Cannabis
PTA-Fortbildung

Von der Rauschdroge zum Medizinalhanf

Hanf oder Cannabis sativa ist eine der ältesten Nutzpflanzen der Erde. Man stellte Seile und Papier aus seinen Fasern her – und nutzte von jeher auch die medizinische Wirkung der enthaltenen Cannabinoide.

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Doch nicht wirkungslos Der VCA fährt ein anderes Argument auf - gerade, weil sich einige Produkte „zweifelhafter Qualität“ im Drogerieregal tummelten. Laut Verband kann es nämlich sowohl die Wirkung von Tetrahydrocannabinol (THC) beeinflussen als auch selbst signifikante Wirkungen auslösen, da CBD spezielle Rezeptoren des körpereigenen Endocannabinoidsystems aktivieren kann, ohne jedoch eine berauschende Wirkung zu haben. Die Forschung zu CBD stecke zwar noch in den Anfängen, doch zeichne sich das hohe Potenzial des Wirkstoffs in der Medizin bereits ab. Daher müsse CBD als Arzneimittelwirkstoff behandelt werden.

Sorge macht dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) allerdings der Restgehalt an psychoaktivem THC, das natürlicherweise im CBD-Öl enthalten ist, aber in den EU-zertifizierten Sorten 0,2 Prozent nicht übersteigen darf. Laut Behörde werden die Richtwerte sehr häufig überschritten. Bei hanfhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln (dazu zählten neben CBD-Ölen auch aus Hanfsamen hergestellte Proteinpulver) überschritten nahezu alle Proben (94 Prozent) den Richtwert. Die Gehalte an THC lagen durchschnittlich bei 1230 mg/kg und überschritten den Richtwert also um mehr als das 10 000fache.

In einer von Stiftung Warentest Ende 2020 durchgeführten Befragung stellte sich heraus, dass etwa 12 Prozent der Deutschen regelmäßig CBD-Produkte verwenden. Über die Hälfte (55 Prozent) versprechen sich davon Hilfe beim Entspannen, Stresslinderung (43 Prozent) sowie Hilfe gegen Schlafstörungen (38 Prozent). Ein kleiner Teil (5 Prozent) hofft auf Schmerzlinderung. 15 Prozent verspüren dagegen eine Aktivierung. In einem Produkttest hatte sich die Stiftung 17 Cannabidiol-haltige Produkte genauer angesehen, darunter 14 Öle oder Kapseln zum Einnehmen, zwei Aromaöle und einen Verdampfer. Sie versprachen „innere Balance“, ein „schlagkräftiges Immunsystem“ und „geistige Ausgeglichenheit“, sollten gegen Schlafstörungen, Stress und Entzündungen helfen.

Kein Anbieter habe aber auf Nachfragen Studien zum Nutzen vorgelegt. Im Ergebnis sei bei zwei Produkten der CBD-Gehalt niedriger gewesen als angegeben. Umgekehrt lag bei vieren der THC-Wert über dem, den die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit für unbedenklich hält. Er sei zwar noch weit von therapeutisch oder auch missbräuchlich eingesetzten THC-Dosen entfernt gewesen: „High“ könne man mit den Produkten nicht werden. Es sei jedoch nicht sicher, dass keine psychogenen oder psychomotorischen Effekte auftreten könnten. Die Stiftung kommt zu dem Schluss: „Die versprochenen Eigenschaften sind nicht belegt und die Mittel können riskant sein.“

Kein „Kiffen auf Rezept“ Cannabis-erfahrene Patienten zeigen sich schon einmal unzufrieden mit den in den Apotheken vertriebenen Cannabis-Blüten, denn sie unterscheiden sich gegebenenfalls von Straßenware, sowohl vom Geschmack als auch vom Aussehen. Diese Tatsache sollte dem Patienten bereits bei der Abgabe erklärt werden. Mit dem Bezug über die Apotheke können sich die Patienten aber sicher sein, dass sie qualitativ hochwertiges, kontrolliertes, pflanzliches Material erhalten, dessen Zusammensetzung in Bezug auf THC und CBD verlässlich ist. Um das hohe Maß an Sicherheit zu gewährleisten, werden die Verpackungen geöffnet, damit eine Identitätsprüfung durchgeführt werden kann.

Die Patienten müssen darüber aufgeklärt werden, dass dieser Vorgang ihrem Wohl dient. Auch eine entsprechende Vorportionierung in Einzeldosen dient der Arzneimitteltherapiesicherheit. Schließlich werden auch Hilfsmittel zur Dosierung (Messlöffel, Messbecher, Dosierlöffel) oder Verdampfung angeboten. Soll Cannabis inhaliert werden, braucht der Patient einen Verdampfer oder Vaporizer. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten in der Regel. Medizinische Vaporizer gelten als Applikationshilfe. Mit dem Gerät können Cannabisblüten und cannabinoide Arzneimittel wie Dronabinol verdampft und inhaliert werden.

Abhängigkeit Oftmals wird vom Kunden die Frage gestellt, ob man vom Cannabiskonsum abhängig wird. Wie bei allen psychotrop wirkenden Substanzen kann es dabei zu Gewöhnungseffekten und Abhängigkeiten kommen – doch sind diese erwiesenermaßen deutlich geringer ausgeprägt als bei Alkohol, Nikotin und Heroin. Insbesondere körperliche Abhängigkeiten treten bei Cannabis selten auf. Anders ist das mit der psychischen Abhängigkeit: Wird das Verlangen nach Cannabis nicht gestillt, können Unruhe, Nervosität sowie Schlafstörungen und Appetitlosigkeit auftreten. Bei Betrachtung des Nebenwirkungsprofils aus bisherigen Untersuchungen scheint aber eine Dauertherapie bei Erwachsenen durchaus möglich.

Die Autorin versichert, dass keine Interessenkonflikte im Sinne von finanziellen oder persönlichen Beziehungen zu Dritten bestehen, die von den Inhalten dieser Fortbildung positiv oder negativ betroffen sein könnten.

Sabine Breuer, Apothekerin/Chefredaktion

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