Ein junger Elefant kratzt seinen Kopf an einem Baum.© Katie_May_Boyle / iStock / Getty Images
Wenn es juckt und juckt, hilft meist nur Kratzen.

Atopische Dermatitis

TROCKENE HAUT UND NEURODERMITIS

Trockene Haut birgt gesundheitliche Risiken. Gleichzeitig können Sie mit einer guten Empfehlung viel erreichen. Auch bei Neurodermitis ist trockene Haut ein Problem. Navigieren Sie Ihre Kunden durch akute und chronische Phasen.

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Neurodermitis ist nicht ansteckend, aber in den letzten Jahrzehnten hat sich die Inzidenz verdreifacht. Vor allem Kinder sind betroffen: in den Industrieländern 15 bis 30 Prozent. Die ersten Beschwerden treten meist im Alter von wenigen Monaten bis vier Jahren auf. Bei zwei Dritteln geht die Symptomatik bis zur Pubertät zurück, wobei die Haut lebenslang empfindlich und trocken bleiben kann. Unter den Erwachsenen sind noch etwa fünf Prozent betroffen.

Neurodermitis wird auch atopische Dermatitis oder atopisches Ekzem genannt. Atopie bedeutet, dass der Körper dazu neigt, krankhaft viele Immunglobulin-E-Antikörper (IgE) zu bilden. Zu den Atopien zählen auch die allergische Rhinosinusitis und Asthma bronchiale. Oft sind Menschen von allen drei Erkrankungen betroffen; dann spricht man von der atopischen Trias. Unter einem Etagenwechsel versteht man, dass Betroffene zuerst Neurodermitis haben und später Heuschnupfen und dann Asthma entwickeln. 

Ursachen für Neurodermitis

Die Ursachen für Neurodermitis sind nicht vollständig geklärt. Die atopische IgE-Fehlregulation ist genetisch bedingt. Atopiker haben außerdem eine durchlässigere Hautbarriere, die auf Mutationen am Filaggrin-Gen zurückgeht. Veränderungen an diesem Strukturprotein machen die Haut durchlässiger für Allergene und erhöhen den transepidermalen Wasserverlust. Außerdem bildet atopische Haut zu wenig Lipide.

Neurodermitis äußert sich meist durch einen Teufelskreis aus Jucken – Kratzen – Sekundärinfektion – verschlechtertem Hautzustand: Durch die gestörte Hautbarriere, die hohen Wasserverluste und die geringe Lipidproduktion ist die Haut empfindlich und trocken. Die hohen IgE-Spiegel setzen aus den Mastzellen vermehrt Allergie- und Entzündungsmediatoren wie Histamin und Leukotriene frei. Die Haut beginnt zu jucken. 

Juckreiz als Symptom – „Nicht kratzen!“

Der in Schüben auftretende Juckreiz löst bei Neurodermitikern Attacken aus, in denen sie die betroffene Stelle kratzen – oft so lange, bis sie ihre Haut verletzt haben. Den Schmerz empfinden sie als weniger schlimm als den quälenden Juckreiz. So entstehen entzündete, nässende oder blutende Areale. Diese sind anfällig gegenüber Sekundärinfektionen durch

  • Bakterien (Staphylokokkus aureus, Streptokokkus pyogenes),
  • Pilze (Pityrosporum ovale oder Malassezia furfur) und
  • Viren (Herpes simplex).

Die gut gemeinte Mahnung „Nicht kratzen!“, die Eltern betroffener Kinder oft aussprechen, lässt sich kaum umsetzen. Manche erwachsene Neurodermitiker zwicken sich aber oder duschen die juckenden Stellen absichtlich zu heiß, um mit dem Schmerz gegen den Juckreiz anzugehen. Schlafstörungen und Konzentrationsprobleme können Folgen des starken Juckreizes sein. Die psychische Belastung, auch durch das Aussehen der Haut, sollte nicht unterschätzt werden – besonders im Jugendalter.

Neurodermitis-Schub: Was triggert den Juckreiz?

Neben der atopischen Veranlagung braucht es für solche Kratzattacken einen Trigger. Welche das für die jeweilige Person sind, ist individuell. Häufig sind es Kleidung aus Wolle oder Synthetikfasern, die die Haut irritieren, außerdem Schweiß, Seife oder lange heiße Bäder, die die Haut austrocknen. Mit zunehmendem Alter gewinnen diese Irritanzien an Einfluss.

Allergene, die die Betroffenen einatmen oder die auf ihre Haut gelangen, können auch einen Schub auslösen. Bei Kleinkindern sind das vor allem Hausstaubmilbenkot und Tierhaare, bei älteren Kindern kommen oft Pollen hinzu. Klima- und Wetterfaktoren können Kratzattacken auslösen, zum Beispiel extreme Kälte, Trockenheit oder Schwüle – auch hier steigt der Einfluss mit dem Alter des Betroffenen. Hinzu kommen Umweltgifte wie Ozon, Abgase und Tabakrauch, außerdem hormonelle Schwankungen und Stress. 

Neurodermitis und Allergien gegen Nahrungsmittel

Der häufigste Trigger eines Neurodermitis-Schubs, schon im Säuglingsalter, ist eine Nahrungsmittelallergie, meist gegen Grundnahrungsmittel. Ein Drittel der Kinder mit Neurodermitis hat auch Lebensmittelallergien. Bei Säuglingen sind das oft Kuhmilch und Hühnereiweiß, bei Kleinkindern zusätzlich Weizen, Soja und Nüsse, später außerdem Meeresfrüchte. Die einzige Abhilfe ist ein Allergietest und das Allergen gegebenenfalls konsequent zu meiden.

Allergien bei kleinen Kindern gegen Hühnereiweiß, Kuhmilch und Weizen verschwinden oft bis zum Schulalter wieder, es empfiehlt sich ein erneuter Test zwei Jahre nach der Diagnose. Allergien gegen Erdnüsse, Haselnüsse und Fisch bleiben hingegen meist bestehen.

Bei Erwachsenen sind es eher Pollen und die entsprechenden Kreuzallergien, die eine Juck-Attacke auslösen: Baum- und Gräserpollen, Äpfel, Karotten und Sellerie zum Beispiel. Seltener als echte Allergien lösen Intoleranzen, etwa gegen Lebensmittelzusatzstoffe oder Tomaten, einen Schub aus. Zucker hingegen triggert die Neurodermitis nicht, auch nicht eine Lactose- oder Fructoseintoleranz.

Typische Stellen

Das atopische Ekzem sitzt meist an typischen Stellen, die sich aber zwischen den verschiedenen Altersgruppen unterscheiden. Bei Säuglingen zeigt es sich eher als nässende Rötungen und juckende Bläschen auf der Kopfhaut, den Wangen, den Kniekehlen und Ellenbeugen. Milchschorf ist oft ein erstes Anzeichen. Bei älteren Kindern sind ebenfalls typischerweise die Kniekehlen und Ellenbeugen betroffen, zudem der Hals. Bei Erwachsenen wechseln die Stellen öfter und können auch an Händen und Füßen auftreten. In allen Altersklassen kann in schweren Fällen der ganze Körper betroffen sein.

Therapieprinzip bei Neurodermitis

Die Therapie der atopischen Dermatitis besteht aus drei Bausteinen:

  • der Basistherapie mit rückfettenden und rehydrierenden Pflegeprodukten, um die Hautbarriere zu stärken,
  • der Vermeidung von Sekundärinfektionen, einerseits durch die Basistherapie, wenn nötig zusätzlich durch antimikrobielle Substanzen,
  • der Linderung von überschießenden Immunreaktionen der Haut, etwa durch entzündungshemmende oder juckreizstillende Wirkstoffe oder bei bestehenden Allergien durch eine spezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung).

Alle Bausteine unterstützen sich gegenseitig. Mit einer starken Barrierefunktion ist die Haut weniger anfällig gegenüber Infektionen und Entzündungstrigger. Ohne Infektionen und Entzündungen funktioniert die Hautbarriere besser, was wiederum neuen Ekzemschüben vorbeugt.

Verordnungen nach ärztlicher Leitlinie

In der S2k-Leitlinie Neurodermitis bewerten Experten aus ärztlichen Fachgesellschaften, Forschungsgruppen und Betroffenenvereinen die verschiedenen Therapieoptionen. Sie teilen Neurodermitis in vier Schweregrade ein.

Bei Stufe 1, der trockenen Haut, reichen eine topische Basistherapie und das Vermeiden von Triggerfaktoren aus.

Ab Stufe 2, leichten Ekzemen, kommen zusätzlich niedrigwirksame topische Glucocorticoide zum Einsatz oder nachrangig die topischen Calcineurininhibitoren Pimecrolimus und Tacrolimus, die das Immunsystem modulieren. Auch eine UV-Therapie ist ab Stufe 2 indiziert, allerdings nur für Erwachsene. Juckreizstillende und antiseptische Wirkstoffe können erwogen werden.

Stufe 3 mit moderaten Ekzemen wird ähnlich behandelt, erfordert statt der niedrigwirksamen aber höher potente topische Glucocorticoide.

Stufe 4 sind entweder bleibende starke Ekzeme oder solche, die auf topisch aufgetragene Arzneimittel nicht ansprechen. Hier verordnen Ärzte zusätzlich systemische immunmodulierende Wirkstoffe. Oral anzuwendende Corticoide kommen in Frage, auch Ciclosporin ist eine Option. Seit 2017 ist der monoklonale Antikörper Dupilumab in der EU gegen Neurodermitis zugelassen, seit 2021 auch Tralokinumab, beide nach strenger Diagnosestellung: nur bei Schweregrad 4, hohem Leidensdruck und wenn andere Therapien versagt haben.

Macht Cortison die Haut dünn?

Oft heißt es, Glucocorticoide würden die Haut dünn machen. Und die meisten Präparate listen Hautatrophie als mögliche Nebenwirkung. Das ist jedoch ein Relikt aus den 1960ern. Damals kamen sehr stark wirksame Corticoide auf den Markt, die entsprechend starke Nebenwirkungen verursachten. Die Wirkstoffe neuer Generationen haben aber ein günstigeres Wirkprofil: weniger antiproliferativ und stärker antiphlogistisch. Auch placebokontrollierte Studien zeigen, dass kein Grund zur Sorge besteht: Die behandelten Hautstellen unterschieden sich nicht von den unbehandelten, die Cortison-Gruppe nicht signifikant von der Kontrollgruppe.

Bei einer bakteriellen Superinfektion kann der Hautarzt außerdem systemische Antibiotika verordnen. Topische Antibiotika wie Fusidinsäure sollen nur kurzfristig angewendet werden. Es gibt auch antimikrobiell wirkende Kleidung, die zum Beispiel mit Silberfäden durchsetzt ist. Für Hausstaubmilbenallergiker empfiehlt sich auch das Encasing, bei dem Matratze, Kissen und Bettdecke in einen Bezug gehüllt werden. Er verhindert, dass Hausstaubmilbenkot aus dem Inneren des Bettzeugs aufgewirbelt und eingeatmet wird.

Topisch angewandte Corticoide werden nach ihrer Wirkstärke in vier Klassen unterteilt (in Auswahl):
 

Klasse 1– schwach wirksam  Dexamethason, Hydrocortison(-acetat), Prednisolon
Klasse 2 – mittelstark wirksam  Betamethasonvalerat 0,05 %, Clobetasonbutyrat, Triamcinolonacetonid, Prednicarbat
Klasse 3 – stark wirksam Methylprednisolonaceponat, Mometasonfuroat, Betamethasonvalerat 0,1%, Fluticasonpropionat
Klasse 4 – sehr stark wirksam Clobetasolpropionat

 

Außerdem gibt es noch den therapeutischen Index, der Wirkungen und Nebenwirkungen der Substanzen ins Verhältnis stellt. Ein günstiges Verhältnis haben Prednicarbat, Prednisolon und Mometason.

Was können Sie Apothekenkunden leitliniengerecht empfehlen?

Für die folgenden Stoffe gibt die Leitlinie zwar an, dass kontrollierte Studien fehlen, um ihre Wirksamkeit zu beurteilen, dass die klinische Erfahrung aber gute Ergebnisse erzielt hat. Sie ersetzen die antientzündliche Therapie nicht, können aber ergänzend angewendet werden.

Polidocanol lindert Juckreiz, zum Beispiel in Form von Sprays, die auch durch ihre Verdunstungskälte sehr angenehm sind. Gerbstoffe, etwa Tannine, Extrakte aus Eichenrinde oder Hamamelis, Schwarz- oder Grüntee oder auch synthetischen Ursprungs, wirken mit ihren adstringierenden Eigenschaften dem Juckreiz entgegen, außerdem schmerzlindernd, antibakteriell, antimykotisch und mastzellstabilisierend.

Zink kann als Bestandteil von Basistherapeutika empfohlen werden. Schieferöle (Bituminosulfonate) und Steinkohleteer sollten durch den Dermatologen und nur ausnahmsweise erwogen werden.

Im schweren, akuten Neurodermitis-Schub können orale H1-Antihistaminika wie (Levo-)Cetirizin und (Des-)Loratadin den Juckreiz lindern. Von topischen Anwendungsformen, H2-Antihistaminika, Ketotifen und Mastzellstabilisatoren wie Cromoglicinsäure rät die Leitlinie hingegen ab.

Eine gute Basis: Pflege in schubfreien Intervallen

Eine hochwertige und individuell passende Basispflege stärkt die Hautbarriere, verlängert die schubfreien Phasen und verkürzt akute Neurodermitisschübe. Auch in den chronischen, nichtakuten Intervallen ist die atopische Haut, trocken, verhornt und neigt zu Einrissen. Sie benötigt dann eine Wasser-in-Öl-Emulsion (W/O), die rückfettet und vor Feuchtigkeitsverlust schützt.

Im akuten Schub und bei heißen oder schwülen Wetterbedingungen sind O/W-Lotionen zu bevorzugen, da sich unter fetthaltigen Cremes und Salben die (Entzündungs-)Wärme staut, die die Haut zusätzlich reizt und den Juckreiz verstärkt.

Besonders geeignet sind Produkte mit Nachtkerzen- oder Traubenkernöl mit ihren Omega-6-Fettsäuren, die die Hautbarriere stärken. Glycerol und Harnstoff binden Feuchtigkeit in der Haut, Harnstoff wirkt zudem der Verhornung entgegen. Er kann im akuten Schub allerdings brennen, deshalb sollten Neurodermitiker, die sich für eine harnstoffhaltige Basispflege entscheiden, ein zweites, harnstofffreies Produkt für akute Phasen bereithalten. Mikronisiertes Silber wirkt antimikrobiell und ist somit gut geeignet, Infektionen mit Staphylococcus aureus vorzubeugen.

Zur Reinigung empfehlen sich seifenfreie, pH-hautneutrale Syndets mit zugesetzter Lipidkomponente oder Reinigungsöle, außerdem moderate Wassertemperaturen. Auch das Waschen allein mit Wasser ist empfehlenswert, um die Hautbarriere nicht zu stören.

In der chronischen Phase sind Vollbäder nicht empfehlenswert. Sie weichen die Haut auf, trocknen sie aus und schwächen ihre Barriere. Im akuten Schub jedoch können tägliche, nicht zu heiße Bäder mit Ölzusatz den Juckreiz lindern. Anschließend wird die Haut vorsichtig trockengetupft.

Tipps für den Alltag mit Neurodermitis

+  Kratzende Textilien können die Haut reizen. Kleidung sollte deshalb aus glatten, weichen und atmungsaktiven Naturfasern wie Baumwolle oder Seide bestehen, die zudem Schweiß vom Körper wegtransportieren.
+ Für Kinder gibt es Pyjama-Overalls mit Handschuhen, sodass sie sich nicht versehentlich im Schlaf kratzen.
+ Statt zu kratzen kann man den Juckreiz mit anderen Sinnesreizen lindern. Am effektivsten ist Kühlung, zum Beispiel mit Kühlmanschetten oder speziellen kühlbaren Metallrollern. Auch einen Massage-Igelball über die Haut zu rollen kann helfen.
+ Die Fingernägel sollten kurz gehalten und rundgefeilt werden. Einige erwachsene Neurodermitikerinnen tragen Gelnägel, da sie vorne abgerundet sind und beim Kratzen weniger Schaden anrichten.

Meist haben Betroffene eine ganze Auswahl verschiedener Basis- und Akutpflegen im Schrank stehen, mit denen sie auf den aktuellen Zustand ihrer Haut eingehen. In der Regel probieren sie sich auch durch die Produkte verschiedener Hersteller, bis sie eines finden, bei dem keine Unverträglichkeiten auftreten und mit dessen Haptik und Geruch sie sich anfreunden können.

Hohe Kostenbelastung

Für Kinder bis zwölf (bzw. bis 18 bei Entwicklungsstörungen) Jahren zahlt die gesetzliche Krankenkasse die Basispflege, dennoch „tragen die betroffenen Patienten und Familien eine nicht unbeträchtliche zusätzliche private Kostenbelastung“, wie es in der Leitlinie heißt. Dabei zeigen Betroffene mit deutlich eingeschränkter Lebensqualität meist eine höhere Zahlungsbereitschaft.

Hier können Sie Ihren Kunden einen echten Service erweisen, indem Sie nach dem Beratungsgespräch erst einmal Produktpröbchen mitgeben. Falls Sie von einem Produkt, das Sie gern empfehlen, keine Proben vom Hersteller beziehen können, ist es eine Überlegung wert, eine Packung abzuschreiben, hinter der Kasse aufzubewahren und bei Bedarf kleine, etikettierte Kruken als Tester zu befüllen. 

„Trockene Haut und Neurodermitis”

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