Blasenentzündung
PTA-Fortbildung

Leichtsinn mit Folgen

Auch wenn die Sonne schon angenehm wärmt, der Boden ist noch kühl. So manch eine, die es sich auf dem Rasen gemütlich macht, bereut es kurz danach. Dann zwickt es und sie ist da – die Blasenentzündung.

19 Minuten

Häufiger Harndrang sowie Brennen beim Wasserlassen sind meist charakteristische Zeichen einer Zystitis. Sie gehört zu den häufigsten Infektionskrankheiten in der westlichen Welt. Bis zu 70 Prozent aller Frauen erkranken mindestens einmal im Leben daran. Darüber hinaus kommt es bei der Hälfte der Betroffenen schon nach kurzer Zeit zu einer erneuten Infektion. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass Blasenentzündungen in der Apotheke ein häufiges und wichtiges Beratungsfeld darstellen. Viele suchen vor einem Arztbesuch erst einmal den Rat von PTA oder Apotheker in der Hoffnung, einer Antibiose zu entgehen. Und das ist in den meisten Fällen auch sinnvoll.

Selbstmedikation möglich In vielen Fällen kann die Behandlung einer Zystitis ohne Antibiotika eingeleitet werden. Obwohl Blasenentzündungen bakteriell ausgelöst sind, ist nicht immer zwingend eine Antibiose notwendig. Bei den Experten hat inzwischen ein Umdenken stattgefunden, das Aufnahme in die aktuellen Leitlinien gefunden hat. Entgegen der früher allgemein praktizierten Vorgehensweise, Bakterien immer sofort antibiotisch zu eradizieren, liegt heute der Fokus bei einer unkomplizierten Blasenentzündung auf der raschen Linderung der Symptome. Nach derzeitiger Auffassung der Leitlinienautoren ist bei leichten bis moderaten Beschwerden in Abstimmung mit der Patientin eine rein symptomatische Behandlung zu erwägen.

Als geeignete Schmerzmittel werden Ibuprofen und Paracetamol genannt. Zudem haben sich in der Praxis Pflanzenextrakte bewährt. Sie stellen eine vielversprechende Therapieoption mit zusätzlichen Vorteilen dar. Voraussetzung für eine antibiotikafreie Therapie ist aber, dass sich die Infektion auf die Harnblase beschränkt. In diesem Fall geht man von einer unkomplizierten Zystitis aus, bei der die Gefahr von Komplikationen gering ist. Zudem ist sie erfahrungsgemäß mit einer hohen Spontanheilungsrate verbunden (30 bis 50 Prozent nach einer Woche). Definitionsgemäß wird eine Harnwegsinfektion als unkompliziert eingestuft, wenn keine anatomischen Veränderungen oder funktionelle Anomalien sowie keine relevanten Nierenfunktionsstörungen oder Begleiterkrankungen vorliegen.

Typischerweise ist eine Blasenentzündung mit leichten bis mittleren Beschwerden bei einer nicht-schwangeren, erwachsenen Frau im gebärfähigen Alter ein Paradebeispiel für einen Therapieversuch in Eigenregie. Aber auch ältere Frauen nach der Menopause ohne Begleiterkrankungen benötigen bei einer unkomplizierten Zystitis ebenso wie die jüngeren häufig keine Antibiotika. Letztendlich ist bei der Entscheidung auf einen Antibiotikaverzicht immer der Wunsch der Betroffenen zu berücksichtigen. Die Leitlinie betont, dass die Patientin darüber informiert sein muss, dass die Symptome ohne Antibiose meist zwei Tage länger andauern und die Infektion häufiger ins Nierenbecken aufsteigen und eine Nierenbeckenentzündung (Pyelonephritis) verursachen kann.

LERNZIELE

Lernen Sie in dieser von der Bundesapothekerkammer akkreditierten Fortbildung unter anderem,

+ wie sich eine unkomplizierte Blasenentzündung von einer komplizierten unterscheidet,
+ warum eine Blasenentzündung bei Männern kein Fall für die Selbstmedikation ist,
+ die leitlinienkonforme Therapie mit Antibiotika kennen und
+ welche Phytopharmaka Sie in der Selbstmedikation oder therapiebegleitend empfehlen können.

Arzt oder Apotheke? Als kompliziert gelten hingegen Blasenentzündungen bei Patienten mit besonderen Risikofaktoren für einen schweren Verlauf oder Folgeschäden. Dazu gehören beispielsweise Männer, Schwangere, Kinder sowie geriatrische, immunsupprimierte oder Diabetes-Patienten mit instabiler Stoffwechsellage. Diese speziellen Personengruppen gehören immer zum Arzt. Bei ihnen wird häufiger als bei anderen eine Antibiotikatherapie erforderlich, da sie anfälliger für Verläufe sind, die sich ausweiten, chronifizieren oder gravierende Folgeerkrankungen nach sich ziehen können. Ebenso handelt es sich um komplizierte Infektionen, wenn die Erreger ins Nierenbecken aufgestiegen sind. Eine Pyelonephritis erfordert so schnell wie möglich eine Antibiose.

Bei unzureichender Behandlung sind bleibende Nierenparenchymschäden oder ein Nierenversagen gefürchtete Komplikationen. Zudem besteht die Gefahr, dass sich die Erreger im ganzen Körper über das Blutsystem ausbreiten und eine lebensbedrohliche Blutvergiftung (Urosepsis) auslösen. Aber auch unkomplizierte Blasenentzündungen können ein Fall für den Arzt werden. Bessern sich die Beschwerden trotz symptomatischer Behandlung nicht oder dauern sie schon länger als fünf Tage an, sind meist Antibiotika notwendig. Ebenso gehören häufige Rezidive in ärztliche Hand.

Definitionsgemäß spricht man von einer rezidivierenden Blasenentzündung, wenn drei oder mehr Infektionen in den letzten zwölf Monaten oder mehr als zwei pro Halbjahr auftreten. Auch wenn die meisten Rezidive unkompliziert verlaufen, sollten sich Betroffene urologisch untersuchen lassen, um bisher nicht erkannte Risikofaktoren (z. B. Anomalie der Harnwege mit Harnabflussstörungen) zu erkennen. Bei der Abgabe von Harnwegstherapeutika ist also immer ein ausführliches Beratungsgespräch erforderlich, um die Grenzen der Selbstmedikation auszuloten. PTA und Apotheker sollten die Symptome kennen, die auf einen komplizierten Verlauf deuten und damit eine ärztliche Behandlung notwendig machen.

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