© DIE PTA IN DER APOTHEKE
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Berühmte Apotheker

APOTHEKER, WELTENBUMMLER UND ERZÄHLER

Er war Pastorenkind und wurde Apotheker. Er war Lehrmeister von Dr. Oetker, gründete die älteste Apotheke Wiesbadens, um als Erzähler sein Lebenswerk zu vollenden: Ernst Brackebusch (1851 bis 1912).

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Geboren wurde er am 20. Mai 1851 in Berkum, einem kleinen Dorf etwa sieben Kilometer von Peine, Direktionskreis Hannover. Sein Vater, der evangelische Pastor Hans Brackebusch (1808 bis 1880), legte großen Wert auf eine gründliche Ausbildung und lehrte seine Söhne (Hans und Ernst) selbst intensiv in den alten Sprachen. Mit vierzehn Jahren, also ab 1865 ging der Jugendliche Ernst Brackebusch in der Apotheke in Hohenhameln, etwa 13 Kilometer von seinem Heimatort entfernt, in die Apothekerlehre und schloss die Pharmazeutische Vorprüfung 1868 in Peine erfolgreich ab. Es begannen die „Wanderjahre“ (Konditionenzeit), in der Ernst Brackebusch als Apothekengehilfe in Geestemünde, Moringen und in Hamburg seinen pharmazeutischen Horizont erweiterte.

Übers Militär zum Studium Es war die Zeit des Deutsch-​Französischen Krieges von 1870/71 und vor diesem Hintergrund, der politisch-militärisch hochbrisanten Gemengelage ist nachvollziehbar, dass Brackebusch sich als Freiwilliger meldete, um ab 1872 ein Jahr als Militärpharmazeut an der Tierärztlichen Hochschule in Berlin zu arbeiten. Parallel hierzu erhielt er aber auch eine Assistentenstelle bei Prof. Carl Gottlieb Heinrich Erdmann, ebenfalls Apotheker und Lehrer der Physik, Chemie und Pharmazie an der Königlichen Tierarzneischule sowie Lehrer der praktischen Chemie an der Königlichen vereinigten Artillerie- und Ingenieur-Schule in Berlin. Dies ermöglichte ihm parallel auch noch Pharmazie an der Universität Berlin zu studieren. Schon 1773 bestand er bei August Wilhelm (von) Hofmann (1818 bis 1892), Chemiker und entscheidender Wegbereiter für die Erforschung der Anilinfarbstoffe in England und Deutschland, das Staatsexamen mit der Note „sehr gut“.

Es folgte erneut ein Aufenthalt in Hamburg, wo er 1873/74 im Chemischen Laboratorium des Akademischen Gymnasiums (dieses war ab 1878 dann das „Chemische Staatslaboratorium zu Hamburg“, Vorläufer des Fachbereiches Chemie) unter der Betreuung des Chemikers Ferdinand Wibel (1840 bis 1902), seine Doktorarbeit verfasste. Da es in Hamburg noch kein Promotionsrecht gab, wurde die Arbeit an der Universität Göttingen eingereicht. Wibel selbst war Assessor für Chemie in Hamburg, also amtlicher Sachverständiger für Behörden und Gerichte sowie Mitglied des Medicinal Collegium, hatte aber 1864 bei Friedrich Wöhler (u. a. Harnstoff-Synthese) in Göttingen promoviert und dorthin noch gute Kontakte. Faktisch handelt es sich bei Ernst Brackebuschs Dissertation „Ueber Nitroverbindungen aus der Allylreihe“ (1874) somit aber um eine der ersten Hamburger Promotionen.

Apotheker in Australien Ernst Brackebusch zog es anschließend zusammen mit einem befreundeten Arzt an das andere Ende der Welt: nach Australien. Auf den Goldfeldern von Charters Towers in der nördlichen Kolonie Queensland fand er in der Apotheke von Hennings Co. eine Anstellung. Hier verbrachte er 1874 bis 1878 Jahre mit anstrengendster Arbeit, bei einer äußerst lehrreichen und vielseitigen Stelle. Die Zeit in „Down Under“ bescherte ihm nicht nur viel Lebenserfahrung in einer völlig andersartigen Umgebung, sondern war auch materiell von Erfolg geprägt. Auf Augenhöhe mit den Goldsuchern wurden deren Kiese extrahiert und geröstet. Unter dem Titel „The Rush von Fanning-Downs“, einer Erzählung aus dem australischen Goldgräberleben, schilderte Ernst Brackebusch auf humorvolle Art und Weise später selbst seine zum Teil abenteuerlichen Erfahrungen und eigenartigen Erlebnisse mit den seltsamsten Menschen im „Goldgräberland“.

Über Indien, Ägypten und Italien kehrte der „Weltenbummler“ Ernst Brackebusch nach Deutschland zurück. Unsicher bleibt, ob er von 1778 bis 1880 in einer Apotheke in Gronau arbeitete. Fakt hingegen ist, dass es ihm gelang 1880 die Rats-​Apotheke in Stadthagen in der Nähe von Bielefeld zu pachten und zu leiten. Seine Auslandsreisen und seine Sprachkenntnisse hatten den aufgeschlossenen Dr. Brackebusch in besonderer Weise hierfür qualifiziert. Brackebuschs chemische Kenntnisse, vor allem seine Rezepturen, waren sehr gefragt. In der Stadthagener Apotheke war unter anderem auch August Oetker, der spätere Lebensmittelfabrikant, sein Lehrling. Da Brackebusch sowohl bei seinen Reisen als auch in den 13 Jahren als Pächter der Stadthagener Rats-Apotheke gutes Geld verdient hatte, suchte er ab 1893 – obwohl er die Pacht noch innehatte – nach einer neuen Herausforderung und fand diese in Wiesbaden, einer damals aufstrebenden Stadt.

Gründung der Oranien-​Apotheke Wiesbaden Weil die von dem Augenarzt Alexander Pagenstecher und seinem Bruder Hermann in der Taunusstraße in Wiesbaden gegründete Augenklinik, eine Spezialklinik, die Weltruf erlangte, auch pharmazeutischer Präparate bedurfte, war die Ansiedlung ei- ner Apotheke in unmittelbarer Nachbarschaft sehr willkommen. Apotheker Ernst Brackebusch kaufte das von Bauunternehmer Emil Ross „auf Speku- lation“ erbaute, stolze eklektizistische Haus mit den windschiefen Dachgauben in der Sicht- achse der Röderstraße (Taunusstraße 57) und erhielt vom Kaiser aufgrund dessen hoheitlicher Befugnisse die letzte Realkonzession, die im deutschen Reich vergeben wurde, für eine neue Apotheke – die „Oranien-​Apotheke“.

Bedingung: Er hatte die Apotheke zehn Jahre zu führen sowie mit Frau und seinen zwei Töchtern im gleichen Haus auch seine Wohnung zu nehmen. Zur Führung des neuen Geschäftes mit seinen internationalen Besuchern war Brackebusch auch hier infolge seiner Auslandsreisen und Sprachkenntnisse besonders qualifiziert. Das Geschäft florierte, seine Rezepturen, insbesondere die in enger Zusammenarbeit mit der Augenheilanstalt entstandene Pharan-Augensalbe (wasserfreie gelbe Quecksilberoxydsalbe gegen Bindehautentzündung, Hornhautbehandlung) und seine Sachkenntnis, waren weithin gefragt. Brackebusch stellte zudem einen Apotheker, Friedrich Dick aus dem Kreis Ahrweiler, der bis dahin in der Mohren-Apotheke in Dresden, tätig gewesen war, als Mitarbeiter ein, der die ältere Tochter des Hauses heiratete.

Berufspolitisch engagierte sich Brackebusch in Hessen ebenfalls stark, war Kreisvorsteher des Kreises Nassau des Deutschen Apotheker Vereins (DAV), gehörte der Apothekerkammer für Hessen-Nassau an, war aber auch noch Mitglied des Preußischen Apothekerkammerausschusses. Besonders in der so komplizierten Apothekengesetzgebung soll Brackebusch sehr versiert gewesen sein und so manchem Kollegen hilfreich zur Seite gestanden haben. Nach zehnjähriger aktiver Pharmaziepraxis in Wiesbaden zog er sich 1904 mit 53 Jahren ins Privatleben zurück. Ernst Brackebusch zog nach Kassel, um dort näher an der Hannoverschen Heimat seinen schriftstellerischen Neigungen nachzugehen.

Schilderungen wie „An Bord des Känguruh“, „Reise von Hamburg nach Madeira“ und eine Reihe weiterer Erzählungen stammen aus dieser nach-apothekerlichen Zeit. 1911 schädigte ihn ein Gehirnschlag sehr. Bis zu seinem Tod am 24. Oktober 1912 in Kassel musste er noch längere Zeit leiden. Die Oranien-Apotheke in Wiesbaden wurde von Ernst Brackebuschs Schwiegersohn fortgeführt und befindet sich noch heute in Familienbesitz. Von der Brackebusch‘schen Einrichtung, den alten Fläschchen und Standgefäßen mit eigenen Rezeptur-Etiketten ist bis heute noch viel sichtbar erhalten.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/19 ab Seite 66.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin und Fachjournalistin

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