© Faust-Museum / Faust-Archiv Knittlingen

Schon mal da Gewesen?

RENAISSANCE BIS HEUTE

Weit über die Grenzen der Region hinaus bekannt ist das seit 1980 im alten Rathaus in Knittlingen etablierte Faust-Museum. Hier wird der faustische Mythos umfassend dargestellt.

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Dessen Dokumentierung reicht von seinem historischen Ursprung, der um 1480 in Knittlingen als Geburtsort des historischen Georg Johann Faust seinen Anfang nahm und über die mündliche Tradierung, die „oral poetry“, die Volksbücher und Puppenspiele zu den verschiedenen literarischen Interpretationen des Faust-Mythos von Goethe bis Thomas Mann. Auch alle anderen Medien wie Musik, Theater oder Film greifen bis heute das Thema auf. „Faust“ erweist sich in der chronologisch aufgebauten Ausstellung als unendlich wandelbar.

Prägend und polarisierend Im Faust-Museum wird die Lebenswelt der Renaissance mit ihren prägenden Umwälzungen in fast allen Feldern der Geistes- und Kulturgeschichte auch über die Zeitgenossen Georg Johann Fausts eindrücklich. Die Entdeckung Amerikas durch Columbus als Horizonterweiterung, die Glaubenskämpfe und die Reformation mit ihren Vertretern wie Philipp Melanchthon als Faktoren einer ins Wanken geratenen Weltordnung, aber auch Wegbereiter der stückweisen Verschiebung bis dato fest gesetzter Grenzen des menschlichen Aktionsradius‘, wie Leonardo da Vinci – dies sind die Ankerpunkte, die eine ganze Epoche prägten und in der Georg Johann Faust wohl durch seine Praktiken, seine Künste, aber auch seine Persönlichkeit polarisierte.

Aus dem Geburtshaus des Faust in Knittlingen, dem Hause „allwo fausten born“, stammt ein im 19. Jahrhundert gefundener, in der Scheune vergrabener sternförmiger Holzschrank mit Intarsien, die eindeutig auf alchemistisches Gedankengut und Praktiken verweisen. Erde, Feuer, Wasser, Luft, Quecksilber und „Sal“, das von Paracelsus (auch er ein Zeitgenosse Fausts!) bestimmte „fünfte“ Element – der „Giftschrank des Doktor Faust“ ist ein absolutes Unikat, von dem weltweit kein zweites Exemplar dieser Art überliefert wurde.

Die Gretchenfrage Johann Wolfgang von Goethe bringt ein neues Element hinein und lässt Faust selbst zum Verführer werden: die Gretchentragödie wird als zweite Säule neben die „Wissenschaftler“- oder „Gelehrtentragödie“ eingefügt. Mit dem Gretchen wird so ein weiterer, menschlicher Weg des Fehlens, der Verführbarkeit abgebildet: nicht über die Ratio, wie Faust, sondern über die Liebe. Im Faust-Museum sind Faksimile der Brockenszene, Erstausgaben sowie eine wunderbare Illustrationen des Goetheschen Faust zu bewundern, darunter auch ein Gretchen-Porträt von Salvador Dalì.

Zu der Dauerausstellung im Faust-Museum gehört auch das auf der anderen Seite der Kirche befindliche Faust-Archiv, das in der alten Lateinschule neben Fausts Geburtshaus eine der umfangreichsten Spezialbibliotheken zum Thema Faust mit über 6000 Titeln beherbergt. Über das ganze Jahr hinweg finden hier im barocken Schulsaal Vorträge, Konzerte und Ausstellungen statt.

KONTAKT
Faust-Museum/Faust-Archiv
Kirchplatz 9
75438 Knittlingen

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 09/17 auf Seite 136.

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