Der Beipackzettel soll dem Patienten helfen. © EdnaM / iStock / Getty Images Plus

Medikamente | Gesundheit

TIPPS RUND UM DEN BEIPACKZETTEL

«Selten: Herzinfarkt». Bei Kopfschmerztabletten? Soll ich die dann überhaupt nehmen? Beipackzettel sollen dem Patienten helfen - und verunsichern oder überfordern doch oft eher. Experten raten daher: Im Zweifel lieber nachfragen.

Seite 1/1 3 Minuten

Seite 1/1 3 Minuten

«Lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.» Diesen Ratschlag hat man im Leben vermutlich genauso oft gehört wie ignoriert. Denn das Gespräch mit Arzt oder Apotheker mag noch hilfreich sein. Doch der Beipackzettel vieler Medikamente ist oft eher Rätselheft als leichte Lektüre.

Was schade ist, schließlich beantwortet der Zettel viele wichtige Fragen: Wer darf das Medikament nehmen, wann und wie oft? Welche Nebenwirkungen können auftreten? Doch viele dieser Infos schaffen es einfach nicht zum Empfänger, sagt Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg. «Ich vermute mal, dass neun von zehn Patienten den Beipackzettel nicht lesen.»

Kleine Schrift, Bandwurmsätze, Fachausdrücke: «Die Beipackzettel in ihrer heutigen Form überfordern die Patienten oftmals», sagt Ingrid Dänschel aus dem Vorstand des Deutschen Hausärzteverbands. Grund dafür sei der Versuch der Hersteller, sich juristisch abzusichern.

Tatsächlich gibt es zahlreiche Vorschriften, an die sich Pharmafirmen beim Verfassen der Beipackzettel halten müssen. «Es ist gesetzlich festgelegt, was in den Beipackzetteln drinstehen muss», erklärt Rose Schraitle vom Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH). «Die Angaben müssen auf Deutsch verfasst sein und die Schrift muss gut lesbar sein.»

Auch die Reihenfolge der Informationen sei vorgeschrieben. Patienten mit Beipackzettel-Erfahrung sollen sich so schneller zurechtfinden. «Und es muss verständlich sein», sagt Schraitle. «Das ist aber ein Kampf um laienverständliche und trotzdem richtige Formulierungen, den Hersteller und Behörden schon seit Jahrzehnten führen.»

Ideen gab es in diesen Jahrzehnten schon viele. Einen Info-Kasten etwa, der die wichtigsten Infos zusammenfasst. Davon sei man wieder abgerückt, sagt Schraitle - damit die Patienten nicht nur noch den Kasten lesen. «Es ist alles wichtig, was auf dem Beipackzettel steht - es ist nur nicht alles für jeden Patienten wichtig.»

Ingrid Dänschel sieht hier trotzdem die Hersteller in der Pflicht - und fordert einen Kompromiss zwischen Patientenfreundlichkeit und juristischer Absicherung: «Am besten wäre es, wenn der Zettel zumindest teilweise in einer einfacheren Sprache geschrieben und nicht mehr so kleingedruckt wäre - auch das ist für viele Patienten ein großes Problem.»

Bis es so weit ist, sollten Verbraucher und Patienten zumindest einen Teil der Infos beachten, sagt Apotheker Siemsen. Auch wenn es schwerfällt. «Wichtig auf dem Beipackzettel sind einmal die Kontraindikation, also wann ich ein Medikament nicht nehmen darf.»

Dazu kommt natürlich die genaue Anleitung zur Einnahme. Doch selbst da wird es erklärungsbedürftig: «Auf nüchternen Magen» etwa heißt, dass Patienten vier Stunden nichts gegessen und nur Wasser getrunken haben sollten, wie der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) erklärt. Und «mit viel Flüssigkeit zu sich nehmen» bezieht sich ausdrücklich auf kaltes oder lauwarmes Wasser, nicht auf heiße oder koffeinhaltige Getränke.

Bei den Einnahmehinweisen steht auch, in welchem Rhythmus Patienten wie viel von einem Medikament nehmen sollen. Bei Antibiotika zum Beispiel sind diese Hinweise entscheidend: «Wenn da drei Mal am Tag, alle acht Stunden steht, sollte ich das auch so nehmen», sagt Siemsen. 30 Minuten mehr oder weniger dürften es zwar auch mal sein, aber keine viel größeren Abweichungen. «Und vergessene Medikamente sollte man auch nicht einfach nachnehmen, sondern immer vorher beim Arzt oder in der Apotheke nachfragen.»

Die können auch weiterhelfen, wenn es Fragen zu den Nebenwirkungen gibt - ein Punkt, der gerade bei älteren Medikamenten oft einen größeren Teil des Beipackzettels ausmacht. Denn die Hersteller sind verpflichtet, alle jemals beobachteten Nebenwirkungen eines Medikaments aufzuführen, sagt BAH-Expertin Schraitle. «Auch wenn nur vermutet wird, dass sie auf das Arzneimittel zurückzuführen sind. Das liest sich dann im Ergebnis natürlich manchmal dramatisch.»

Die Liste der Nebenwirkungen wird so zum zweischneidigen Schwert. Einerseits weiß der Patient, worauf er sich einlässt. Andererseits können vermeintliche Gefahren auch verunsichern. «Teilweise gibt es das schon, dass Patienten Medikamente nicht nehmen wollen, aus Angst vor den Nebenwirkungen», sagt Siemse.

Er empfiehlt in solchen Fällen, sich die Wahrscheinlichkeit einer Nebenwirkung bewusst zu machen - denn auch die steht ja im Beipackzettel. «Sehr häufig» zum Beispiel hießt übersetzt, dass die Nebenwirkung bei einem von zehn Behandelten aufgetreten sind. Steht dort «sehr selten», war es dagegen nur einer von 10 000.

Etwas kniffliger wird es bei den Wechselwirkungen. Denn die sind für Patienten oft kaum überschaubar. «Bei Medikamenten passiert es halt schnell, dass der Hausarzt was verordnet, dann der Facharzt, und die alle wissen nichts voneinander», sagt Siemsen. «Deshalb ist es schon wichtig, dass es da den Hausarzt gibt, der den Überblick behält.»

Der muss auch die Medikamente kennen, die ein Patient auf eigene Faust kauft und nimmt, sagt Hausärztin Dänschel. «Denn auch diese haben unter Umständen Neben- oder Wechselwirkungen - das Johanniskraut zum Beispiel.» Gerade bei solchen pflanzlichen Mitteln dächten viele Patienten, dass es keine Risiken oder Wechselwirkungen gebe - doch das Gegenteil ist der Fall. «Auch ein noch so guter Beipackzettel hebt den Beratungsbedarf nicht auf.»

Quelle: dpa

×