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Herpesinfektionen
PTA-Fortbildung

Eine schreckliche Familie

Herpes ist nicht gleich Herpes. Ein unschöner Lippenherpes, juckende Windpocken oder eine schmerzhafte Gürtelrose sind nur die bekanntesten unter den verschiedenen Herpesinfektionen.

20 Minuten

Für die unterschiedlichen Erkrankungen sind verschiedene Herpesviren verantwortlich. Während einige der Viren in der Regel lediglich harmlose Infektionen hervorrufen, sind andere mit schwerwiegenden Manifestationen oder Komplikationen assoziiert. Die Familie der Herpesviren ist groß. Etwa einhundert Herpesviren sind weltweit verbreitet, von denen acht Typen für den Menschen infektiös sind. Ein Großteil der Bevölkerung ist mit ihnen infiziert, häufig ohne es zu wissen. Die meisten tragen den verbreitetsten Herpesviren-Typ, den Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1) in sich. Bei mehr als 90 Prozent der Erwachsenen lassen sich Antikörper gegen HSV-1 nachweisen.

Das Virus ist Hauptverursacher des Lippenherpes (Herpes labialis), zunehmend ist er aber auch für Infektionen der Geschlechtsorgane (Herpes genitalis) verantwortlich. In der Mehrzahl der Fälle rühren die schmerzhaften, nässenden Ausschläge am Penis, an der Scheide oder im Analbereich jedoch vom Herpes simplex-Virus Typ 2 (HSV-2). Eine hohe Durchseuchung liegt zudem mit dem Varizella-Zoster-Virus (VZV) vor, das sich bei Erstkontakt als Windpocken manifestiert und sich später in Form einer Gürtelrose (Herpes zoster) wieder zeigt.

Das Epstein-Barr-Virus (EBV) löst als Erstmanifestation eine infektiöse Mononukleose aus, besser bekannt als Pfeiffersches Drüsenfieber, das vorwiegend Kinder und Jugendliche trifft. Schwere Infektionen sind bei Personen mit einer Immunschwäche durch Infektionen mit dem Zytomegalie-Virus (CMV) und dem Humanen Herpesvirus 8 (HHV-8) gefürchtet. Die Humanen Herpesviren (HHV) Typ 6 und 7 bedingen hingegen eher harmlose Infektionen wie das Dreitagefieber, das vor allem bei Kindern zwischen sechs Monaten und drei Jahren ausbricht.

Lebenslang latent infiziert Die auffälligste Gemeinsamkeit der Herpesviren ist, dass man sie nicht mehr loswird. Wer sich einmal mit Herpesviren infiziert hat, behält sie ein Leben lang in seinem Körper. Nach der ersten Infektion „kriechen“ die Viren entlang der Nervenbahnen in die Nervenknoten, also die Ganglien, beispielsweise des Rückenmarks oder des Trigeminus- Nervs. Dort verstecken sie sich quasi, indem sie in einer Art Ruhezustand (Latenzstadium) überdauern, ohne den Wirt zu schädigen. Erst wenn das Immunsystem geschwächt ist, etwa bei Stress, Infektionskrankheiten oder durch andere Erkrankungen, die mit einer Abwehrschwäche einhergehen, werden die schlafenden Herpesviren wieder aktiv und damit virulent. Bis dahin können Wochen, Monate, Jahre oder gar Jahrzehnte vergehen. Dann wandert das Herpesvirus entlang der Nervenbahn wieder zurück an die Oberfläche, vermehrt sich explosionsartig und löst je nach Virus- Typ äußerst unterschiedliche Erkrankungen aus.

LERNZIELE

Lernen Sie in dieser von der Bundesapothekerkammer akkreditierten Fortbildung:
+ die große Familie der Herpes-Viren kennen,
+ welche verschiedenen Symptome die unterschiedlichen Herpes-Erkrankungen mit sich bringen,
+ den typischen Verlauf eines Lippenherpes und seine Therapieoptionen kennen,
+ was den Genitalherpes auszeichnet,
+ welche Erkrankungen das Varizella-Zoster-Virus auslöst
+ sowie den Unterschied zwischen Windpocken und einer Gürtelrose kennen.

Lästige Bläschen Herpes simplex-Viren manifestieren sich beispielsweise als juckende, mit Flüssigkeit gefüllte Bläschen. Typ 1 löst typischerweise den Herpes labialis aus. Bevorzugt werden die Bereiche am Übergang von Schleimhaut zu normaler Haut infiziert, sodass sich die Bläschen besonders am Übergang zum Lippenrot und in den Mundwinkeln präsentieren. Sie können sich aber auch an anderen Stellen im Gesicht wie Augen, Nase oder Ohren ausbreiten.

Zudem kann HSV-1 durch oro-genitalen Kontakt von der Lippe auf die Geschlechtsorgane übertragen werden und einen Herpes genitalis verursachen. In der Mehrzahl der Fälle ist dafür jedoch HSV-2 verantwortlich. Der umgekehrte Fall ist natürlich auch möglich, dann finden sich Läsionen durch Infektionen mit HSV-2 im Gesicht. Häufig wird aufgrund der Lokalisationsüberschneidungen keine Trennung mehr in die verschiedenen Herpes simplex-Infektionen vorgenommen. Nachfolgend werden beide Krankheitsbilder dennoch separat vorgestellt.

Klassischer Lippenherpes Die Ansteckung mit HSV-1 findet in der Regel bereits im Kindesalter statt, wobei sich die Primärinfektion bei den Kleinen selten in Hautbläschen und Schwellungen an den Lippen oder als Mundfäule (Stomatitis aphthosa), einer schmerzhaften und mit hohem Fieber einhergehenden Entzündung der Mundschleimhaut, manifestiert. Meist verläuft sie hingegen symptomlos und wird somit häufig gar nicht wahrgenommen. Der Übertragungsweg erfolgt direkt durch Tröpfchen- oder Schmierinfektion, meist beim Schmusen mit den Eltern. Das Virus kann auch übertragen werden, wenn der Virusträger selber symptomlos ist. Zudem ist eine indirekte Infektion durch die gemeinsame Benutzung von Besteck und Gläsern möglich.

Die Viren ziehen sich über die Schleimhautzellen des Mund-Rachen-Raumes in den kindlichen Organismus zurück, vor allem in die Nervenknoten der Gesichtsnerven (Trigeminal-Ganglien), wo sie ein Leben lang in einem inaktiven Stadium verweilen können. Ein Wiederaufflackern der Infektion variiert individuell. Nur bei einem kleinen Teil der Infizierten (20 bis 40 Prozent) erwacht das Virus. Bislang ist nicht geklärt, warum einige von wiederholten Bläschenattacken verschont bleiben. Auch ist nicht vorhersehbar, wie schwer und wie häufig sich ein Rezidiv zeigt. Während einige der Betroffenen nur einmal im Leben mit einem erneuten Auftreten der Infektion zu kämpfen haben, sind bei anderen mehrmals im Jahr Reaktivierungen möglich. In der Regel nimmt die Rezidivrate mit zunehmendem Lebensalter ab. Man sagt auch, das Virus „gehe in Rente“.

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