Ein Modell eines Coronavirus aus transparentem Kunststoff: Im kugelförmigen Körper befindet sich spiralförmiges Erbgut. Außen sitzen Spike-Proteine als dünne Stäbe mit knubbeligen Köpfen.© pphl / iStock / Getty Images Plus
Monoklonale Antikörper richten sich bislang gegen die Rezeptorbindungsdomäne des Spike-Proteins; die mutiert aber von Virusvariante zu Virusvariante. Warum nicht mal am Stiel des Spikes angreifen?

Antikörpercocktail

EIN MEDIKAMENT GEGEN ALLE CORONAVARIANTEN?

Monoklonale Antikörper, die gegen jede Mutante des Coronavirus wirken? Die nicht mehr an die verschiedenen Varianten angepasst werden müssen? Das wäre ein Traum. Amerikanische Forscher sind sich recht sicher, dass sie einen mit einem Mix aus zwei Substanzen genau das gefunden haben.

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Monoklonale Antikörper gegen COVID-19 sind biotechnologisch hergestellte Stoffe, die das Virus im Körper neutralisieren. Sie werden bei schweren Verläufen eingesetzt sowie zur Präexpositionsprophylaxe bei Personen, die sich nicht impfen lassen können. Alle bislang zugelassenen monoklonalen Corona-Antikörper wirken gegen das Spike-Protein, und hier speziell an der Rezeptorbindungsdomäne.

Da es im Verlauf der Pandemie an dieser Stelle aber immer wieder zu Mutationen kam, steht von Virusvariante zu Virusvariante immer wieder die Wirksamkeit des monoklonalen Antikörpers auf dem Spiel. Im Klartext: Für jede Variante muss der Antikörper angepasst werden, da er nämlich auf genau den Teil des Virus abzielt, der sich verändert. Das soll sich jetzt ändern.

Andere Virusregion im Fokus

Aridis Pharmaceuticals, ein US-amerikanisches Pharmaunternehmen, richtete in seiner Forschungsabteilung nun das Interesse auf die sogenannte Stielregion (S2) des Spikeproteins. Das ist der Teil, der das kleine Krönchen, das dem Coronavirus seinen Namen gegeben hat, trägt wie der Stängel eine Blüte.

Und das ist das Besondere an der Stielregion des Virus

Während die Rezeptorbindungsdomäne für das Andocken an die Wirtszelle wichtig ist, wird S2 benötigt, um das Virus in die Wirtszelle zu bringen. Das Besondere an S2: Es ist eine weitgehend unveränderliche Region des Spike-Proteins. Käme es hier zu einer Mutation, könnte der Krönchenhalter und Viren-Einschleuser seine Aufgabe nicht mehr erfüllen: Der Spike würde abbrechen, das Virus bliebe draußen. Und wie wir alle wissen, ist ein Virus ohne Wirtszelle verloren und geht zugrunde.

Vielversprechend sind daher  die Labor- und Tierexperimente mit einem aus dem Blut von genesenen COVID-19-Patienten isolierten Antikörper, der sich gegen genau diese Stielregion des Spike-Proteins richtet. Der Antikörper neutralisierte nicht nur den Wildtyp von SARS-CoV-2, sondern auch alle weiteren Varianten, inklusive Omikron. Er war sogar gegen andere Corona-Erkältungsviren plus SARS und MERS wirksam. Ebenfalls auf der Positivliste: Der Stielregion-Antikörper wirkt synergistisch in Zusammenhang mit Rezeptorbindungsdomänen-Antikörpern. Eine win-win-Situation also.

Ein „Pan-Coronavirus-Antikörpercocktail“

Aridis Pharmaceuticals nannte seine vielversprechende Entdeckung deshalb stolz „Pan-Coronavirus-Antikörpercocktail“. Sein vorläufiger wissenschaftlicher Name: AR-701. Er enthält den gegen die S2-Region gerichteten Antikörper AT-703 sowie einen gegen die Rezeptorbindungsdomäne gerichteten Antikörper AT-720.

Logischerweise will das Unternehmen die Entwicklung des bisher nur an Tieren getesteten Cocktails jetzt zügig vorantreiben. Es soll eine langwirksame Formulierung zur Injektion in den Muskel sowie eine Darreichung zum Inhalieren geben. Die könnten Corona-Infizierte dann selbst zuhause anwenden.

Bis es soweit ist, könnte allerdings noch etwas Zeit vergehen – klinische Studien gibt es nämlich noch keine.

Quelle: Pharmazeutische Zeitung

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