Kopfweh, Übelkeit, Schwindel – ein Kater ohne vorangegangenen Alkoholkonsum. Könnten Darmbakterien verantwortlich dafür sein? © tommaso79 / iStock / Getty Images Plus

Problemkeime | alkoholische Fettleber

KATER OHNE RAUSCH: DARMBAKTERIEN PRODUZIEREN ALKOHOL

Ein Gläschen zu viel getrunken und am nächsten Tag wird man durch einen dicken Kopf bestraft. Übermäßiger Alkoholkonsum kann sogar zu einer alkoholischen Fettleber führen. Doch was, wenn man gar nichts getrunken hat und trotzdem unter den Folgen zu leiden hat?

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Etwa ein Viertel der Weltbevölkerung sind von der Diagnose Fettleber betroffen. Und das ohne erhöhten Alkoholkonsum. Die Leber wird zunehmend durch Fettablagerung belastet, sie kann ihren Aufgaben nicht mehr ausreichend nachkommen – im schlimmsten Fall entwickelt sich eine Zirrhose, ein Zustand der nicht mehr reversibel ist. Die Erkrankung wird dann als nichtalkoholische Fettleber (NAFLD) bezeichnet, Adipositas und Diabetes gelten als Risikofaktoren, doch die genauen Entstehungsmechanismen sind noch unklar. Anscheinend spielt Alkohol doch eine Rolle, auch wenn keiner getrunken wird.

Die Forscher um Jing Yuan vom Capital Institute of Pediatrics in Peking kamen dem Phänomen durch einen besonderen Fall auf die Schliche: Bei einem Patienten vermuteten sie das sogenannte Eigenbrauer-Syndrom, eine seltenen Darmerkrankung bei der es zu einer Fehlbesiedlung mit Hefepilzen kommt, die im Darm Kohlenhydrate in große Mengen Alkohol umsetzen. Der Betroffene wirkte ohne Alkoholkonsum regelmäßig betrunken, alleine der Verzehr zuckerreicher Speisen genügte, um einen Rauschzustand herzustellen. Langfristig drohten so gesundheitliche Schäden, der Patient litt bereits unter Leberschäden.

Die Forscher gingen also von einem Eigenbrauer-Syndrom aus: „Wir dachten deshalb, dass Hefen für den Effekt verantwortlich sind – aber das Testergebnis für diesen Patienten war negativ und auch ein Medikament zur Bekämpfung von Hefe-Pilzen zeigte keine Wirkung“. Eine Stuhlprobenanalyse entlarvte dann die eigentlichen Täter: ungewöhnlich produktive Klebsiella pneumonia. Die Untersuchungen zeigten, dass die Bakterien bis zu sechsmal mehr Alkohol produzieren als Bakterienstämme gesunder Menschen. „Wir waren überrascht, wie viel Alkohol diese Bakterien produzieren können“, erklärt Yuan. Sein Kollege Di Liu von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking ergänzt: „Wenn Sie viele dieser Mikroben im Darm haben, ist Ihr Körper ständig Alkohol ausgesetzt“. Könnten diese Bakterien auch an der Entwicklung einer vermeintlichen NAFLD schuld sein?

Das Team untersuchte daraufhin das Darmmikrobiom von 43 NAFLD-Patienten und 48 gesunden Probanden. Das Ergebnis: Etwa 60 Prozent der NAFLD-Patienten wiesen eine Besiedlung mit hoch- und mittelstark alkoholproduzierenden Klebsiella-Bakterien auf, lediglich sechs Prozent der Vergleichsgruppe zeigten ebenfalls positive Proben. Zur Überprüfung ihrer These, dass die Bakterien an der Entstehung einer Fettleber beteiligt sind, pflanzten die Forscher den Stamm in den Verdauungstrakt gesunder Mäuse. Tatsächlich begannen die Mäuse eine Fettleber zu entwickeln, bereits nach zwei Monaten zeigte sich Narbengewebe – ein Anzeichen für massive Leberschäden. Die Symptome glichen denen der Versuchstiere, die mit Alkohol gefüttert wurden.

„NAFLD ist eine Erkrankung, die viele Ursachen haben kann“, betont Yuan. „Aus unserer Studie geht nun allerdings hervor, dass eine Besiedlung durch bestimmte Klebsiella-Bakterien eine davon sein kann“. Doch warum kommen die Bakterien in manchen Verdauungstrakten eher vor als in anderen? „Wahrscheinlich gelangen diese Bakterien über bestimmte Träger aus der Umwelt in den Körper, beispielsweise über Lebensmittel“, sagt Liu. „Einige Menschen haben möglicherweise eine Darmumgebung, die besser für das Wachstum und die Besiedlung dieser Mikroben geeignet ist als andere“. Die genauen Faktoren, die zu einer solchen Fehlbesiedelung führen, wollen die Forscher nun in Folgestudien untersuchen. Da eine Fettleber in frühen Stadien entdeckt noch reversibel ist, erhoffen sich die Forscher von den Erkenntnissen eine verbesserte Diagnostik und Behandlung der Erkrankung.

Farina Haase,
Apothekerin/Redaktion

Quelle: www.wissenschaft.de

×