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Psychische Störungen

ARZNEIMITTEL FÜR DIE SEELE

Lange Zeit galten psychische Erkrankungen als nicht behandelbar. Erst Mitte des letzten Jahrhunderts begann die therapeutische Ära der Psychopharmaka, welche einen Wandel in der Psychiatrie nach sich zog.

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Eine veränderte Übertragung von Neurotransmittern an den Synapsen ist die Ursache vieler psychischer Erkrankungen. Entweder sind die postsynaptischen Rezeptoren verändert oder die Botenstoffe werden in falschen Mengen abgegeben. Auch die Inaktivierung der Transmitter kann gestört sein. Um ihre Konzentration zu beeinflussen, gibt es zwei Möglichkeiten: Beim Agonismus werden die Effekte der Substanzen verstärkt. Im Gegensatz dazu bezeichnet man die Hemmung der synaptischen Übertragung als Antagonismus.

Agonistische Effekte lassen sich durch folgende Prinzipien herstellen:

  • Erhöhung der Produktion des Transmitters k Hemmung der Inaktivierung des Botenstoffes
  • Fördernde Maßnahmen der nachgeschalteten Signalübertragung
  • Verstärkung der Freisetzung der Transmitter
  • Steigerung der Sensibilität der postsynaptischen Rezeptoren
  • Unterstützung der postsynaptischen Rezeptoren durch Stoffe, die dem Transmitter ähnlich sind. Antagonistische Wirkungen werden durch die Umkehrung dieser Prinzipien erzielt.

Antidepressiva Sie haben einen stimmungsaufhellenden Effekt. Viele werden auch bei Ess-, Angst- oder Zwangsstörungen verordnet. Zu den trizyklischen Antidepressiva gehören Substanzen wie Amitriptylin, Imipramin oder Clomipramin. Sie hemmen die Wiederaufnahme von Dopamin, Noradrenalin und Serotonin. Die Wirkung tritt nach etwa ein bis drei Wochen ein. Je nach verabreichter Arznei kommt es zu sedierenden oder antriebssteigernden Resultaten.

Tetrazyklische Antidepressiva weisen strukturelle Parallelen zu den Trizyklischen auf. Man geht bei dieser Substanzgruppe von geringeren anticholinergen Einflüssen aus. Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer beschränken sich auf die Manipulation dieses einen Transmitters. Hierzu zählen Fluoxetin, Citalopram, Sertralin, Escitalopram und Paroxetin. Sie haben neben der antidepressiven Wirkung einen stimulierenden Effekt, was in Bezug auf eine mögliche Suizidalität beachtet werden muss. Auch bei Ess- oder Zwangsstörungen und bei einigen Angsterkrankungen sind diese Substanzen wirksam.

MAO-Hemmer blockieren das Enzym Monoaminooxidase, welches den Abbau von Aminen (u. a. Serotonin, Dopamin oder Noradrenalin) fördert. Es gibt zwei MAO-Enzymtypen. Man unterscheidet selektive MAOHemmer und solche, die beide Enzymarten blockieren. Auch hier setzt die antidepressive Wirkung nach einer bis drei Wochen ein. Ferner wirken Johanniskrautpräparate oder Lithiumsalze antidepressiv. Benzodiazepine erzielen eine leichte Stimmungsaufhellung, können jedoch unter Umständen eine depressive Grunderkrankung verstärken.

Neuroleptika Ihre antipsychotische Wirkung wird bei Schizophrenie, bei manischen Phasen affektiver Störungen, bei Entzugssymptomen und Unruhezuständen eingesetzt. Vorwiegend nehmen sie Einfluss auf die Dopaminrezeptoren. Zu den unerwünschten Begleiterscheinungen gehören motorische Beschwerden. Man differenziert zwischen klassischen und atypischen Neuroleptika. Zur ersten Gruppe zählen Phenothiazine, Thioxanthene, Butyrophenone und Diphenylbutylpiperidine. Atypische Neuroleptika (Olanzapin, Clozapin) haben den Vorteil, dass deutlich seltener motorische Nebenwirkungen auftreten.

Hypnotika, Anxiolytika und Sedativa Eine wichtige Gruppe sind die Benzodiazepine. Sie haben einen anxiolytischen und sedierenden Effekt und werden auch als Schlafmittel verwendet. Besonders zu Beginn der Einnahme kommt es zu einer extremen Sedierung. Die Sicherheit im Alltag (Straßenverkehr, Bedienen von Maschinen) ist eingeschränkt, weil neurologische Probleme wie Sprach- oder Koordinationsstörungen auftreten können. Ein weiterer Nachteil ist der „Hangover”, der sich durch extreme Müdigkeit am Morgen nach der Einnahme äußert. Auch ein Abhängigkeitspotenzial der Benzodiazepine ist in der Diskussion.

Auch Buspiron ist ein angstlösender Arzneistoff. Die Wirkung tritt jedoch nicht unmittelbar nach der Einnahme, sondern erst nach ein bis zwei Wochen ein. Daher ist er bei akuten Angstzuständen nicht geeignet. Pflanzliche Präparate zur Beruhigung und zur Einleitung des Schlafes sind Baldrian und Hopfen. Mit Lavendel kann ängstlicher Unruhe begegnet werden, die einen erholsamen Schlaf verhindert.

Weitere bedeutsame Stoffe sind die so genannten Z-Medikamente, wie Schlafforscher sie nennen (Zopiclon, Zolpidem). Die Bezeichnung resultiert aus den mit Z beginnenden Namen. Man geht davon aus, dass sie ihre Wirkung über denselben Rezeptor wie die Benzodiazepine entfalten. Das Thiazolderivat Clomethiazol wird zur Behandlung von Alkoholentzugserscheinungen genutzt. Im fortgeschrittenen Lebensalter dient es der Bekämpfung von schweren Schlafstörungen. Zudem lindert die Substanz bei älteren Patienten Erregungszustände, die durch das organische Psychosyndrom (psychische Veränderung als Folge einer Gehirnerkrankung) ausgelöst wurden. Ältere Antihistaminika sind sedierend wirkende Arzneimittel und rezeptfrei erhältlich.

Doxylamin ist ein Schlafmittel zur Kurzzeittherapie. Auch Diphenhydramin darf nicht über einen längeren Zeitraum eingenommen werden. Bei fortbestehenden Schlafstörungen sollten Betroffene einen Arzt konsultieren, um die Ursachen der Beschwerden zu klären.

Behandlung affektiver Störungen Diese Form der psychischen Störung zeichnet sich durch Schwankungen in der Stimmungslage aus. Die Wechsel reichen von depressiven Episoden bis hin zu manischen Zuständen. Bestimmte Antikonvulsiva sind als Phasenprophylaktika geeignet (Carbamazepin, Lamotrigin, Valproinsäure).

Lithiumsalze dienen der Vorbeugung von affektiven Krankheiten und der Behandlung von therapieresistenter Schizophrenie. Jedoch werden sie aufgrund ihrer Kontraindikationen und gravierenden Nebenwirkungen häufig nicht eingesetzt. Stattdessen greift man auf die Therapie mit Antikonvulsiva zurück. Werden sie dennoch verwendet, muss der Lithiumspiegel im Blut regelmäßig kontrolliert werden.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/12 ab Seite 130.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)

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