© Ponomariova_Maria / iStock / Getty Images
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Psychische Erkrankungen bei Frauen

ANGEKNACKSTE PSYCHE

Kein Mensch ist dauerhaft frei von Angst oder von Niedergeschlagenheit. Nehmen die Gefühle allerdings ein übertriebenes Ausmaß an, liegen vermutlich Depressionen oder Angststörungen vor.

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Psychische Erkrankungen gehören noch immer zu den Tabu-​Themen im Apothekenalltag, häufig sprechen Betroffene nicht gerne darüber. Sie sollten beim Verdacht auf psychische Erkrankungen im Beratungsgespräch sehr sensibel vorgehen und Ihren Kunden raten, einen Arzt oder Psychotherapeuten zu konsultieren, falls dies noch nicht geschehen ist. Das weibliche Geschlecht ist häufiger von psychischen Erkrankungen betroffen als das männliche: Die Prävalenz von Depressionen bei Frauen ist weitaus höher als die der Männer, außerdem erkranken Frauen doppelt so häufig an generalisierten Angststörungen. Bei Frauen spielen hormonelle Faktoren eine Rolle, beispielsweise nach einer Schwangerschaft oder im Rahmen der Wechseljahre. Die Ursachen sind demnach geschlechtsspezifisch, was bei der jeweiligen Therapie beachtet werden sollte.

Normal oder krankhaft? Angst ist ein überlebenswichtiges Gefühl, das die Menschen normalerweise vor Gefahren schützt. Überschreitet die Angst jedoch ein übliches Maß, liegt unter Umständen eine generalisierte Angststörung vor. Ihre Kundinnen klagen dann vielleicht über Beschwerden wie Schlafstörungen, Herzrasen, Schwindel, Hitzewallungen, innere Unruhe, Verspannungen oder Kopfschmerzen. Häufig berichten sie auch über belastende äußere Umstände sowie über das Gefühl, den Alltag nicht bewältigen zu können.

Sie leiden unter unbegründeten Sorgen, die sich zum Beispiel in der Angst äußern, schwer zu erkranken oder Angehörige durch einen Unfall zu verlieren. Die Furcht beherrscht den Alltag und die Lebensqualität ist enorm eingeschränkt. In so einem Fall sprechen Sie die Problematik am besten offen an und zeigen Empathie, indem sie Sätze wie „Ich kann mir vorstellen, wie sie sich gerade fühlen.“ verwenden. Das Beratungsgespräch sollte positiv geführt werden und den Betroffenen sollten Hilfsmöglichkeiten und Perspektiven aufgezeigt werden.

Diagnostik anhand von Leitsymptomen Der Therapeut diagnostiziert eine generalisierte Angststörung über verschiedene Symptome, die im ICD-10 (F41.1) gelistet sind: Befürchtungen (Sorge über zukünftiges Unglück, Nervosität, Konzentrationsschwierigkeiten usw.), motorische Spannungen (körperliche Unruhe, Spannungskopfschmerz, Zittern, Unfähigkeit, sich zu entspannen) sowie eine vegetative Übererregbarkeit (Benommenheit, Schwitzen, Tachykardie oder Tachypnoe, Oberbauchbeschwerden, Schwindelgefühle, Mundtrockenheit usw.) treten bei Angststörungen über einen Zeitraum von mehreren Wochen oder sogar mehreren Monaten auf.

Verschiedene Ursachen Bereits die physische Ausstattung der Frau erklärt das häufigere Erscheinen der Angststörungen, denn die geringere Muskelkraft, der niedrige Testosteronspiegel sowie das bescheidenere Aggressionspotenzial können zu einem latenten Gefühl der Bedrohung führen, insbesondere wenn es in der Vorgeschichte Traumata gibt. Psychische Erkrankungen gehen häufig mit Schuldgefühlen einher, daher fragen sich Betroffene oft nach den Gründen für ihre Störung. Zum einen werden genetische Ursachen diskutiert, weil Angehörige ebenfalls oft unter psychischen Problemen leiden. Zum anderen tragen psychische Auslöser wie traumatische Erlebnisse zur Entwicklung von Angststörungen bei.

Andere Erklärungsmodelle gehen von Stoffwechsel- und Funktionsstörungen im Gehirn aus, wobei das Verhältnis der Transmitter Noradrenalin, Serotonin und Gamma-​Aminobuttersäure eine Rolle spielt. Als Ursachen fungieren auch psychosoziale Faktoren wie ein ängstlich-fürsorglicher Erziehungsstil und eine daraus resultierende erlernte Hilflosigkeit sowie Traumata wie sexueller Missbrauch oder das Erleben von Katastrophen. Ängste lassen sich ebenfalls mit Hilfe des lerntheoretischen Ansatzes als angeeignete Fehlreaktion erklären. Negative Erfahrungen führen zu Angstgefühlen und einem daraus resultierenden Vermeidungsverhalten, das wiederum eine Stabilisierung der Angst zur Folge hat.

Der Umgang mit depressiven Kundinnen erfordert im Beratungsgespräch eine hohe Professionalität.

Psychotherapie und Medikamente Bei Angststörungen hat sich eine Kombination aus einer kognitiven Verhaltenstherapie sowie aus der Verordnung von Serotonin-Wiederaufnahmehemmer oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer bewährt. Zwar wirken Benzodiazepine auch angstlösend, jedoch werden sie aufgrund ihres hohen Abhängigkeitspotentials nur in Ausnahmefällen verschrieben.

Permanente NiedergeschlagenheitKlagen Kundinnen über extreme Traurigkeit, Interessenverlust, Antriebslosigkeit sowie über Erschöpfung, könnten sie an Depressionen leiden. Die Stimmungstiefs treten in den Wechseljahren vermehrt auf, insbesondere durch den Estrogenmangel, der sich auf die Serotoninausschüttung negativ auswirkt. In diesem Fall kann eine Hormonersatztherapie in Erwägung gezogen werden.

Wie erkennen Sie depressive Kundinnen? Betroffene verlangen im Beratungsgespräch gegebenenfalls nach einem Johanniskraut-Präparat oder haben vom Arzt ein Rezept über Antidepressiva (häufig: Serotonin-Wiederaufnahmehemmer oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, seltener Monoaminooxidase-Hemmer, Mirtazapin, Bupropion, Reboxetin, Trazodon, Agomelatin) erhalten. Das Beratungsgespräch mit depressiven Kundinnen stellt häufig eine Herausforderung dar, da ihre Grundhaltung aufgrund der Erkrankung generell negativ ist und sie Empfehlungen oder Medikamente unter Umständen abwerten. Sie sollten sich professionell verhalten und bei unangemessener Kritik den Bezug zur Symptomatik sehen.

Babyblues JungeMütter können nach der Geburt unter der sogenannten postpartalen Depression leiden. Anstatt sich über ihr Neugeborenes zu freuen, herrschen Gefühle von Traurigkeit, innerer Leere, Desinteresse, Antriebslosigkeit, Niedergeschlagenheit, Gereiztheit oder Wut gegenüber dem Kind. Manchmal leiden sie auch unter Ängsten oder Panikattacken. Man differenziert zwischen drei verschiedenen Schweregraden: Das postpartale Stimmungstief, auch Heultage oder Babyblues genannt, stellt die leichteste Variante dar und verschwindet spontan nach einigen Tagen. Die postpartale Depression (PPD) sowie die postpartale Psychose (PPP) bedürfen einer Behandlung.

Im Umgang mit Betroffenen ist unbedingt darauf zu achten, dass sie meist nicht über die Situation sprechen möchten, da sie Schuldgefühle und Scham empfinden. Sie fürchten sich vor dem alltäglichen Umgang mit ihrem Baby, zweifeln daran, eine gute Mutter zu werden oder haben Angst vor eigenen Fehlern. Erkennen Sie das seelische Tief, sollten Sie die jungen Mütter ermutigen, sich rasch Hilfe zu holen, da die Unterstützung sowohl für sie selbst als auch für die Entwicklung ihres Kindes von großer Bedeutung ist.

Den Artikel finden Sie auch in der Sonderausgabe Frauengesundheit der PTA IN DER APOTHEKE ab Seite 42.

Martina Görz, PTA, M.Sc. Psychologie und Fachjournalistin

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