Zurzeit finden in Berlin die GroKo-Verhandlungen statt. Auch die zukünftige Gesundheitspolitik ist ein Thema. © Oleksandr Prykhodko / 123rf.com

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APOTHEKEN ALS STIEFKIND DER POLITIK?

Kaum ein anderes Segment der Politik ist so komplex, wie das der Gesundheitspolitik. Eine zentrale Ursache für diese Komplexität ist damit begründet, dass hier Unternehmertum und politische Vorgaben extrem eng miteinander verquickt sind.

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In letzter Konsequenz hängt eben auch das Schicksal der PTA davon ab, wie sich die Gesamtlage der Apotheken entwickelt. Angesichts der teilweise entgegengesetzten Positionen der beiden Verhandlungsführer der Großen Koalition lohnt es sich, die aktuellen Probleme der Apotheken und die Positionen von SPD und CDU zu analysieren:

1. Das Apothekensterben:

Die größte Apothekendichte wurde im Jahr 2008 mit 21 602 Standorten verzeichnet. Ende 2017waren es nach Angaben der ABDA nur noch 19606. Daraus resultiert für PTA ein trauriger Umstand: Weniger Apotheken bedeuten weniger Arbeitsplätze für Apothekenmitarbeiter. Weder CDU noch SPD haben angesichts dieses Problems eindeutig überzeugende Strategien (siehe Punkt 2) gegen diese Entwicklung. Beiden Parteien ist jedoch bewusst, dass insbesondere in den Randlagen und auf dem Land eine Versorgungslücke droht.

2. Die verschärfte Konkurrenzsituation angesichts des Rx-Boni-Urteils durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH):

Zur Erinnerung: Laut dem EuGH-Urteil ist es ausländischen Versandapotheken nicht nur gestattet, neuerdings ärztlich verordnete Arzneimittel zu versenden, sondern sie dürfen darüber hinaus auch noch einen Rabatt gewähren. Da der Bonus-Wettbewerbsvorteil in Deutschland nicht erlaubt ist, sprechen Experten auch von einer Inländerdiskriminierung. Das Wort zeigt, wie drastisch die Lage ist. Hier beziehen die Parteien klar Stellung: Während sich die CDU gemeinsam mit der ABDA ein generelles Rx-Versandverbot zum Schutz der inhabergeführten vor-Ort-Apotheken (Präsenzapotheken) vorstellen kann und damit auch die gefährdeten Standorte sichern will, argumentiert die SPD ganz anders. Für die SPD ist der Versand mehr oder weniger Teil der „digitalen Revolution“, die ja bekanntermaßen alle möglichen Lebensbereiche betrifft und somit nach diesem Denkschema einfach eine unumkehrbare Konsequenz der Zeitläufe ist. Gleichzeitig argumentiert die SPD damit, dass der Rx-Versand die Lösung auch für Versorgungsengpässe etwa auf dem Land ist.

3. Das äußerst umstrittene Honorargutachten:

Ende 2017 wurde ein vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) in Auftrag gegebenes Apotheken-Honorargutachten veröffentlicht, das für eine Neugestaltung der Apothekenhonorare warb. Obwohl in diesem Gutachten auch kleinere Schmankerl für Apotheken – wie beispielsweise eine Anhebung des Notdienstzuschlags von 0,16 auf 0,33 Euro vorgesehen sind – kommt die beauftragte Agentur 2hm zu dem Gesamtergebnis, dass die Apothekenhonorare viel zu hoch angesetzt seien. So empfehlen sie beispielsweise eine Absenkung des Fixzuschlags pro Packung von derzeit 8,35 auf 5,80 Euro. Nach Einsichtnahme in das Gutachten verbreitet die Bildzeitung Ende 2017 schlagzeilenträchtig, dass im Gesundheitswesen für Apotheker insgesamt über eine Milliarde Euro zu viel ausgegeben wird – ganz unabhängig davon, ob das der Wahrheit entspricht, wurde damit schon ein gewaltiger Imageschaden für Apotheker in die Welt gesetzt. Experten und Marktkenner halten das Gutachten dagegen methodisch für fragwürdig. So wurde beispielsweise das Honorar eines unternehmerisch frei agierenden Apothekeninhabers mit demjenigen eines fest angestellten, leitenden Klinikapothekers verglichen. Würde die Politik den Empfehlungen der Agentur folgen, muss man kein Prophet sein, um ein zusätzliches Apothekensterben vorherzusehen. By the way: Dass das Gutachten auch den Rx-Versand befürwortet, ist kaum weiter verwunderlich. Sprengstoff für die Zukunft birgt das Honorargutachten ungeachtet aller kritischen Einwände: Sowohl SPD als auch CDU können sich bei weiteren Honorarverhandlungen auf das Gutachten berufen, das seine vorgebliche Seriosität auch seinem Auftraggeber verdankt. Das BMWi hat die Arbeit der Agentur übrigens mit rund 450 000 Euro vergütet.

4. Das dräuende Problem der Nachfolgeregelung:

In den unmittelbar vor uns liegenden Jahren geht die Generation der sogenannten Babyboomer in Rente. Diese Alterskohorte muss also dringend für eine Nachfolgeregelung sorgen. Ganz abgesehen davon, dass der Apothekerberuf insbesondere aufgrund der sich radikal verändernden Konkurrenzsituation leider immer unattraktiver wird, weisen die Experten heute schon darauf hin, dass ungefähr 3000 Apotheken am Rande des ökonomischen Abgrunds stehen und keine Chance haben, einen Nachfolger zu finden. Für Fachleute ist zudem klar, dass nur Apotheken mit einem Umsatz von mindestens zwei Millionen Euro Umsatz für Nachfolger interessant sind. Apotheken, die es nicht schaffen, diese Hürde zu nehmen, werden ebenfalls vom Markt verschwinden. Ob die Politik dieses Problem überhaupt im Blick hat, darf angezweifelt werden.

5. Die Lage der Apotheke ist mit derjenigen der Ärzte verknüpft – die Diskussion um die Zweiklassenmedizin ist deshalb ebenfalls brisant.

Ursprünglich war es der SPD im Kontext der Gesundheitspolitik ein zentrales Anliegen, die Bürgerversicherung duchzuboxen. Das bedeutet, dass die Trennung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung aufgehoben wird und alle Bürger einkommensabhängig ihre Krankenversicherungsbeiträge einzahlen und folglich auch die gleichen Leistungen aus der Krankenversicherung abrufen können. Aktuell wird diese Idee leicht abgewandelt unter der Formel von der ‚Abschaffung der Zwei-Klassen-Medizin’ diskutiert. Auch wenn das oben beschriebene System auf den ersten Blick sehr gerecht erscheint, ist es schwerlich umzusetzen. Denn hier stellt sich die Frage nach den Ärztehonoraren: Wenn ein Arzt derzeit für einen privat versicherten Patienten deutlich mehr Geld abrechnen kann, als für einen gesetzlichen und er im Idealfall eine Mischkalkulation betreibt, muss er bei einem Wegfall der privat versicherten Patienten mit einem deutlich gekürzten Honorar auskommen. Ein solches Szenario wird die Ärztelobby nicht zulassen.

Also müsste als Ausgleich für diesen Verlust der Beitrag aller Versicherten angehoben werden – was sich auf unerfreulicher Weise im Geldbeutel von uns allen negativ bemerkbar machen würde. Gerade weil die Finanzierung der Krankenkassen als schier unlösbares Dilemma ein Dauerthema ist, wird das Gerangel um die Zweiklassenmedizin nicht abebben und langfristig möglicherweise zu Verärgerungen der Ärzte führen. Die Kollateralschäden tragen dann die Apotheken.

PTA-Verbandspolitiker: Apell an die Vernunft

Ganz abgesehen davon, dass es noch weitere Baustellen gibt, die ganz konkret auch für PTA unerfreulich sind – man denke nur an die Ausbildungssituation – ist der Berufsstand als solcher kein Thema in den Verhandlungen über die Bildung einer großen Koalition. Weil es eben generell am Geld im Gesundheitssystem mangelt, wird aktuell beispielsweise die Situation des Pflegepersonals diskutiert. Dass die beiden Berufsvertreter von ADEXA und BVpta mahnende Worte an die Politiker richten, weil sie sich berechtigte Sorgen machen, ist naheliegend. So weist ADEXA-Vorstand Andreas May darauf hin, dass die derzeitige „Unsicherheit nicht günstig ist für die berufliche Planung.“ Und BVpta Bundesvorsitzende Sabine Pfeiffer konstatiert, dass derjenige, der jetzt nach Neuwahlen ruft, „die Politikverdrossenheit sicher steigern“ wird.

Claus Ritzi, Pharmajournalist (wdv)

„Apotheken als Stiefkind der Politik?”

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