© Rühlemann’s Kräuter & Duftpflanzen

Welch ein Name!

DIE LIEBE UND DER TOD

Man konnte mit ihnen ein ganzes Heer betäuben, so wie Hannibal es tat. Er hinterließ den afrikanischen Truppen um 200 v. Chr. einfach ein Festmahl, bei dem wie unabsichtlich Mandragora-Wein herumstand.

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Sie tranken ihn, die fremden Krieger. Und konnten dann gemütlich von den zurückkehrenden Karthagern eingesammelt werden. Oder aber – und hier beginnen die Flüster- Legenden – man setzte die Wurzel als Aphrodisiakum ein. „Dollwurz“, „Liebesapfel“, „Liebeskraut“ nennt man die Alraune . In der richtigen Dosis wirkt sie berauschend. Man muss vom Alraunenwein ja nicht so viel trinken …

Auffällige Gestalt Weil die Alraunenwurzel so ungewöhnlich aussieht – die einen sehen in ihr eine sich räkelnde, nackte Frau, die anderen ein männliches Glied, die dritten eine verwunschene Fee – rankten sich schon früh mystische Legenden um das Nachtschattengewächs. Das war ja häufig so bei halluzinogen wirkenden Arzneien und bei den mittelalterlichen Tinkturen sowieso. Der griechische Arzt Theophrast bestimmte, dass die Wurzel erst ausgerissen werden dürfe, nachdem man mit dem Schwert drei Kreise um sie gezogen habe, nach Westen schaue und dabei magische Formeln spreche (welche, ist nicht überliefert). Geschabt, in Essig eingelegt und getrunken, werde sie der Manneskraft schon auf die Sprünge helfen.

Alraunen im Alten Testament Wer das nicht glauben will, schaue bitte in der Bibel nach. Dort steht, schwarz auf weiß, im „Hohelied Salomos“, Abschnitt 7, Vers 14: „Die Liebesäpfel geben den Duft, und an unserer Tür sind lauter edle Früchte, heurige und auch vorjährige: Mein Geliebter, für dich hab ich sie aufbewahrt.“ Dudaim hieß das hebräische Wort, das die Bibelübersetzer mit dem Wort „Liebesapfel“ übersetzten. Bei der Geschichte von Adam und Eva wurde es den Mönchen dann wohl zu heikel, meint die Ethnologin und Literaturwissenschaftlerin Claudia Müller-Ebeling: Sie ließen den ersten Teil des Wortes einfach weg und Adam gab Eva einen Apfel, obwohl es den als Obstsorte noch gar nicht gab.

Julia und der Liebestrank William Shakespeare hatte alle Geschichten über den „Teufelsapfel“ (auch so ein Name) aufmerksam gelesen. Er schrieb dem Gift der Alraune einen Vers auf den Leib, der anschaulich die Nähe zwischen Liebe und Tod verdeutlicht. Julia, die ja bekanntlich Hochzeit und Kinder mit ihrem Romeo nicht mehr erleben durfte, bekommt den todbringenden Trank mit folgenden Worten überreicht. „Der Lippen und der Wangen Rosen werden / wie Asche fahl; die Augenlider sinken, / Wie wenn der Tod abschließt den Lebenstag.“ Das liegt am Hyoscyamin, am Scopolamin und am Atropin, die in der Alraunenwurzel reichlich vorhanden sind! Die darf man nun mal nicht zu heftig einsetzen. Aber davon ein bisschen wirkt durchaus euphorisierend, aphrodisierend und überhaupt ….

Die Alraune, die tatsächlich eine faszinierende Gestalt hat, heißt auch „die Menschenähnliche“, ist ein „Anthromorphon“. Und weil sie so aussieht, gibt es eine schreckliche Legende über sie: Die Wurzel kreischt, wenn man sie aus der Erde zieht. Und zwar so laut, dass ihre Schreie jeden töten, der sie hört. Mit Solanaceen ist eben nicht zu spaßen …

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/15 ab Seite 108.

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

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