© Paul-Felix Heinisch

Bücher, von denen man spricht

AB IN DIE KÜCHE!

Drei Autoren bringen Gesundes in unsere Kochtöpfe. Franz Keller mahnt zur Besinnung auf Einfaches. Stuart Farrimond perfektioniert die Küche mit ausgetüftelten Gewürzaromen und Nigel Slater verführt mit saisonaler, fleischloser, leichter Kost.

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Es war der letzte Gang von Olympus, einem treuherzigen und sanftmütigen Limousin-Bullen, der bei Franz Keller auf dem Falkenhof lebte. Der ehemalige Spitzenkoch sorgt dafür, dass die Tiere, die später bei ihm im Restaurant auf dem Teller landen, vorher ein gutes Leben bei ihm haben und ist normalerweise fürsorglich, aber nicht sentimental. Nur bei Olympus war das ein bisschen anders. Der 800-Kilo-​Brocken folgte seinem Herrn auf Zuruf wie ein Hund und ließ sich sehr gern hinter den Ohren kraulen. Doch jetzt war seine Zeit gekommen. Olympus wurde gebrechlich und war kaum noch in der Lage zu laufen. Franz Keller begleitete ihn ins nahe gelegene Schlachthaus. Zutraulich trottete der Stier hinterdrein.

Sein Herr setzte selbst den Bolzenschussapparat an. Von der Zeit danach weiß Keller nicht mehr viel; er fand sich selbst später an einer Bushaltestelle sitzend, einen leeren Flachmann mit Cognac in der Hand. Er fühlte sich, als habe er einen Verrat begangen. Diese Geschichte erzählt Keller in seinem neuen Buch „Ab in die Küche“: „Die Tiere, die uns ernähren und von denen wir leben, sind mitfühlende Wesen und wir sind dazu verpflichtet, sie mit dem nötigen Respekt zu behandeln“, sagt er. Doch genau das werde durch eine EU-subventionierte Massenproduktion beinahe unmöglich gemacht: „Es geht immer nur um ökonomische Effizienz“.

Da bleibt kein Platz für Kühe, die ein anständiges Leben fern von Spaltböden haben möchten. Keller, der auch schon in seinem Erstling „Vom Einfachen das Beste“ eine Umkehr unseres Ernährungsverhaltens forderte, geht diesmal noch einen Schritt weiter, ist wirklich wütend und fordert einen Richtungswechsel. Denn er ist sich sicher, dass die Bevölkerung bereit ist für eine Agrar- und Lebensmittelwende, auch wenn das Kilo Rindfleisch dann mehr kosten würde. Der beste Weg, diese Wende zu erreichen, findet Keller, ist das eigenhändige Kochen. Er glaubt fest daran, dass so die Absurdität der Lebensmittelverschwendung ein Ende haben kann, wenn wir auf TK-Pizza und Fast-Food-Burger verzichten.

Franz Keller: Ab in die Küche! Westend Verlag. 224 Seiten, 24 Euro, ISBN 978-3-86489-266-0

Und er liefert gleich noch ein paar Zahlen dazu: Auch die Darmkrebserkrankungen würden zurückgehen, wenn die 60 Prozent der Deutschen, die kaum oder nur gelegentlich ihre Mahlzeiten selbst zubereiten, den Kochlöffel wieder regelmäßig in die Hand nehmen würden. Der praktische Teil des Buches macht Laune, denn er beschäftigt sich mit ganz einfachen Dingen. Mit Tomaten, Kartoffeln und Graupen beispielsweise. Wie koche ich ein Sugo? Wie eine richtig gute Hühnerbrühe? Wie fertige ich einen superleckeren und supereinfachen Kartoffelsalat? Und wieso will Keller das Wort „Restverwertung“ abschaffen?

„Wir denken in Folgegerichten“ sagt er würdevoll und macht gleich ein paar Vorschläge: Das Suppenfleisch wird zum „Pot au feu“, die Gemüseeinlage zu Lauch, Salzkartoffeln und Vinaigrette, und eine Flädlesuppe samt Kartoffeln mit Fleischsalat ist auch noch drin. Wie bereits in seinem ersten Buch ist Franz Keller von wohltuend praktischem Sinn. Seine Gerichte sind einfach und schmecken, sie setzen auf Frische und den Satz: Die besten Lebensmittel haben keine Zutatenliste. Was braucht der Hobbykoch von heute in seiner Küche? Einen Herd, ein paar Töpfe, Pfannen und Messer. Elektrogeräte? „Hier kann man auf fast alles verzichten, denn eigentlich braucht man nur einen Stabmixer“. Und dann gilt es loszulegen, denn Franz Keller ist sich sicher: „Kochen ist eine Lebenseinstellung. Es führt Kopf und Bauch, Hirn und Herz wieder zusammen.“

Das Periodensystem der Gewürze Ach, die Wissenschaft: Sie macht auch vor Gewürzen nicht halt. Wer bisher eine Prise von diesem und eine Messerspitze von jenem ins Rührei getan hat, bekommt nun Schützenhilfe. Dr. Stuart Farrimond, ein britischer Ranga Yogeshwar mit vielen eigenen Fernsehsendungen, in denen er die naturwissenschaftliche Seite des Kochens erklärt, hat ein „Periodensystem der Gewürze“ verfasst, was chemisch versierte PTA interessieren dürfte. Es klingt ein bisschen kompliziert, ist es aber nicht: Zwölf Aromagruppen verbinden per Farblegende bestimmte Gewürzprofile, die dann miteinander zu stimmigen Mischungen kombiniert werden können. So erkennt man auf den ersten Blick, was richtig gut zusammenpasst.

Hobby-Botaniker lernen, welche Pflanzenteile verwendet werden und dass Terpene sowohl wärmend als auch duftend und erdig sein können. Farrimond folgt in 40 Regionenporträts den alten Handelsstraßen und präsentiert deren typische Mischungen. Er teilt mit, was in Wasser gekocht, in Fett gebrutzelt oder im Mörser gestoßen werden soll; erzählt, warum Ali Baba „Sesam öffne dich“ ausrief und dass Knoblauch, „das kräftigste Gewürz von allen“, die ägyptischen Sklaven beim Pyramidenbauen gesund erhalten hat. Ein paar der ausgetüfteltesten Gewürzmischungen bekommen ihren Platz in eigens dafür angepassten Rezepten aus der ganzen Welt. Ein großformatiges, liebevoll aufgemachtes Brevier nicht nur für Hobbyköche.

Dr. Stuart Farrimond: Gewürze. Aromen kombinieren, Kochen perfektionieren 224 Seiten, mit 150 farbigen Fotos, 60 Karten und 150 Illustrationen. Dorling Kindersley (DK) Verlag. 24,95 Euro, ISBN 978-3-8310-3834-3

Greenfeast: 110mal grünes Gelage Der DuMont Buchverlag hat ein weiteres Werk des britischen Kochbuchpoeten Nigel Slater ins Deutsche übersetzen lassen: Greenfeast ist der erste Band einer zweiteiligen Reihe, die sich mit jahreszeitlicher Küche beschäftigt und umfasst den Frühling und den Sommer. Slater genießt in seiner Heimat Kultstatus, zählt zu den bekanntesten Food-Journalisten der Welt und hat die Gabe, Gerichte, Lebensmittel und Zubereitungsarten so zu beschreiben, dass einem nicht nur das Wasser im Munde zusammenläuft, sondern sich auch größere Sinnzusammenhänge erschließen. Wer das nicht glaubt, sollte unbedingt nachlesen: Greenfeast ist das erste vegetarische Kochbuch Nigel Slaters, der bei Durchsicht seiner Küchentagebücher entdeckte, dass sich sein privates Essverhalten grundlegend geändert hatte.

War er vorher bekannt für seine eher fleischlastigen, kalorienreichen Gerichte, so hatte sich das in Richtung fleischloser, leichterer Kost geändert, ohne dass er explizit Vegetarier geworden wäre. Sie sind perfekt für Menschen, die weniger Fleisch essen wollen, aber keine Kompromisse im Hinblick auf Geschmack und Einfachheit der Zubereitung machen wollen. Gebackenes Frühlingsgemüse mit Erdnusssoße und Reis, Gebackener Ricotta mit Grünspargel, Spätsommerfrüchte unter krümeliger Kekskruste – wer unter den 110 vegetarischen und veganen Rezepten nichts Passendes findet, ist selbst schuld. Im September soll der zweite Band Greenfeast Herbst/Winter erscheinen.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/2020 ab Seite 130.

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

Nigel Slater: Greenfeast Aus dem Englischen von Sofia Blind. Mit 110 Rezepturen und farbigen Abbildungen, 336 Seiten, DuMont Buchverlag. Gebunden in Leinen mit Goldprägung und zwei Lesebändchen, 28 Euro, ISBN 978-3-8321-9973-9

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