Ein Blister mit gelben Tabletten. Auf den Tabletten sind unterschiedliche Smileys aufgemalt© TanyaJoy / iStock / Getty Images Plus
Da haben Antibiotika nix zu lachen.

Antibiotikaresistenzen

PSYCHOPHARMAKA MANIPULIEREN DARMBAKTERIEN

Nicht nur Antibiotika haben Einfluss auf die mikrobielle Zusammensetzung des Darms. Von immer mehr Arzneistoffen wird bekannt, dass sie das Mikrobiom beeinflussen können. Mit welchen Auswirkungen zeigt sich nun am Beispiel von Antidepressiva.

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Trotz aller Strategien: Weiterhin werden zu viele Antibiotika verschrieben und eingenommen, finden antibiotische Wirkstoffe Anwendung in der Tiermast. Daraus resultierende Antibiotikaresistenzen fordern jährlich Opfer.

Doch die Schuld alleine im (Über-)Gebrauch zu suchen, genügt wohl nicht. Ein Team um Dr. Yue Wang von der University of Queensland in Brisbane (Australien) machte kürzlich darauf Aufmerksam, dass verschiedene Antidepressiva die Darmmikrobiota derartig veränderten, dass sie dazu beitragen könnten, Antibiotikaresistenzen zu entwickeln.

Gleich mehrere Psychopharmaka betroffen

Bereits 2018 beobachtete die Forschungsgruppe, dass Escherichia coli-Bakterien, die in der Petrischale 30 Tage lang Fluoxetin ausgesetzt waren, Resistenzen gegen Chloramphenicol, Amoxicillin und Tetracyclin entwickelten.

Ihre neueste Entdeckung: Wurden die E. coli-Stämme 60 Tage lang mit verschiedenen Antidepressiva konfrontiert, bildeten sie ebenfalls Resistenzen gegen gängige Antibiotika wie

  • β-Lactame,
  • Phenicole,
  • Fluorochinolone,
  • Makrolide,
  • Aminoglykoside und
  • Tetracycline.

Die Gruppe testete folgende Antidepressiva in unterschiedlichen Konzentrationen:

  • Sertralin,
  • Duloxetin,
  • Bupropion,
  • Escitalopram und
  • Agomelatin.

Am schnellsten und stärksten ausgeprägt stelle sich die Resistenz bei Sertralin und Duloxetin ein.

Reaktive Sauerstoffspezies sollen schuld sein

Die Forschenden beobachteten, dass die Bakterien durch die Antidepressiva-Konfrontation dazu motiviert wurden, verstärkt reaktive Sauerstoffspezies (ROS) freizusetzen. Diese bewirkten Mutationen im Darmmikrobiom, sodass mehr Effluxpumpen in die Zellwand eingebaut wurden. Diese beförderten die antibiotischen Wirkstoffe aus der Zelle hinaus. Viele Bakterien entwickelten sich durch die Konfrontation auch zu Persistern. Das bedeutet, dass sie ihren Stoffwechsel stark herunterfuhren und so weniger empfindlich auf Antibiotika reagierten. Zumindest bei einem Antidepressivum, Sertralin, beobachtete das Team zudem einen verstärkten Genaustausch unter den Bakterien – so lassen sich Resistenzgene rasch austauschen.

Dass vor allem selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Sertralin und Fluoxetin, sowie Duloxetin, ein selektiver Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI), zu schnellen und ausgeprägten Veränderungen beitrugen, beobachtete und dokumentierte die Gruppe. Auch, dass beide Wirkstoffgruppen über eine sekundäre Aminogruppe mit einem Methylrest (als strukturelle Gemeinsamkeit) verfügten. Konkrete Schlüsse zogen sie daraus jedoch nicht.

Welche Auswirkungen diese experimentellen Daten auf die Praxis haben, sollen weitere Studien zeigen. Zu bedenken ist: ROS bilden sich unter aeroben Bedingungen wie in der Petrischale schneller und stärker. Im Darm herrschen jedoch anaerobe Bedingungen. Doch erste In-vivo-Daten zeigen, dass Mäuse, die Antidepressiva erhielten, eine veränderte Darmmikrobiota aufweisen; auch der Gentransfer war verändert.

Quelle: Pharmazeutische Zeitung

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