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Politik

ARZNEIMITTELTHERAPIESICHERHEIT 4.0

Die Einführung des Medikationsplans ist das bisher wichtigste Ergebnis der drei Aktionspläne des BMG zur Arzneimitteltherapiesicherheit. Der vierte Aktionsplan setzt die Anstrengungen mit einem Maßnahmenbündel fort.

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Anlässlich der Beratung des Aktionsplans zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit in Deutschland für die Jahre 2016 bis 2019 durch das Bundeskabinett unterstrich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe in einer Pressemitteilung die Bedeutung von Arzneimitteln im Heilungsprozess.

In der Tat gehören sie zu den wirksamsten Instrumenten ärztlicher Behandlung und tragen zu den Erfolgen der modernen Medizin maßgeblich bei. In deutschen Apotheken stehen fast 50 000 verschreibungspflichtige und etwa 20 000 nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Verfügung.

Fakt ist aber auch, dass Nebenwirkungen von Arzneimitteln sowohl im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs als nicht vermeidbare schädliche Reaktion als auch als Folge von Medikationsfehlern auftreten. Man schätzt, dass pro einhundert ambulanten Patienten mit Arzneimitteltherapie jedes Jahr sieben vermeidbare unerwünschte Nebenwirkungen auftreten. Das sind sieben unerwünschte Nebenwirkungen zu viel.

Begriffsdefinition Unter Arzneimitteltherapiesicherheit beziehungsweise AMTS versteht man die Gesamtheit der Maßnahmen zur Gewährleistung eines optimalen Medikationsprozesses mit dem Ziel, Medikationsfehler und damit vermeidbare Risiken für den Patienten bei der Arzneimitteltherapie zu verringern. Ein Medikationsfehler ist ein Abweichen von dem für den Patienten optimalen Medikationsprozess, das zu einer grundsätzlich vermeidbaren Schädigung des Patienten führt oder führen könnte.

Medikationsfehler können grundsätzlich jeden Schritt des Medikationsprozesses betreffen und von allen Angehörigen eines Gesundheitsberufes sowie von Patienten, deren Angehörigen oder Dritten verursacht werden. Auch wenn die nicht adäquate Verordnung von Arzneimitteln unter den Medikationsfehlern sicherlich eine besondere Bedeutung für vermeidbare Nebenwirkungen hat, sind sie an vielen Stellen möglich.

Entsprechend facettenreich muss das Maßnahmenbündel sein, will man den sicheren Umgang mit Arzneimitteln erreichen, damit diese gut wirken können und unerwünschte Neben- und Wechselwirkungen verhindert werden. Nicht verwunderlich also, dass die drei bisherigen Aktionspläne zur Arzneimitteltherapiesicherheit viele Bausteine enthalten.

Bisherige und neue Maßnahmen Die drei bisherigen Aktionspläne zur Arzneimitteltherapiesicherheit haben seit 2008 wichtige Beiträge zur Verbesserung auf diesem Gebiet geleistet. Dazu gehört eine Öffnung der Datenbanken der Bundesoberbehörden zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) im Internet.

Die vierteljährliche Herausgabe des Bulletins zur Arzneimittelsicherheit durch BfArM und PEI als Printund Onelineversion zu aktuellen Aspekten der Risikobewertung von Arzneimitteln dient dem Ziel, die Kommunikation möglicher Risiken von Arzneimitteln zu verbessern und die Bedeutung der Überwachung vor und nach der Zulassung (Pharmakovigilanz) in den Blickpunkt zu rücken.

Die Bereitstellung eines Patientenmerkblatts mit Tipps für eine sichere Arzneimitteltherapie unter anderem über öffentliche Apotheken und entsprechende Poster für Arztpraxen und Apotheken sollte Patienten für das Thema AMTS sensibilisieren. Fest etabliert sind zwischenzeitlich auch Kongresse für mehr Patientensicherheit bei medikamentöser Therapie. Diese und weitere Maßnahmen haben wichtige Beiträge zu Verbesserungen auf dem Gebiet der AMTS geleistet. Das vielleicht wichtigste Ergebnis ist die Einführung des bundeseinheitlichen Medikationsplans.

Seit Oktober hat jeder Versicherte, der mindestens drei verordnete Arzneimittel anwendet, Anspruch auf einen Medikationsplan in Papierform. Gerade für ältere, chronisch und mehrfach erkrankte Menschen ist das sicherlich eine große Hilfe und bringt die Patientensicherheit in Deutschland ein Stück weiter voran. Ab 2018 soll der Medikationsplan auch elektronisch von der Gesundheitskarte abrufbar sein.

Der neue „Aktionsplan 4.0“ für die Jahre 2016 bis 2019 erfindet das Rad nicht neu, sondern schreibt die Anstrengungen zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit fort und umfasst mehr als drei Dutzend Maßnahmen mit folgenden thematischen Schwerpunkten:

  • Sensibilisierung von Patienten, Ärzten, Apotheke(r)n, Pflegenden und der Öffentlichkeit für vermeidbare Risiken der Arzneimitteltherapie
  • Verbesserung der Informationen über Arzneimittel, Kennzeichnung von Arzneimitteln
  • Dokumentation der Arzneimitteltherapie und Messung der Arzneimitteltherapiesicherheit
  • Strategien zur Verbesserung der Sicherheit des Arzneimitteltherapieprozesses
  • Forschung im Bereich der Arzneimitteltherapiesicherheit
  • Organisation der Umsetzung und Fortschreibung des Aktionsplans.

Konkret sieht der neue Aktionsplan nach der gesetzlichen Etablierung des Medikationsplans im Rahmen des E-Health-Gesetzes die Entwicklung eines Merkblatts für Patienten zur Handhabung des bundeseinheitlichen Medikationsplans vor. Es soll insbesondere das Verständnis von Inhalt und Zweck des Medikationsplans verbessern. Adressiert wird im neuen Aktionsplan auch der Bereich der Selbstmedikation: Aus der Kombination nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel mit verordneten können vermeidbare, unter Umständen auch lebensbedrohliche Risiken entstehen.

Nicht immer werden Arztpraxen oder Apotheken aufgesucht, bevor Erkrankte nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel anwenden. Deshalb sieht der Aktionsplan für die nächsten drei Jahre als Ziel auch eine Sensibilisierung der Patienten für mögliche Risiken durch Selbstmedikation vor.

Ein entsprechendes Merkblatt soll erarbeitet werden und könnte ein guter Anknüpfungspunkt sein, mit Apothekenkunden über Arzneimitteltherapiesicherheit ins Gespräch zu kommen. Zudem wird das Bundesministerium für Gesundheit in den kommenden Jahren finanzielle Mittel unter anderem für den Aufbau einer Datenbank zur Dosierung von Arzneimitteln für Kinder und eine Medikationsplan- App für Sehbehinderte zur Verfügung stellen.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 11/16 ab Seite 114.

Dr. Michael Binger, Hessisches Ministerium für Soziales und Integration

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