor seinen Bruder, der beim Abstieg durch eine Lawine ums Leben kam. Erfrierungen sind nicht nur bei Extrem-Alpinisten zu befürchten.

Die Kombination aus Nässe, Kälte, Wind gepaart mit ungeeignetem Equipment und falschem Verhalten sind auch für Wintersportler eine Gefahr, denn auch in den Alpen sind minus 30 Grad im Winter nichts Ungewöhnliches. Kälteschäden drohen aber auch bei moderateren Temperaturen durch den Fahrtwind beispielsweise bei Abfahrten von Skiläufern oder Radfahrern. Auch immer wieder erleiden Obdachlose oder Menschen, die im Eis einbrechen, schmerzhafte Folgen der Kälte.

Der Körper setzt Prioritäten Erfrierungen treten bei Unterkühlung meist an den stammfernen Körperspitzen (Akren) auf, also Fingern, Zehen, Ohren und Nase, aber auch an unbedeckter Gesichtshaut und am Kinn: Kann der Körper bei Kälte seine Temperatur von über 36 Grad nicht mehr halten, stellt er neben dem Muskelzittern zur Wärmeproduktion auch die kleinen Gefäße eng. Dadurch stellt der Organismus sicher, dass die lebenswichtigen Organe im Körperstamm ausreichend versorgt werden und dass der Blutdruck nicht abfällt.

Durch diese Priorisierung werden die Außenstellen jedoch kaum mehr mit Sauerstoff versorgt, der Stoffwechsel im Gewebe ist reduziert. In den Zellen können sich Eiskristalle bilden, die das Gewebe zerstören. Je nach Temperatur und Dauer der Kälteexposition ist nur die Haut betroffen oder auch das darunterliegende Gewebe. Fachleute teilen die Erfrierungen in drei Grade ein zwischen leichten, schweren oberflächlichen und schweren tiefen Erfrierungen.

Schnell handeln bei Erfrierungen
Outdoor:
+ Enge Kleidung öffnen, nasse Kleidung wechseln
+ Helfer sollen Körperteile unter der Achsel oder durch Handauflegen wärmen.
+ Warme Getränke zuführen
+ Sind die Füße betroffen, sollte der Betroffene nicht gehen.

Indoor:
+ Körperteile in körperwarmem Wasserbad (ggf. mit Desinfektionsmittel) auftauen
+ Nichtsteroidale Antirheumatika einnehmen (Ibuprofen)
+ Sterilen Verband anlegen

Während leichte Erfrierungen in der Wärme wieder völlig regenerieren, bleiben schwere Erfrierungen von Grad 2 oder 3 in der Regel nicht folgenlos:

  • Grad 1: Bei leichten Erfrierungen ist die Haut blass und empfindlich. Beim Erwärmen normalisiert sich die Durchblutung wieder, Taubheitsgefühl, Schmerzen und Rötung können auftreten.
  • Grad 2: Hier liegen schwere Erfrierungen vor, die aber oberflächlich blieben. Die weiße Haut erscheint wachsartig und verfärbt sich beim Aufwärmen blau, auch können Blutblasen auftreten. Auch wenn der Schaden reversibel ist, bleibt meist eine erhöhte Kälteempfindlichkeit zurück.
  • Grad 3: Haut und tiefer liegendes Gewebe sind hart gefroren. Die Stellen bleiben nach dem Aufwärmen gefühllos und schwellen an. Blutblasen und Ödeme entstehen, das Gewebe stirbt ab und verfärbt sich später schwarz – möglicherweise stößt es der Körper ab oder es muss amputiert werden.

Frost macht Frust „Wir sind Mängelwesen.“, sagte Messner in einem Interview, „wirklich nicht gut ausgestattet gegen die Kälte“. Ein wenig lässt sich das durch geeignete Kleidung kompensieren, die die Feuchtigkeit des Körpers absorbiert und vor Kälte und Wind schützt sowie Wasser abweist und nach dem Zwiebelprinzip geschichtet ist. Die Kleidung sollte nicht einschnüren und dadurch die Durchblutung behindern, gerade Schuhe dürfen nicht zu eng sein. Ein warmer Skihelm schützt beim Abfahrtslauf, ansonsten eine warme Mütze und eine Kapuze.

Das Wichtigste ist jedoch, dass die Menschen das Risiko beim Bergsteigen oder Skifahren richtig einschätzen und ihr Verhalten entsprechend anpassen. Grundsätzlich neigen Raucher und Menschen mit niedrigem Blutdruck oder Durchblutungsstörungen häufiger unter Erfrierungen und sollten bei Kälte besonders vorsichtig sein. Helfen können ihnen Wärmepads in den Fäustlingen und Schuhen, die Hände und Füße über mehrere Stunden angenehm wärmen. Vorsicht auch beim Kontakt mit Metallflächen wie Ohrringen, Piercings oder eng anliegenden Brillengestellen.

Als gute Kälteleiter können Metalle lokale Erfrierungen hervorrufen. Davor schützt auch Vaseline nicht. Wintersportler sollte deshalb Gold- und Silberschmuck ablegen oder gegen schlechte Kälteleiter wie Titan- oder Kunststoffstecker eintauschen. Alkohol auf der Piste führt nicht nur durch Selbstüberschätzung zur Gefahr, der „Sprit“ erweitert auch die Blutgefäße in der Peripherie und öffnet die Poren. Wärme kann entweichen und der Körper kühlt schnell aus. Wasser, Schorle und Tee (ohne Schuss) sind hingegen ausdrücklich erwünscht. Sie verdünnen das Blut und verhindern, dass sich die Blutblättchen zusammenballen. Auch alkoholfreier Brennstoff im Sinne von energiereicher Nahrung ist beim Wintersport erwünscht.

Diesen Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 11/2021 ab Seite 32.

Dr. Susanne Poth, Apothekerin/Redaktion

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