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Hyposensibilisierung bei Kindern

ALLERGIEN KAUSAL BEHANDELN – TEIL 1

Gerade für Kinder können Allergien sehr belastend sein. Eine Spezifische Immuntherapie ist langwierig und erfordert hohe Motivation. Dafür bietet sie die Chance auf eine dauerhafte Linderung der Beschwerden.

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Der Nachwuchs will draußen herumtollen, zum Fußballtraining gehen – und natürlich ist in der Schule, bei Hausaufgaben und bei Klassenarbeiten auch während der Pollenflugsaison Konzentration gefragt. Viele Kinder fühlen sich aber durch ihre Allergie müde und schlapp, ihre Leistungsfähigkeit ist eingeschränkt. Und sollten sie bei starkem Pollenflug nicht lieber drinnen bleiben?!

Antihistaminika und Kortikosteroide können die Symptome – etwa die eines Heuschnupfens – zwar kurzfristig effektiv bekämpfen, doch sie wirken nicht nachhaltig. Und gerade Antihistaminika können müde machen.

Die Hyposensibilisierung stellt die einzige kausale Behandlung bei Allergien dar. Das Prinzip besteht darin, den Körper über einen längeren Zeitraum immer wieder mit dem allergieauslösenden Stoff zu konfrontieren. Dadurch kann langfristig eine Toleranz gegenüber dem Allergen erzeugt werden, die auch über die Beendigung der Therapie hinaus anhält. Weitere Bezeichnungen für dasselbe Therapieprinzip sind Spezifische Immuntherapie , Desensibilisierung oder Allergieimpfung.

Allergien bei Kindern nehmen zu Laut BzgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) handelt es sich bei Allergien um die häufigste chronische Erkrankung im Kindesalter. Ihre Häufigkeit steigt seit Jahren an. Dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey des Robert Koch-Instituts(KIGGS) zufolge leiden in Deutschland fast neun Prozent aller Kinder und Jugendlichen unter Heuschnupfen, sieben Prozent an Neurodermitis und gut drei Prozent haben Asthma. Laut Weißbuch Allergie sind sogar 16 Prozent von Heuschnupfen und 10 Prozent von Asthma betroffen.

Kontraindikationen
Nicht angewendet werden darf eine Spezifische Immuntherapie bei schwerem, teil- oder unkontrolliertem Asthma bronchiale. Als Kontraindikationen werden weiterhin Erkrankungen des Immunsystems sowie maligne Erkrankungen genannt. Bei HIV-Erkrankungen muss im Einzelfall abgewogen werden, ob eine SIT infrage kommt. Große Vorsicht ist geboten, wenn ein Patient gleichzeitig Beta-Blocker oder ACE-Hemmer einnimmt. Denn dies kann zu Problemen führen, wenn die Gabe von Epinephrin oder Adrenalin zur Behandlung von Komplikationen der SIT nötig sein sollte. Das gleiche gilt für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die die Anwendung dieser Medikamente risikoreich erscheinen lassen.

Eine Allergie entsteht, wenn der Körper auf an sich harmlose Stoffe, zum Beispiel Birken- oder Gräserpollen, mit einer übersteigerten Abwehrreaktion reagiert. Bei Betroffenen schwillt die Nase zu oder fängt an zu laufen, die Augen jucken und tränen. Ärzte sprechen bei diesen Symptomen von einer allergischen Rhinokonjunktivitis. Bei bis zu 40 Prozent aller Allergiker greifen die Beschwerden mit der Zeit auch auf die unteren Atemwege über – allergisches Asthma entsteht. Man nennt dieses Phänomen „Etagenwechsel“. Zudem reagieren viele Betroffene mit den Jahren auf immer mehr Stoffe allergisch.

Eine Hyposensibilisierung wirkt, wenn sie erfolgreich ist, auf mehreren Ebenen: Sie kann nicht nur die Allergiesymptome selbst bessern, sondern sie kann auch dazu führen, dass sich das Spektrum der Allergene, gegen die der Körper reagiert, nicht weiter ausbreitet. Schließlich ist erwiesen, dass sie das Risiko für einen Etagenwechsel senkt.

Anwendungsgebiete Die Hyposensibilisierung wird bei Heuschnupfen, allergischem kontrolliertem Asthma bronchiale und bei Insektengiftallergien eingesetzt. Sie kommt dann infrage, wenn eine ausreichende Meidung des Allergens nicht möglich ist. Voraussetzung ist, dass der Allergieauslöser bekannt ist. Schließlich muss das Allergen für die Therapie als Präparat mit nachgewiesener Wirksamkeit zur Verfügung stehen.

Die Leitlinien zur Spezifischen Immuntherapie bei IgE-vermittelten allergischen Erkrankungen empfehlen, bereits früh im Kindes- und Jugendalter mit der Hyposensibilisierung zu beginnen. Dies wird mit den guten präventiven Effekten – Verminderung der Neusensibilisierungen und des Asthmarisikos – begründet. Zudem sind bei einer kurzen Krankheitsdauer noch kaum irreversible Veränderungen aufgetreten.

Experten davon aus, dass die Erfolgsaussichten der Hyposensibilisierung gesteigert werden, wenn eine Pollenallergie dominierend ist, der Patient nicht gegen ganzjährig vorkommende Allergene sensibilisiert ist, ein schmales Allergiespektrum sowie eine kurze Erkrankungsdauer aufweist, die unteren Atemwege nur geringfügig beteiligt sind, der Patient noch jung ist und die Behandlung ganzjährig erfolgt. In der Praxis bedeutet dies, dass bei Kindern ab einem Alter von fünf bis sechs Jahren mit einer Hyposensibilisierung begonnen werden kann. Besonders bei schweren Insektengiftallergien ist die Behandlung aber auch schon früher möglich.

Wirksamkeit Durch Studien klar belegt ist die Wirksamkeit der Hyposensibilisierung bei Pollenallergien sowie bei allergischen systemischen Reaktionen gegen Insektengifte. Weniger klar ist die Datenlage zur Wirksamkeit bei Allergien gegen Tierhaare und Schimmelpilze. Hier kann eine Hyposensibilisierung versucht werden, allerdings steht das Vermeiden der Allergene bei diesen Allergien im Vordergrund. Auch bei Hausstaubmilben sollten Eltern versuchen, die Belastung mit dem Allergen so weit wie möglich zu verringern. Nur wenn dies nicht zur Syptomlinderung ausreicht, kann eine Hyposensibilisierung in Erwägung gezogen werden.

Nebenwirkungen Die meisten treten lokal auf, das heißt, in Form von Rötung oder Schwellung an der Einstichstelle beziehungsweise bei der sublingualen Applikation als Symptome im Mund. Schwere, lebensbedrohliche systemische Nebenwirkungen sind sehr selten und treten mit einer Häufigkeit von weniger als 1 : 10 000 auf. Die SLIT (sublinguale Immuntherapie) zeigt in Bezug auf anaphylaktische und andere schwere Reaktionen ein besseres Sicherheitsprofil als die SCIT (subkutane Immuntherapie).

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/13 ab Seite 78.

Dr. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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