Eine schwarz-weiß-karierte Fahne wird geschwungen.
Erneuter Startschuss: Seit heute darf das AstraZeneca-Vakzin wieder verimpft werden. © Ljupco / iStock / Getty Images Plus

Impfstopp | Nutzen-Risiko-Einschätzung

ASTRAZENECA WIRD WIEDER VERIMPFT – IDEE FÜR THROMBOSE-URSACHE

Grünes Licht für den Impfstoff von AstraZeneca: Die European Medicines Agency (EMA) als zuständige Behörde der EU hat das Vakzin noch einmal auf den Prüfstand gestellt. Jetzt wird der Impfstopp in Deutschland wieder aufgehoben.

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Entwarnung: Die EMA sieht die Vorteile des Vakzins als deutlich größer an als die Risiken. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte auf Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) die Impfungen mit dem Präparat in Deutschland am Montag vorerst gestoppt. Auch andere Länder setzten die Impfungen aus. Am Donnerstagabend gab Spahn wieder grünes Licht für das Vakzin.

Was hat es mit den Thrombosen überhaupt auf sich?
Es handelt sich bei den Sinusvenenthrombosen um Blutgerinnsel in Hirnvenen. 13 Fälle sind im Zusammenhang mit einer Impfung in Deutschland inzwischen gemeldet. Drei endeten tödlich. Zwölf Frauen und ein Mann zwischen 20 und 63 Jahren erlitten eine solche Thrombose. Das ist nur ein kleiner Bruchteil der insgesamt 1,78 Millionen Menschen, die AstraZeneca mittlerweile laut Robert Koch-Institut (RKI) erhalten haben. Doch diese sonst auch auftretenden Thrombosen sind statistisch gesehen sonst noch seltener zu erwarten.

Wie kommt es zu diesen seltenen Sinusvenenthrombosen?
Ein Greifswalder Wissenschaftler hält nach Angaben der Universitätsmedizin Greifswald (UMG) wie auch andere Forscher weltweit einen bestimmten Mechanismus für die Ursache der möglichen Thrombose-Fälle nach einer AstraZeneca-Impfung. Demnach könnten in seltenen Einzelfällen über die Immunantwort des Körpers die Blutplättchen aktiviert werden, was wiederum zu den schwerwiegenden Hirnvenenthrombosen mit Blutplättchenmangel führen könnte.

Wie sieht die EMA den Impfstoff?
Die Europäische Arzneimittelbehörde hat das Präparat von AstraZeneca nie negativ bewertet - aber nach dem vorläufigen Stopp noch einmal überprüft. EMA-Chefin Emer Cooke teilte am Donnerstag in Amsterdam nach einer Sondersitzung des Sicherheitsausschusses mit:

Der Impfstoff ist sicher und effektiv gegen COVID-19, und die Vorteile sind wesentlich größer als die Risiken.

Es gebe keine Hinweise darauf, dass die Impfungen die Vorfälle verursacht hätten. Dennoch sei es nicht ausgeschlossen. Daher würden die Prüfungen und Studien auch fortgesetzt. Experten der EMA hatten alle Daten der Fälle gemeinsam mit dem Hersteller des Impfstoffes, Experten für Bluterkrankungen sowie Gesundheitsbehörden geprüft.

Klaus Cichutek, Präsident des PEI, meinte dazu am Donnerstag nach der Entscheidung der EMA: „Insgesamt kann man sagen, dass damit die Information für die Impfwilligen da ist. Es ist klargestellt, es handelt sich um ein sehr seltenes Ereignis, und es ist klargestellt, dass insofern die Impfungen weiterhin ein positives Nutzen-Risiko-Profil tragen und weitergeimpft werden kann.“

Was soll nun geschehen?
Der Impfstoff soll mit einer Warnung versehen werden, dass er in möglichen seltenen Fällen Thrombosen an Hirnvenen bei Frauen unter 55 Jahren verursachen könnte. In Deutschland soll es möglichst an diesem Freitag schon wieder losgehen können mit den Impfungen mit dem AstraZeneca-Vakzin, kündigte Spahn in einer mehrfach verschobenen und dann kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in seinem Ministerium an. Die Bundesländer stehen in den Startlöchern.

Eilsache
Beim Impfen gibt es einen Wettlauf gegen die Zeit: Eine dritte Corona-Welle zeichnet sich deutlicher ab. Das RKI schätzt das Wachstum als exponentiell ein. Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner stieg erneut. Bundesweit lag diese Sieben-Tage-Inzidenz laut RKI am Donnerstag bei 90 - und damit erneut höher als am Vortag (86,2). Die Gesundheitsämter meldeten dem RKI binnen eines Tages 17 504 Corona-Neuinfektionen - gut 3000 mehr als am Donnerstag der Vorwoche.

Warum hatte Spahn die Impfungen nicht gleich weiterlaufen lassen? Den Anfang machte vergangene Woche Dänemark mit der Aussetzung der Impfungen. Nachdem es in Deutschland zu einigen Thrombosefällen kam, riet am Montag auch das PEI zu diesem Schritt. Zu auffällig waren für die Experten die Fälle nach den Impfungen. Spahn selbst sagt, der Impfstopp sei richtig gewesen. Nutzen und Risiken seien abgewogen worden.

Wichtig für das Vertrauen ist jedoch die informierte Entscheidung, das informierte Impfen.

Spahn sagte, das vorsorgliche Aussetzen sei notwendig gewesen, um Sicherheit zu bekommen. Ärzte ohne diese Informationen weiterimpfen zu lassen, wäre schwer zu verantworten gewesen. Mit Wiederaufnahme der Impfungen gelte es jetzt, die vier seitdem vergangenen Tage aufzuholen. Nun sollen Ärzte und Patienten auf Aufklärungsbögen über die Thromboserisiken informiert werden - solange die nicht gedruckt sind, können Ärzte diese Infos auch handschriftlich ergänzen, wie Spahn ankündigte.

Quelle: dpa

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