Kind kuschelt mit Katze und sitzt auf der Couch© FamVeld / iStock / Getty Images Plus
Die Anzahl der Kinder, die neben Pflanzenpollen auch gegen bestimmte Lebensmittel, Milben und Tierhaare allergisch reagieren, steigt.

Antihistaminikum

IMMER MEHR KINDER ALLERGISCH

Es sind nicht immer die verhassten Pflanzenpollen, auch Milben, Tierhaare oder bestimmte Lebensmittel machen immer mehr Kindern zu schaffen. Doch wie verhält man sich in der Apotheke, wenn immer die gleichen Schnupfnasen nach Antihistaminika fragen?

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„Mindestens jedes dritte Kind, in manchen Risikogruppen fast die Hälfte, ist allergisch sensibilisiert. Meist sind es eine allergische Rhinitis, Neurodermitis oder Asthma bronchiale bei den Älteren, die Beschwerden machen. Und das ist eine enorm hohe Zahl“, sagt Professor Dr. Ludger Klimek, Präsident des Ärzteverbandes deutscher Allergologen in einem Interview mit der Pharmazeutischen Zeitung. 

Fast jede*r Zweite erlebt dabei früher oder später einen Etagenwechsel, also die Erweiterung einer allergischen Rhinokonjunktivitis zu einem chronischen Asthma bronchiale. Das Risiko steigt mit anhaltender Allergenexposition. Die steigende Zahl an Asthmatikern in der letzten Zeit, liegt für viele Expertinnen und Experten in unbehandelten allergischen Erkrankungen wie Heuschnupfen. Sollte man daher bei Nachfrage von Eltern nach einem Antihistaminikum immer direkt an einen Arzt verweisen? „Natürlich kann das Apothekenteam kurzfristig für das Kind Antihistaminika empfehlen. Schließlich handelt es sich um eine Ad-hoc-Medikation und ist eine schnell wirksame Hilfe. Wenn die Beschwerden aber länger bestehen und die Eltern immer wiederkommen, sollten PTA und Apotheker aufklärend tätig sein. Der Hinweis, dass eine Allergie auch immer eine Entzündung ist und bei längerem Bestehen Schaden anrichten kann, ist hilfreich und sollte in der Apotheke immer dazugehören.“ Die Empfehlung sollte vorwiegend bei einer lokalen Behandlung liegen, also eher Nasenspray und Augentropfen, die keine Konservierungsstoffe beinhalten. Denn die können reizauslösend oder selbst allergen sein. Und für den Allergologen ganz wichtig: „Nasenspülungen empfehle ich generell. Durch ihren reinigenden und spülenden Effekt kann man es auch mal hinbekommen, beschwerdefrei zu sein. Ihre regelmäßige Nutzung kann den Gebrauch von Antiallergika senken und ist in jedem Fall eine gut verträgliche Therapieergänzung.“

Glucocorticoide akut und vorbeugend 

Bei stärker ausgeprägten Symptomen ist der ärztliche Gang unumgänglich. Stehen nasale Beschwerden im Vordergrund, kommen Glucocorticoide zur nasalen Anwendung zum Einsatz. Zum Beispiel bei Hausstauballergie. „Da haben wir als Ärzte mehr Möglichkeiten. Einige Steroide wie Mometason sind für Kinder ab drei Jahren zugelassen, sind dann aber verschreibungspflichtig. Genauso wie Budesonid, Flunisolid und solche mit einer fixen Azelastin/Fluticason-Kombination. Mometason, Fluticason und Beclometason sind in Tagesdosen von 200 µg beziehungsweise 400 µg ab 18 Jahren rezeptfrei erhältlich. Erfahrungen zeigen, dass Corticoid-Nasensprays im jugendlichen Alter die schonendsten Therapiemöglichkeiten darstellen.“ Auch Prävention scheint in diesem Fall angebracht. „Der Patient ist gut beraten, schon vor der Pollensaison mit den Nasensprays zu beginnen. Wenn man etwa genau weiß, dass man auf Birkenpollen allergisch reagiert, sollte man einige Wochen zuvor beginnen zu sprühen. Die Symptome fallen dann reduzierter aus. So gerät der Patient quasi gar nicht mehr in das Entzündungsstadium.“ Ist die Nase unter Kontrolle, nimmt häufig auch die Augensymptomatik ab. Bei anhaltenden Beschwerden empfiehlt Klimek zu Augentropfen ohne Konservierungsstoffe, da diese in vielen Fällen selbst en allergisches Potenzial aufwiesen.
 

Hyposensibilisierung auch bei Kindern effektiv

Ein rechtzeitiger Verweis in die ärztliche Obhut empfiehl sich aber auch aus einem weiteren Grund: Einem Etagenwechsel kann unter Umständen vorgebeugt werden. Denn auch Hyposensibilisierungen haben sich bei Kindern ab fünf Jahren als sicher und wirksam erwiesen. „Die Tendenz, dass sich die Entzündung auch auf die Lunge ausdehnt, ist Grund genug, mit einer Hyposensibilisierung nicht zu lange zu warten. Das Risiko eines Asthmas lässt sich durch eine Immunisierung in etwa halbieren. Die Erfolgsquoten sind umso besser, je früher man damit beginnt.“ Das gilt auch für die Ausbildung von Kreuzallergien, zum Beispiel auf Lebensmittel oder Milben. Der Gebrauch von Akutmedikamenten kann reduziert und der kindliche Organismus entlastet werden. Eine Hyposensibilisierung kann individuell auf den Patienten und die betreffenden Allergene angepasst, subkutan oder sublingual verabreicht werden, meistens über einen Zeitraum von drei Jahren. „Das ist aber sehr individuell und hängt vom Patienten ab. Auch kürzere oder längere Immunisierungszeiten sind denkbar. Es gilt die Regel, dass ab dem zweiten Jahr die Vorteile für den Patienten überwiegen. Durchschnittlich hält der Effekt rund zehn Jahre an, aber auch 15 Jahre sind möglich, bei manchen gar lebenslang.“ 
Ein Sonderfall stellt die neue oral verfügbare Immuntherapie gegen Erdnussprotein dar. Die Kapseln fielen zwar unlängst beim Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) durch, doch Klimek sieht durchaus einen Nutzen in ihnen: „Es gibt den kleinen Patienten und den Eltern ein Stück Freiheit zurück. Es werden dann geringe Mengen an Erdnussprotein vertragen und man muss nicht ständig in Sorge leben, unbeabsichtigt Spuren von Erdnüssen aufgenommen zu haben. Indirekte Effekte auf das Sozialleben der Kinder bis hin zu Angststörungen können mit der Erdnuss-Kapsel kompensiert werden.“

Quelle: Pharmazeutische Zeitung
Das Interview mit Professor Dr. Ludger Klimek führte die Pharmazeutische Zeitung 

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