© Die PTA in der Apotheke
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Tatort Apotheke

ANTICHOLINERGE NEBENWIRKUNGEN

Eine Vielzahl von Arzneistoffen haben anticholinerge Nebenwirkungen. Bei alten Patienten können diese belastend, aber auch gefährlich sein.

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Frau Schumacher, 76 Jahre alt, betritt die Apotheke mit einem Rezept über Oxybutynin fünf Milligramm, 100 Filmtabletten. Sie nimmt die Tabletten bereits zwei Monate zur Behandlung einer Dranginkontinenz. Außerdem verlangt sie ein Antihistaminikum mit dem Wirkstoff Dimenhydrinat.

Die Kundin erzählt, dass sie eine leichte Magen-Darm-Grippe habe und ihr von der Nachbarin dieses Medikament gegen die Übelkeit empfohlen wurde. Die Beschwerden seien aber noch ganz gut zu ertragen. Schlimmer sei eigentlich, dass sie ständig unter Mundtrockenheit leide, seitdem sie die verordneten Tabletten einnehme.

Pharmakologischer Hintergrund Oxybutynin ist ein bewährter Arzneistoff zur Behandlung der Überaktivität des Harnblasenmuskels. Er steigert die Blasenkapazität und reduziert die übermäßigen Kontraktionen der glatten Muskulatur. Bei älteren Patienten kann die Eliminationshalbwertzeit aufgrund einer erhöhten Bioverfügbarkeit von zwei bis drei auf fünf Stunden erhöht sein. Deshalb erhalten alte Menschen als initiale Dosis fünf Milligramm.

Häufig reicht eine maximale Dosis von zehn Milligramm pro Tag schon aus, um Inkontinenzbeschwerden erfolgreich zu bessern. Mit steigender Dosis verstärken sich jedoch die Nebenwirkungen. Oxybutynin sollte hinsichtlich der anticholinergen Wirkung nicht bei Engwinkelglaukom, Myasthenia gravis und Stenosen im Bereich der Harnwege und des Magen-Darm-Trakts gegeben werden. In der Kombination mit anderen Anticholinergika oder Mitteln mit anticholinergen Effekten können verstärkt Mundtrockenheit, zentralnervöse Störungen, Schwindel, Herzrhythmusstörungen, Sehstörungen und Blutdruckabfall auftreten.

Dabei zählt die Mundtrockenheit zu einer der häufigsten unerwünschten Wirkungen, die auch bei längerer Anwendung nicht verschwindet. Sie wird hauptsächlich auf den „First-pass-Effekt” der oralen Form des Oxybutynins zurückgeführt, bei der ein aktiver Metabolit mit stark anticholinergen Wirkungen entsteht. Retardierte Arzneiformen mit Oxybutynin oder das Oxybutyninpflaster erzeugen deutlich weniger Nebenwirkungen. Dimenhydrinat gehört zur Gruppe der Antihistaminika der ersten Generation und sollte möglichst nicht bei älteren Patienten mit Oxybutynin kombiniert werden.

Zurück zum Fall Die PTA rät Frau Schumacher von dem empfohlenen Antihistaminikum ab. „Wenn die Übelkeit nicht zu belastend ist, rate ich Ihnen zu einem beruhigenden Magentee und Schonkost in den nächsten Tagen. Die Dragees gegen Übelkeit vertragen sich nicht sehr gut mit dem verordneten Medikament für Ihre Blase. Ihre Mundtrockenheit könnte sich dann sogar noch verstärken.“

Die PTA rät Frau Schumacher zu einem Spray, das den Mundraum feucht hält und die Beschwerden lindern wird. Leider muss sie der Kundin mitteilen, dass die Nebenwirkungen der Tabletten wohl nie ganz verschwinden werden. Sie gibt ihr den Hinweis, auf eine gute Mundhygiene zu achten, weil der verringerte Speichelfluss ein höheres Risiko für Karies und Zahnfleischerkrankungen bedeutet.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/12 auf Seite 67.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

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