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Gelotologie

ALLE MAL LACHEN!

Es klingt wie ein Widerspruch in sich selbst – aber doch, es gibt sie wirklich: Wissenschaftler, die sich ernsthaft mit dem Lachen beschäftigen, die Gelotologen. Sie erforschen, was das Lachen mit uns macht und ob Lachen wirklich die beste Medizin ist.

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Mit der Bedeutung des Humors und des Lachens haben sich bereits die Philosophen der Antike auseinandergesetzt. So auch Aristoteles, wie wir zum Beispiel in dem Roman „Der Name der Rose“ von Umberto Eco erfahren. Der Universalgelehrte hatte sich mit dem Lachen beschäftigt und beschreibt in seinem Buch über die Komödie die positiven Auswirkungen des Lachens. Doch der griesgrämige Benediktinermönch Jorge von Burgos verteidigt die feindliche Haltung der mittelalterlichen christlichen Kirche gegenüber dem Lachen: „Die Komödien wurden geschrieben, um die Leute zum Lachen zu bringen, und das war schlecht.“

So vergiftet er die Seiten des Buches mit einem Kontaktgift, was fünf neugierige Mönche das Leben kostet. Dass ein Buch über das Lachen jemals von Aristoteles verfasst wurde, ist Romanfiktion aus der Feder des Mittelalterforschers Eco, überliefert ist jedoch die Erkenntnis des antiken Philosophen, dass das Lachen den Menschen vom Tier unterscheide und ihn somit einzigartig mache. Diese aristotelische Weisheit wurde jedoch von Charles Darwin widerlegt, der festhielt, dass Menschenaffen durchaus in der Lage sind zu lachen und zu kichern, beispielsweise wenn man sie kitzelt.

Über den Ursprung des Lachens gibt es verschiedene Theorien. So vermuteten Verhaltensforscher wie Irenäus Eibl-Eibesfeldt, dass sich das Lachen aus einer Drohgebärde entwickelt hat, dem Zähnefletschen oder Zähnezeigen. Was nach außen als Drohung wirken soll, verbindet jedoch innerhalb der eigenen Gruppe: Es stärkt das Sozialgefüge und entschärft Konflikte. Es dient als Beschwichtigung und Unterordnung und kann ein Zeichen spielerischer Absicht sein. Lachen hängt demnach vor allem von den sozialen Fähigkeiten einer Spezies ab.

Lachen gegen Schmerzen Als Begründer der modernen Gelotologie gilt der Psychiater William F. Fry. Er untersuchte in den sechziger Jahren, was in unserem Körper passiert, wenn wir lachen, und wie sich diese Wirkung therapeutisch nutzen lässt. Ein wichtiger Auslöser für seine Forschungen war der Kranken- und Genesungsbericht des Journalisten Norman Cousins, der im New England Journal of Medicine 1977 erschien: Cousins litt an einer unheilbaren, schmerzhaften entzündlichen Erkrankung der Wirbelsäule, der Spondylarthritis.

Trotz der schlechten Prognose gab er nicht auf und suchte nach möglichen Therapien. Bei seiner Suche stieß er auf die Erkenntnis, dass ein positiver Gemütszustand zur Stärkung des Immunsystems führt, Niedergeschlagenheit sowie eine negative Lebenseinstellung hingegen zu einer Störung im innersekretorischen System des Körpers. Der Journalist begann sich lustige Filme anzusehen und hielt fest, wie das dadurch ausgelöste Lachen auf seine Schmerzen wirkte: Zehn Minuten Lachen führte dazu, dass er etwa zwei Stunden schmerzfrei schlafen konnte. Seine subjektiven Eindrücke wurden durch labormedizinische Untersuchungen bestätigt: Sein Humorprogramm führte dazu, dass die Entzündungsparameter in seinem Körper sukzessive und signifikant abnahmen.

18 Bedeutungen Lachen ist nicht gleich Lachen. 18 verschiedene Bedeutungen zählen die Lachforscher: zum Beispiel ein fieses Auslachen, ein freundliches Grinsen zur Begrüßung der Nachbarin, die man am Briefkasten getroffen hat, ein künstliches Lächeln aus Nervosität, wenn die Chefin uns ins Büro zitiert, oder auch das leicht gequälte Gekichere, wenn wir gekitzelt werden. Eine Variante des Lachens ist das spontane ehrliche Vergnügen. Man erkennt es daran, dass sich beide Mundwinkel gleichzeitig nach oben ziehen und sich Krähenfüße um die Augen bilden. An diesem sogenannten „echten“ Duchenne-Lächeln sind etwa 20 Gesichtsmuskeln beteiligt und wenn die Lachsalve erst richtig losgeht, rund 100 weitere Körpermuskeln vor allem das Zwerchfell, Brust- und Bauchmuskulatur. Manchmal schüttelt es den ganzen Körper vor Lachen.

Das Ausatmen erfolgt dabei im Staccato, bei dem sich fast das gesamte Lungenvolumen entleert, gefolgt von tiefem, langen Einatmen. Eine Übung, die auch Sänger beim Einsingen durchführen oder die beim Yoga praktiziert wird. Dadurch wird der Körper verstärkt mit Sauerstoff versorgt, der Brustkorb geweitet und die gesamte Lunge durchlüftet. Herz- und Kreislauf werden angeregt, Puls und Blutdruck steigen kurzfristig an und senken sich anschließend wieder. Auch die Muskulatur entspannt sich nach dem Lachen, Körperspannungen, aber auch psychische Anspannung werde dadurch gelöst.

Ohne unerwünschte Nebenwirkung Lachen wirkt sich auch auf den Hormonhaushalt und die Ausschüttung von Neurotransmittern aus: Die Stresshormone Cortison und Adrenalin werden reduziert, Glückshormone wie Serotonin sowie Endorphine werden verstärkt ausgeschüttet. Ein richtiger Lachanfall soll sogar Empfindungen wie nach der Einnahme von Kokain auslösen. Wie das Lachen aufs Immunsystem wirkt, beschreiben der amerikanische Immunologe Lee S. Berk und sein Team: Die Aktivität der T-Lymphozyten, den sogenannten Killerzellen, nimmt zu und der IgA-Spiegel steigt. Das von den Zellen zur Bekämpfung von Viren ausgeschüttete Gamma-Interferon wird vermehrt gebildet.

Möglicherweise eine Erklärung dafür, warum fröhliche Menschen seltener krank sind. Es ließen sich viele Untersuchungen zitieren, die belegen, welch positive Auswirkungen das Lachen auf den Körper und die Psyche hat. Alle meist an einem kleinen Kollektiv durchgeführt, natürlich nicht verblindet – das wäre ja etwas schwierig, aber teilweise mit einem Kontrollkollektiv. Doch ich denke, wir merken gerade in den aktuellen Zeiten, wie sehr uns das Lachen mit Freunden fehlt und wie gut uns manchmal ein witziger Spruch tut, den jemand per WhatsApp geschickt hat, der uns zum Schmunzeln oder sogar zum lauthals Lachen bringt: „You made my day!“, schreiben wir dann manchmal zurück, „Du hast mir den Tag gerettet!“ – Danke für diesen Lacher!

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/2020 ab Seite 108.

Dr. Susanne Poth, Apothekerin/Redaktion

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