Mikrobiom
PTA-Fortbildung

Mensch und Mikrobiom – eine innige Beziehung

Auf jede menschliche Zelle in unserem Körper kommt aktuellen Schätzungen zufolge mindestens eine Bakterienzelle. Diese besondere Beziehung geht weit über Wirt und Bewohner hinaus – Mikroben beeinflussen unsere Stimmung, Verdauung und unseren Gesundheitszustand.

16 Minuten

Sie finden Bakterien eklig, bei Pilzen denken Sie an Schimmel und bei Viren an Krankheit? Vergessen Sie es und denken an das komplexe Ökosystem, das jeder Mensch in sich verbirgt: Auf den ersten Blick nicht sichtbar, eröffnet sich unter dem Mikroskop eine Vielfalt an Bakterien, Pilzen, Archaea, Urtierchen und Viren – weniger Feinde, eher Verbündete, die uns im täglichen Leben unbemerkt zur Seite stehen. 

Bei dem aktuell vermuteten Schlüssel von humanen zu bakteriellen Zellen von 1:3 bis 1:1 stellt sich eher die Frage, ob der Mensch überhaupt noch als Wirt zu betrachten ist oder ob vielmehr der menschliche Körper ohne mikrobielle Unterstützung gar nicht funktionieren könnte. 

Aber fernab dieser philosophischen Betrachtung – was wissen wir über unsere Untermieter? Die schnelle Antwort vorab: Herzlich wenig, gemessen an dem Kosmos, der sich vor uns auftut. Aber einige Dinge sind bekannt und das Mikrobiom, vor allem unseres Darms, ist einer der aktuellen Stars der Wissenschaft. 

Lernziele

Lernen Sie in dieser von der Bundesapothekerkammer akkreditierten Fortbildung unter anderem
+ Begriffsdefinitionen rund um das Mikrobiom,
+ wie sich die Bakterienzusammensetzung an unterschiedlichen Körperregionen voneinander unterscheidet und welche Aufgaben sie innehat,
+ den aktuellen wissenschaftlichen Stand über den Zusammenhang zwischen Mikrobiom(-veränderungen) und körperlicher wie geistiger Gesundheit,
+ Wissenswertes zu Prä-, Pro- und Symbiotika und
+ welchen Einfluss die Einnahme verschiedener Medikamente auf die Zusammensetzung und Funktionalität des Mikrobioms hat.

Ein Mikrokosmos im Makrokosmos

Das humane Mikrobiom ist riesig, den Großteil stellen Bakterien. Etwa 500 bis 1000 Arten tummeln sich in und auf unserem Körper. Viele Definitionen beziehen sich daher hauptsächlich auf den bakteriellen Anteil im Mikrobiom und lassen den Rest außen vor. Doch gehören Viren, Pilze, Archebakterien sowie Urtierchen ausdrücklich dazu. Wie sieht es sonst im Definitionsdschungel aus?
Dass man Flora und Fauna nicht im menschlichen Körper, sondern in der Umwelt findet, ist mittlerweile bei allen angekommen. Schließlich zählen weder Bakterien noch Pilze zu den Pflanzen und auch nicht zu den Tieren. Selbst der belesene Laie spricht heute nicht mehr von seiner Darmflora, sondern vom Darmmikrobiom. Doch ab hier wird es knifflig, denn häufig werden bestimmte Begrifflichkeiten wie Mikrobiom oder Mikrobiota synonym verwendet und sorgen für Verwirrung. Folgende Definitionen werden unter den meisten Fachleuten akzeptiert: 

  • Mikrobiota ist die Gesamtheit aller Mikroorganismen eines bestimmten Standortes, zum Beispiel des Darms oder des Intimbereichs.
  • Metagenom spiegelt die Gesamtheit aller Genome und Gene einer Mikrobiota wider.
  • Mikrobiom meint die funktionelle Einheit aller Mikroorganismen inklusive ihrer Gene innerhalb einer bestimmten Umgebung. So gesehen beinhaltet der Begriff Mikrobiom die Mikrobiota, deren Stoffwechsel und Beziehungen untereinander, das Metagenom sowie die Umweltbedingungen des Standortes, an dem sich die Mikroorganismen aufhalten.

Diese Definition unterliegt jedoch einer ständigen wissenschaftlichen Diskussion. 

Seit dem Jahr 2001 gilt das menschliche Genom mit seinen rund 22 000 Genen als entschlüsselt. Zeitgleich forderte der US-amerikanische Molekularbiologe und Nobelpreisträger Joshua Lederberg, das menschliche Genom nicht ohne die Mikrobiota zu bewerten. Er formte auch den Begriff Mikrobiom, der im Folgenden der Einfachheit halber verwendet werden soll – so, wie es in der täglichen Praxis meist der Fall ist. Auch wenn es nicht immer ganz korrekt ist.

Mehr Bakterium als Mensch?

Im Jahr 2007/08 startete in den USA das Human Microbiom Project (HMP) und zeitgleich in Europa das Konsortium für Metagenomics of the Human intestinal tract (MetaHit) zur Charakterisierung menschlicher Mikrobiome. Neuere Zahlen gehen von ungefähr acht Millionen mikrobieller Gene im menschlichen Organismus aus. Dem gegenüber stehen in etwa 22 000 menschliche Gene, das heißt: Auf ein menschliches Gen kommen ungefähr 150, wenn nicht sogar 360 mikrobielle Gene.

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